Nach ukrainischen Angaben setzt Russland erstmals Interkontinentalrakete im Krieg ein
Nach Angaben der Nachrichtenagentur „Ukrinform“ hat Russland bei einem Luftangriff am Donnerstagmorgen erstmals seit Kriegsbeginn im Jahr 2022 eine Interkontinentalrakete abgefeuert.
Ziel des Angriffs war offenbar die zentral-ukrainische Stadt Dnipro, wie das ukrainische Medienportal „Ukrainska Pravda“ unter Berufung auf anonyme Quellen berichtete. Angegriffen, wurden Unternehmen und kritische Infrastruktur. Dabei kam eine Rakete des Typs RS-26 Rubezh zum Einsatz. Nach Angaben der US-amerikanischen Rüstungskontrollorganisation Arms Control Association beträgt die Reichweite der RS-26 5.800 Kilometer. Zudem wurde bekannt, dass die ukrainische Luftabwehr sechs russische Marschflugkörper des Typs Ch-101 abgefangen hat.
Angriff begann offenbar am Morgen
Im Rahmen eines landesweiten Luft- und Raketenalarms, der frühmorgens ausgelöst wurde, kam auch eine russische Hyperschallrakete vom Typ „Kinschal“ zum Einsatz, die von einem MiG-31-Kampfjet gestartet wurde. Die Marschflugkörper wurden von strategischen Bombern des Typs Tu-95 nahe der Stadt Engels in der südrussischen Region Saratow abgefeuert.
Die „Ukrainska Pravda“ teilte auf ihrem Kanal in der sozialen Plattform X ein Video des Raketenangriffs auf Dnipro. Laut dem Portal liegt dieses Video auch dem ukrainischen Verteidigungsministerium vor.
В розпорядження УП потрапило відео першого російського удару по Україні міжконтинентальною балістичною ракетою „Рубеж“ pic.twitter.com/Cfx4ZlXhvA
— Українська правда ✌️ (@ukrpravda_news) November 21, 2024
Auf dem Video ist zu sehen, wie mehrere Blitze in den Boden einschlagen.
Der Bürgermeister von Dnipro, Borys Filatow, schrieb nach Angaben verschiedener deutscher Medien, dass bei dem Angriff auch ein Zentrum für Menschen mit Behinderungen beschädigt worden sein soll. „Zwei Menschen wurden verletzt – ein 57-jähriger Mann wurde vor Ort behandelt, und eine 42-jährige Frau wurde ins Krankenhaus eingeliefert“, zitiert die Nachrichtenagentur AFP ihn.
Nach Angaben des Militärgouverneurs Serhij Lyssak wurde bei dem Angriff ein Industriebetrieb in Dnipro getroffen. Zudem sollen in der Stadt zwei Brände ausgebrochen sein. Diese Informationen lassen sich jedoch nicht unabhängig überprüfen.
Unklar ob es eine Interkontinentalrakete war
Ob es sich tatsächlich um eine Interkontinentalrakete handelt, ist nicht ganz klar. Wie der amerikanische Nachrichtensender „ABC News“ meldet, habe ein nicht näher benannte westlicher Beamte dem Sender mitgeteilt, dass es sich bei dem Angriff offenbar nicht um eine Interkontinentalrakete gehandelt habe.
Es habe sich vielmehr um eine ballistische Rakete gehandelt, die auf Dnipro im Südosten der Ukraine gezielt gewesen sei, sagte der westliche Beamte.
Ein ukrainischer Regierungsvertreter sagte gegenüber „ABC News“ das ukrainische Militär sei „zu 95 Prozent sicher“, dass es sich bei dem Angriff um eine Interkontinentalrakete gehandelt habe, fügte jedoch hinzu, dass man die Raketenteile noch immer am Boden untersuche und noch zu keinem endgültigen Ergebnis gekommen sei.
Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj äußerte sich in einer Videobotschaft in den sozialen Netzwerken zum Raketenangriff. „Heute war es eine neue russische Rakete. Alle Parameter – Geschwindigkeit, Flughöhe – entsprechen denen einer Interkontinentalrakete“, so Selenskyj. „Alle Expertenbewertungen seien im Gange.“
Today, our insane neighbor has once again revealed its true nature—its disdain for dignity, freedom, and human life itself. And, most of all, its fear.
