Flutkatastrophe in Spanien: 158 Tote – Kritik an verspäteter Warnung – neue Unwetterwarnungen
Die Zahl der Todesopfer bei der Flutkatastrophe in Spanien ist auf mehr als 150 gestiegen. Bis Donnerstagnachmittag wurden 158 Leichen geborgen, wie die Rettungsdienste mitteilten. Allein in der Region Valencia kamen den Rettungsdiensten zufolge mindestens 155 Menschen ums Leben. Zwei Todesopfer wurden in Kastilien-La Mancha geborgen, in Andalusien gab es mindestens ein Flut-Opfer. Die Zahl der Vermissten ist bislang noch unklar.
Wegen erneuter Unwetterwarnungen riefen die Behörden die Menschen in der Region auf, zuhause zu bleiben. Im ganzen Land begann unterdessen eine dreitägige Staatstrauer.
Oberste Priorität habe derzeit die Suche nach möglichen weiteren Opfern und Vermissten, sagte Ministerpräsident Pedro Sánchez. Der Minister für Territorialpolitik, Ángel Víctor Torres, hatte am Mittwochabend von „zahlreichen Vermissten“ gesprochen.
„Bitte, bleibt zuhause, achtet auf die Aufrufe der Rettungsdienste“, appellierte Sánchez an die Bevölkerung von Valencia und Castellón, das Teil der Autonomen Region Valencia ist. Der nationale Wetterdienst rief am Donnerstagmorgen für Teile der Provinz Castellón wegen weiterer drohender Regenfälle mit der Alarmstufe Rot die höchste Warnstufe aus.
Kritik an Behörden
Angesichts der dramatischen Opferzahl stehen die Behörden in der Kritik, die Bevölkerung zu spät gewarnt zu haben. Die nationale Wetterbehörde Aemet hatte am Dienstagmorgen um 07.31 Uhr die Alarmstufe Rot für die Region Valencia ausgerufen und unmissverständlich gewarnt: „Große Vorsicht! Die Gefahr ist extrem.“
Im Laufe des Tages verschlechterte sich die Wetterlage zunehmend. Doch erst am Nachmittag gegen 17.00 Uhr trat in Valencia das regionale Gremium zur Koordinierung der Rettungsorganisationen im Katastrophenfall (Cecopi) zusammen.
Zivilschutzbehörde warnte erst nach 20.00 Uhr
Die Warnung der Zivilschutzbehörde, in der die Bevölkerung von Valencia sehr eindringlich aufgerufen wurde, auf keinen Fall das Haus zu verlassen, wurde erst nach 20.00 Uhr veröffentlicht.
Und laut der Zeitung „El País“ wurde die Warnung in einigen Ortschaften, die am schlimmsten von den Überflutungen betroffen waren, erst nach 21.00 Uhr verschickt. Da war es schon zu spät.
Die Verzögerungen um mehrere Stunden waren entscheidend: Tausende Menschen blieben bei der Arbeit oder verließen nachmittags ihr Haus – und steckten schließlich auf den Straßen fest, den reißenden Wassermassen ausgeliefert. Manche Menschen starben in den Fluten, andere entkamen mit Glück nur knapp dem Tod.
„Das Wasser stieg im Auto bis zum Türgriff“, erzählte María Carmen im staatlichen Fernsehsender TVE. „Ich bin durch das Fenster ausgestiegen und auf das Autodach geklettert“. Dort habe sie mehrere Stunden ausgeharrt. Schließlich sei sie von einem Lastwagenfahrer gerettet worden.
„Alarm geschlagen, als das Wasser schon da war“
„Sie haben Alarm geschlagen, als das Wasser schon da war. Dann muss mir niemand mehr sagen, dass das Wasser kommt“, schimpfte der 66-jährige Rentner Julian Ormeno in Sedavi, einem Vorort von Valencia. Niemand habe die Verantwortung übernommen.
„Es ist furchtbar, so viele Menschen in Europa bei Überschwemmungen sterben zu sehen, obwohl die Meteorologen extreme Niederschläge vorhergesagt und gewarnt hatten“, sagte Hannah Cloke, die an der Universität von Reading in Großbritannien Hydrologie lehrt. „Die Tatsache, dass Menschen in ihren Autos sterben und auf Straßen fortgerissen werden, ist völlig vermeidbar, wenn die Menschen von den ansteigenden Wassermassen ferngehalten werden. “
Betroffene: Warnsystem von Valencia hat versagt
Die verheerenden Folgen deuteten darauf hin, dass das Warnsystem von Valencia versagt habe, sagte sie. „Die Menschen wissen nicht, was sie tun sollen, wenn sie mit einer Flut konfrontiert sind oder wenn sie Warnungen hören.“
„Bei Wetterereignissen, die vorhergesagt wurden, sollten Menschen in Ländern, die Ressourcen für ein besseres Vorgehen haben, nicht sterben“, sagte auch Liz Stephens, Professorin für Klimarisiken und Resilienz an der Universität Reading. „Wir müssen noch viel tun, um uns für Ereignisse dieser Art vorzubereiten, und für Schlimmere, in der Zukunft.“
Experten zufolge bildete sich das Unwetter durch über das warme Mittelmeer ziehende kalte Luftmassen, wodurch massive Regenwolken entstanden – ein für die Jahreszeit übliches Phänomen.
Warnungen vor heftigen Gewittern „unglaublich schwer zu erstellen“
Selbst das beste Warnsystem könne manchmal nichts ausrichten, betonten Expertinnen. Wetterereignisse dieser Art könnten „die Fähigkeiten bestehender Abwehrmechanismen und Notfallpläne überfordern, selbst in einem relativ wohlhabenden Land wie Spanien“, sagte Leslie Mabon, Dozentin für Umweltsysteme an der britischen Open University.
Warnungen vor heftigen Gewittern seien zudem „unglaublich schwer zu erstellen“, betonte Linda Speight, Dozentin für Geografie und Umwelt an der Universität Oxford. Der genaue Ort der stärksten Regenfälle sei im Voraus für gewöhnlich unbekannt.
König Felipe VI: „Gefahr noch nicht vorbei“
Derweil wies der spanische König Felipe VI. am Donnerstag darauf hin, dass die Gefahr noch nicht vorbei sei. „Es gibt in einigen Fällen weiterhin Gefahrenwarnungen“, sagte er bei einer Veranstaltung in Madrid. Der Monarch bezog sich dabei augenscheinlich auf die Ausrufung der höchsten „Alarmstufe Rot“ für die Provinz Castellón nördlich von Valencia durch die nationale Wetterbehörde Aemet.
Ministerpräsident Pedro Sánchez appellierte an die Menschen in der Gegend von Valencia und in Castellón, das Teil der Autonomen Region Valencia ist, zuhause zu bleiben. „Bitte, bleibt zuhause, achtet auf die Aufrufe der Rettungsdienste“, sagte er bei einem Besuch in der Stadt Valencia. Das für die Flutkatastrophe verantwortliche Tief dauere an.
Die Zahl der Todesopfer ist die höchste in Spanien seit Oktober 1973, als in den südöstlichen Provinzen Granada, Murcia und Almería mindestens 150 Menschen starben. (afp/red)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion