Nach israelischen Angriffen: Iran verzichtet auf sofortige Vergeltung
Nach den israelischen Raketenangriffen verzichtet der Iran auf unmittelbare Vergeltung. Gleichzeit unterstrich das Land sein „Recht und die Pflicht zur Selbstverteidigung“. Irans oberster geistlicher Führer, Ayatollah Ali Chamenei, erklärte, die Angriffe aus Israel dürften „weder überbewertet noch verharmlost werden“. In Katar sollten am Sonntag die Verhandlungen über eine Waffenruhe für den Gazastreifen wieder aufgenommen werden.
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sagte in einem Telefonat mit seinem israelischen Kollegen Joav Galant, es gebe jetzt Möglichkeiten, „die Spannungen in der Region auf diplomatischem Wege“ abzubauen.
Dazu gehöre ein Deal im Gaza-Krieg und eine Übereinkunft mit der Hisbollah im Libanon, die es Zivilisten auf beiden Seiten der Grenze zu Israel ermögliche, in ihre Häuser zurückzukehren. Israel fordert die Freilassung der noch etwa 100 in Gaza festgehaltenen Geiseln, von denen viele nicht mehr am Leben sein dürften.
Allerdings berichtete der Sender CNN unter Berufung auf Regierungsbeamte, dass eine Einigung vor den US-Wahlen am 5. November unwahrscheinlich sei.
Keine Nuklear- oder Ölanlagen beschädigt
Israel hatte in der Nacht zu Samstag als Reaktion auf einen iranischen Raketenangriff Anfang Oktober Raketenfabriken und Flugabwehr-Anlagen im Iran angegriffen. Nach iranischen Angaben wurden dabei vier iranische Soldaten getötet.
Der Iran bezeichnete den Sachschaden als „begrenzt“. Bei den Angriffen im Umkreis von Teheran und in zwei an den Irak grenzenden Provinzen seien lediglich „einige wenige Radarsysteme“ beschädigt worden.
Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, Rafael Grossi, bestätigte, dass keine Nuklearanlagen getroffen worden seien. Auch Ölanlagen wurden offenbar nicht angegriffen.
Nach Berichten des „Wall Street Journal“ und der „New York Times“ hat Israels Luftwaffe vor allem auf die Luftabwehr aus russischer Produktion in der Nacht zum Samstag gezielt. Unter Berufung auf einen israelischen Offiziellen zerstörten die Angreifer zahlreiche S-300-Flugabwehrraketensysteme.
Die „NYT“ schrieb von vier getroffenen S-300 – eine auf einer Militärbasis in der Provinz Isfahan und drei am internationalen Teheraner Flughafen. Auch Abwehrsysteme nahe von Raffinerien und einem großen Gasfeld seien getroffen worden, berichtete die Zeitung unter Berufung auf iranische und israelische Quellen.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu zeigte sich mit dem Ergebnis zufrieden. „Der Angriff im Iran war präzise und kraftvoll und hat alle seine Ziele erreicht“, sagte er am Sonntag. „Wir haben versprochen, dass wir auf den iranischen Angriff reagieren würden, und am Samstag haben wir zugeschlagen“, betonte Netanjahu.
Dauerhaften Waffenstillstand schaffen
Der Generalstab der iranischen Streitkräfte zeigte sich zurückhaltend. „Während sich der Iran das Recht vorbehält, zum passenden Zeitpunkt zu reagieren, liegt der Schwerpunkt nun auf der Schaffung eines dauerhaften Waffenstillstands in Gaza und im Libanon“, hieß es.
Nach Angaben des Generalstabs wurden zahlreiche Raketen abgefangen. Das Eindringen feindlicher Flugzeuge in den iranischen Luftraum sei verhindert worden.
Der Vergeltungsschlag war die Antwort auf eine iranische Attacke am 1. Oktober, bei der Israel mit rund 200 ballistischen Raketen beschossen worden war.
Der iranische Außenminister Abbas Araghtschi, dessen Ministerium zuvor schon das „Selbstverteidigungsrecht“ des Iran hervorgehoben hatte, forderte eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats, „um eine eindeutige Position zur Verurteilung dieser Aggression einzunehmen“, hieß es in einem Schreiben an UN-Generalsekretär António Guterres.
Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari hatte den Beschuss militärischer Ziele im Iran als Antwort auf „die seit Monaten andauernden Angriffe des iranischen Regimes gegen den Staat Israel“ bezeichnet.
Scholz: Eskalation beenden
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erklärte: „Meine Botschaft an den Iran ist klar: Es darf nicht immer weitergehen mit massiven Reaktionen der Eskalation.“ Israel habe versucht, „Personenschäden“ zu vermeiden: „Damit bietet sich die Möglichkeit, eine weitere Eskalation zu vermeiden.“
Auch aus dem Auswärtigen Amt hieß es, durch diese „israelische Antwort auf die iranischen Raketenangriffe geht wieder ein Fenster für diplomatisches Vorankommen in Nahost und Libanon auf“.
Die 27 EU-Mitgliedstaaten riefen alle Konfliktparteien „zu äußerster Zurückhaltung“ auf, um eine „unkontrollierbare Eskalation“ zu vermeiden.
Der Iran geht unter anderem mit der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas gegen Israel vor. Die Hamas löste mit ihrem Großangriff auf Israel am 7. Oktober 2023 den Krieg mit Israel aus. Zu den Partnern Teherans gehört auch die libanesische Hisbollah-Miliz, die eine zweite Front gegen Israel eröffnet hat.
Die Hisbollah bekannte sich am Sonntag zu einem Raketenangriff auf einen Standort der Militärindustrie nördlich von Haifa. Am Vortag hatte sie nach eigenen Angaben 80 Geschosse auf Israel gefeuert, unter anderem auf Wohngebiete im Norden Israels. Zudem attackierte die Hisbollah nach eigenen Angaben erstmals den Luftwaffenstützpunkt Tel Nof südlich von Tel Aviv mit Drohnen. (afp/red)
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