Fear so overwhelming that it unleashes missile after missile, scouring the globe for more weapons—whether from Iran or North… pic.twitter.com/tEsZ0Uu1bt
— Volodymyr Zelenskyy / Володимир Зеленський (@ZelenskyyUa) November 21, 2024
Keine russische Bestätigung des Angriffs
Russland hat den Raketenangriff von heute Morgen nicht bestätigt. Laut Angaben der „Tagesschau“ antwortete Kreml-Sprecher Dmitri Peskow in einem Pressebriefing auf die Frage hin, ob Moskau eine Interkontinentalrakete abgefeuert habe, habe er „nichts zum Thema zu sagen“. Entsprechende Fragen müssten an das russische Verteidigungsministerium gestellt werden. Russland werde „größte Anstrengungen“ unternehmen, um einen nuklearen Konflikt zu vermeiden. Er hoffe, dass „andere Länder“ die gleiche „verantwortungsvolle Haltung“ hätten.
Eine interkontinentale Rakete (ICBM, kurz für Intercontinental Ballistic Missile) ist eine ballistische Rakete mit einer extrem großen Reichweite, die typischerweise für den Transport von Nuklearsprengköpfen über Kontinente hinweg entwickelt wurde. Diese Raketen spielen eine Schlüsselrolle in der militärischen Strategie vieler Staaten, insbesondere im Rahmen der nuklearen Abschreckung.
Die auf Dnipro abgefeuerte Rakete war offenbar nicht mit einem Atomsprengkopf bestückt. Das berichtet die Nachrichtenagentur AFP und beruft sich auf eine Quelle in der ukrainischen Luftwaffe.
Atomdoktrin gerade erst verschärft
Vor wenigen Tagen hatte Russlands Präsident Wladimir Putin die seit Monaten angekündigte Verschärfung der russischen Atomdoktrin in Kraft gesetzt. Das Dokument zählt Bedrohungsszenarien auf, in denen Russland zu Atomwaffen greifen könnte. Neu ist, dass Moskau die Aggression eines nichtnuklearen Staates, der aber von Atommächten unterstützt wird, als gemeinsamen Angriff auf Russland wertet. Das richtet sich gegen die Atommächte USA, Großbritannien und Frankreich, die die Ukraine militärisch unterstützen.
Russland und die Ukraine haben in den vergangenen Tagen den Einsatz von Langstreckenraketen verstärkt, nachdem die USA der Ukraine die Erlaubnis erteilt hatten, ihre ATACMS (Alternative Air Force System) gegen militärische Ziele in Russland einzusetzen. US-Präsident Joe Biden erfüllte mit dieser Entscheidung den Wunsch der Ukraine, die solche Angriffe schon länger gefordert hatten.
Laut Angaben des russischen Nachrichtenportals „Sputnik“ kommentierte Kremlsprecher Dmitri Peskow die Entscheidung der USA scharf. „Das ist eine neue Eskalation. Das ist eine sehr verantwortungslose Haltung der scheidenden Regierung“, sagte Peskow auf Fragen von Journalisten zur Einschätzung der Lage durch den Kreml, insbesondere angesichts bestätigter Daten über den Einsatz von ATACMS-Raketen gegen Ziele in Russland.
Russische Luftabwehr fängt Marschflugkörper ab
Am Donnerstag hatte „Sputnik“ berichtet, dass russische Luftabwehrsysteme in den vergangenen 24 Stunden zwei Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow britischer Bauart abgefangen hätten. „Sputnik“ beruft sich dabei auf Berichte aus dem russischen Verteidigungsministerium.
„Luftabwehrsysteme haben zwei in Großbritannien hergestellte Storm Shadow-Marschflugkörper, sechs in den USA hergestellte HIMARS-Raketen und 67 Starrflügeldrohnen abgeschossen“, erklärte das Ministerium.
„Neue Phase des westlichen Krieges gegen Russland“
Nach dem G20-Gipfel in Rio de Janeiro hatte Russlands Außenminister Sergej Lawrow vor zwei Tagen auf eine Mitteilung des Verteidigungsministeriums in Moskau reagiert, die Ukraine habe die russische Grenzregion Brjansk mit von den USA produzierten ATACMS-Raketen attackiert.
„Wenn Raketen mit größerer Reichweite von der Ukraine aus in Richtung russisches Territorium eingesetzt werden, bedeutet dies, dass sie von US-Militärexperten bedient werden“, so Lawrow. „Wir werden dies als eine neue Phase des westlichen Krieges gegen Russland betrachten und entsprechend reagieren“, fügte Lawrow hinzu. Er hoffe, Russlands neue Atomwaffendoktrin werde aufmerksam gelesen, sagte er in Richtung der westlichen Verbündeten der Ukraine. Moskau habe jedoch stets versucht, einen Atomkrieg zu verhindern, betonte der Minister.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion