Nach ukrainischer Empörung: NATO-Beamter korrigiert Aussage über mögliche Gebietsabtretung
Stian Jenssen, Stabschef von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, hat kürzlich einen Vorschlag geäußert, der auf ukrainischer Seite eine Welle der Empörung auslöste. Angesichts der Kritik ruderte Jenssen zurück und gab eine neue Erklärung ab, die seine Äußerungen abschwächten.
„Meine Äußerung dazu war Teil einer größeren Diskussion über mögliche Zukunftsszenarien in der Ukraine. Ich hätte das nicht so sagen sollen. Das war ein Fehler“, so Jenssen gegenüber der norwegischen Tageszeitung „Verdens Gang“. Gleichzeitig bekräftigte er, dass die Friedensbedingungen von der Ukraine selbst bestimmt werden müssten. „Gerade deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir die Ukrainer mit dem unterstützen, was sie brauchen“, ergänzte er.
Der hochrangige NATO-Beamte hatte zuvor die Möglichkeit genannt, dass die Ukraine einen Teil ihres Territoriums an Russland abtrete, um den Konflikt zwischen den beiden Nachbarländern zu beenden. Jenssen brachte die Idee am Dienstag bei einer Podiumsdiskussion im norwegischen Arendal ins Spiel.
Im Gegenzug dazu könne die Ukraine eine NATO-Mitgliedschaft erhalten, so Jenssens Vorschlag. Gegenüber der norwegischen Tageszeitung „Verdens Gang“ gab er damals an: „Ich sage nicht, dass es so sein muss. Aber es könnte eine mögliche Lösung sein.“ Jenssen fügte hinzu, dass die Ukraine, die in hohem Maße auf die Unterstützung des NATO-Bündnisses angewiesen sei, letztlich mit den Friedensbedingungen einverstanden sein müsse.
Ukrainischer Beamter: „Territorium aufgeben ‚lächerlich‘“
Mehrere Vertreter der Ukraine reagierten verärgert über die Aussagen Jenssens. Mykhailo Podolyak, ein Berater des Stabschefs des ukrainischen Präsidenten, kritisierte die Worte des langjährigen Stabschefs des NATO-Generalsekretärs scharf.
In einem Beitrag auf der Social-Media-Plattform X (früher Twitter) schrieb er am Dienstag: „Territorium gegen einen NATO-Schirm tauschen? Das ist lächerlich. Das bedeutet, sich bewusst für die Niederlage der Demokratie zu entscheiden, einen globalen Kriminellen zu ermutigen, das russische Regime zu bewahren, das Völkerrecht zu zerstören und den Krieg an andere Generationen weiterzugeben.“
Der ukrainische Präsidentenberater ist der Meinung, dass der russische Präsident Wladimir Putin sein Regime fortbestehen lasse, sollte er „keine vernichtende Niederlage erleiden“. Zudem würde dies „Russlands Appetit auf mehr Territorium“ anheizen. „Mörder sollten nicht durch entsetzliche Nachsicht ermutigt werden“, ergänzte Podolyak.
Ukrainisches Außenministerium: „absolut inakzeptabel“
Auch Oleg Nikolenko, der Sprecher des ukrainischen Außenministeriums, hält die Idee der Gebietsabtretung für „absolut inakzeptabel“, wie er auf Facebook schreibt. Damit spiele man Russland direkt in die Hände. Seiner Meinung nach sollte sich die Debatte eher darum drehen, wie die Ukraine siegen könnte. Und um deren zügige Aufnahme ins Nato-Bündnis. Dies stehe auch im Interesse der euro-atlantischen Sicherheit.
Die russische Seite zeigt sich von Jenssens Vorstoß überrascht. Laut dem stellvertretenden Vorsitzenden des Sicherheitsrates Russlands, Dmitri Medwedew sei die Idee „merkwürdig“. Auf dem Nachrichtenportal X schreibt er: „Um der NATO beitreten zu können, müssten die Kiewer Behörden sogar Kiew selbst aufgeben, die Hauptstadt der alten Rus. Nun, sie werden die Hauptstadt nach Lviv verlegen müssen“. Demnach gehen ihm die Zugeständnisse Jenssens nicht weit genug.
Jenssens Vorschlag im Widerspruch zu Selenskyj
Jenssens Vorschlag, ukrainisches Territorium an Russland abzutreten, stünde im Widerspruch zu den wiederholten Forderungen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Dessen Ziel bestand seither darin, das gesamte ukrainische Territorium zurückzuerobern, das derzeit von Russland kontrolliert wird – einschließlich der Halbinsel Krim. Zu den Aussagen Jenssens hat er noch keine Stellung bezogen.
Mitglieder der Biden-Regierung hatten wiederholt bekräftigt, dass sie die ukrainische Regierung so lange unterstützen werden, bis ihre Streitkräfte Erfolge auf dem Schlachtfeld erzielen können, die dem Land eine günstige Position in einem möglichen Friedensabkommen mit Russland verschaffen würde. Auch Vertreter anderer NATO-Mitgliedsstaaten untermauerten das Bekenntnis des Bündnisses: Zur „Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen“ beizutragen.
Die jüngsten Worte von Stian Jenssen deuten darauf hin, dass die NATO bereit wäre, die Aufgabe ukrainischen Territoriums zu akzeptieren, um den Krieg zu beenden. Stoltenberg selbst hat sich ebenfalls noch nicht dazu geäußert. Bislang hatte er allerdings mehrmals erwähnt, dass die Ukraine Zeitpunkt und Bedingungen für Verhandlungen mit Russland selbst zu bestimmen habe.
Gegenoffensive der Ukraine macht wenig Boden gut
Die Äußerungen von Jenssen über Gebietsabtretungen der Ukraine kommen zu einem Zeitpunkt, da die ukrainischen Streitkräfte seit etwa zwei Monaten eine Gegenoffensive zur Rückeroberung von Gebieten im Osten und Süden des Landes durchführen. Bisher haben die ukrainischen Streitkräfte bescheidene Gebietsgewinne zu verzeichnen, aber die russischen Verteidigungsnetze aus Minen und Gräben sind noch weitgehend intakt.
Während einer Pressekonferenz des Pentagons letzte Woche fragte ein Reporter, ob die USA die Fähigkeiten der Ukraine zur Gegenoffensive überschätzt hätten. Der Pressesprecher des Pentagon und Brigadegeneral der Luftwaffe, Pat Ryder, vermied es weitgehend, sich zu den tatsächlichen Fortschritten der Gegenoffensive zu äußern. Er sagte aber, die USA würden die ukrainischen Bemühungen weiterhin unterstützen.
„Ich werde nicht hier auf diesem Podium stehen und einen Kommandeur des ukrainischen Militärs an vorderster Front infrage stellen“, sagte der Pentagon-Sprecher. „Sie befinden sich in einem harten Kampf. Wir haben gewusst, sie haben von Anfang an gewusst, dass es ein harter Kampf werden würde, unabhängig davon, wann die Gegenoffensive beginnt. Deshalb haben wir gesagt, und das hat den Vorteil, dass es stimmt, dass wir weiterhin mit ihnen zusammenarbeiten werden, um ihnen die Fähigkeiten zu geben, die sie brauchen, einschließlich der Ausbildung.“
Diese Woche kündigte die Regierung Biden die jüngste Hilfsrunde von 200 Millionen Dollar für das osteuropäische Land an.
(mit Material von The Epoch Times)
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