Nach Anschlag auf Rüstungsunternehmen: Türkei greift 47 „PKK-Ziele“ in Syrien und im Irak an

Die Türkei schwört nach dem Anschlag in Ankara Rache und greift „terroristische Ziele“ im Irak und in Syrien an. Die beiden Attentäter des Anschlags in Ankara wurden als Mitglieder der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) identifiziert.
Die Türkei reagiert auf den Anschlag mit Luftangriffen im Nordirak und in Syrien.
Die Türkei reagiert auf den Anschlag mit Luftangriffen im Nordirak und in Syrien.Foto: Uncredited/IHA/AP/dpa
Epoch Times24. Oktober 2024

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Nach dem Anschlag in Ankara mit mindestens fünf Toten hat die Türkei Ziele in Nordsyrien und im Nordirak angegriffen.

Die Armee führte Luft- und Drohnenangriffe gegen insgesamt 47 Ziele aus und „zerstörte 32 Ziele der Terroristen“, wie das türkische Verteidigungsministerium mitteilte. Im Irak seien 29 und im Norden Syriens 18 Ziele angegriffen worden, hieß es weiter.

Die Angriffe sollten nach Angaben aus Ministeriumskreisen fortgesetzt werden. Nach Angaben von Kurtulmus wurden bei den Angriffen „59 Terroristen“ getötet, darunter zwei hochrangige Beamte. Den kurdischen Streitkräften in Syrien zufolge kamen zwölf Zivilisten ums Leben, darunter zwei Kinder.

Indes wurden die ersten Opfer des Anschlags beerdigt.

Attentäter als PKK-Mitglieder identifiziert

An mehreren Flughäfen in Istanbul wurden infolge des Anschlags die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt, wie verschiedene türkische Medien berichteten.

Am Donnerstag hat die türkische Regierung zudem die beiden Attentäter als Mitglieder der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) identifiziert.

Innenminister Ali Yerlikaya erklärte im Onlinedienst X, bei den  Angreifern handele es sich um einen Mann namens Ali Örek, der auch unter dem Decknamen „Rojger“ bekannt ist, und eine Frau namens Mine Sevjin Alcicek. Beide seien „PKK-Terroristen“.

Erdogan: Angriff zeigt „Entschlossenheit der Türkei“

Präsident Recep Tayyip Erdogan, der sich aktuell beim Treffen der Brics-Staaten im russischen Kasan befindet, dankte „allen unseren Freunden, die ihr Beileid für den gestrigen perfiden Angriff und ihre Solidarität zum Ausdruck gebracht haben.“

Der Angriff habe „die Entschlossenheit der Türkei, den Terrorismus zu beseitigen, weiter gestärkt“, erklärte er. Nach Angaben der Präsidentschaft wollte er im Laufe des Tages nach Ankara zurückkehren.

Die PKK, die von der Türkei, der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft wird, hat den Anschlag bisher nicht für sich reklamiert. Die PKK kämpft seit den 80er Jahren gegen den türkischen Staat.

Bei dem Terroranschlag am Mittwoch auf eines der bedeutendsten türkischen Rüstungsunternehmen waren mindestens fünf Menschen getötet und 22 weitere verletzt worden. Die türkische Rundfunkbehörde Rtük hatte eine Nachrichtensperre über den Anschlag verhängt.

Erdogan: Anschlag auf Zugpferd der türkischen Verteidigungsindustrie

Das Ziel des Attentats, das Unternehmen Türkische Luft- und Raumfahrtindustrie (Tusas), ist eine Tochtergesellschaft der staatlichen Agentur für Verteidigungsindustrie. Vier der fünf Opfer waren bei ihr angestellt.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach von einem „feigen Anschlag“ auf ein Zugpferd der türkischen Verteidigungsindustrie. Die Firma ist unter anderem ein bedeutender Produzent von Kampfflugzeugen und Drohnen.

Laut dem Analysten Murat Yetkin setzt die Türkei Drohnen von Tusas sowohl im Kampf gegen die PKK als auch gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ein. Die Türkei geht regelmäßig gegen die PKK, die ihr Hauptquartier in den nordirakischen Kandilbergen hat, vor – ebenso gegen die syrische Kurdenmiliz YPG im Norden Syriens, die sie als Ableger der PKK betrachtet.

Das türkische Militär hatte noch vor der Mitteilung, beide Täter als PKK-Mitglieder identifiziert zu haben, mit Angriffen im Irak und in Syrien begonnen. Der Schmerz über die Opfer sei groß, aber die Kraft zur Rache größer, sagte Verteidigungsminister Yasar Güler laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu.

Anschläge von mehreren Gruppen in der Vergangenheit

Der Anschlag ereignete sich, kurz nachdem die Ultranationalisten der Partei MHP überraschend eine mögliche Freilassung des PKK-Führers Abdullah Öcalan thematisiert hatten.

Die MHP ist Erdogans Regierungspartner. Ihr Chef Devlet Bahceli hatte eine mögliche Freilassung jedoch an eine Entwaffnung der Terrororganisation geknüpft. Beobachter werten dies als ein Zeichen dafür, dass es möglicherweise zu einem neuen Friedensprozess zwischen Regierung und PKK kommen könnte.

Am Mittwoch durfte Öcalan, der in Isolationshaft sitzt, zudem erstmals seit Jahren Besuch empfangen. Aus dem Gefängnis ließ er mitteilen: „Wenn die Bedingungen gegeben sind, habe ich die theoretische und praktische Kraft, diesen Prozess von der Ebene des Konflikts und der Gewalt auf eine politische und rechtliche Ebene zu bringen.“ Welche Auswirkungen der Anschlag auf eine etwaige Neuaufnahme zu Friedensverhandlungen haben wird, ist offen.

Der Politikanalyst Sinan Ülgen sieht im Zusammenhang mit einer möglichen Annäherung zwei Zeichen, die hinter dem Anschlag stecken könnten, sollte es eine Verbindung zur PKK geben. „Es könnte ein Anschlag gewesen sein, der nicht im Einklang mit den Kommando-Strukturen der PKK geschehen ist, etwa ein unabhängiger Arm radikaler Teile, die den Prozess torpedieren wollen“, so Ülgen.

Oder es sei eine Nachricht der PKK an die türkische Regierung, dass man direkter auf die aktuelle Führung der PKK zugehen müsse und der Weg über Öcalan, der seit 1999 inhaftiert ist, nicht ausreiche.

Hinter dem Annäherungsversuch der Ultranationalisten steckt Ülgen zufolge innenpolitisches Kalkül: Erdogan könne laut Verfassung kein weiteres Mal kandidieren, es sei denn, das Parlament beantrage Neuwahlen oder man ändere die Verfassung. Für beides fehlten aber Mehrheiten, weshalb man auf der Suche nach neuen Partnern sei, etwa der prokurdischen Partei Dem.

In der Türkei haben in der Vergangenheit sowohl der IS, die linksextremistische Revolutionäre Volksbefreiungsfront DHKP-C als auch die PKK schwere Anschläge verübt, auch in Ankara. (dpa/red)



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