Mysteriöser Hackerangriff in Österreich: ÖVP-Daten sollen entwendet und manipuliert worden sein
Ausgerechnet am 11. September wird die erste offizielle Biografie des im Juni vom Nationalrat abgewählten Bundeskanzlers und abermaligen ÖVP-Spitzenkandidaten Sebastian Kurz erscheinen. Von einer Jahrhundertkatastrophe, wie man sie seit 2001 mit diesem Datum verbindet, ist der Wahlkampf des einstigen Shooting-Stars der österreichischen Innenpolitik noch weit entfernt.
Allerdings hat der große Hoffnungsträger der zuvor über Jahrzehnte hinweg notorisch erfolglosen Bürgerlich-Konservativen in den vergangenen Wochen doch mehr an Strahlkraft verloren, als er und seine Partei Ende Mai noch erwartet hatten. Damals hatte Kurz nach der Veröffentlichung illegal angefertigter Aufnahmen über seinen damaligen Vizekanzler Heinz-Christian Strache entschieden, die seit 2017 bestehende Regierungskoalition mit der rechtskonservativen FPÖ zu beenden – und die Flucht nach vorne mittels Neuwahlen anzutreten.
Keine Neuauflage des Schüssel-Coups von 2002
Zu Beginn sah es auch noch aus, als würde ein grandioser Wahlsieg des zwei Wochen später von der Opposition und seinem früheren Regierungspartner im Nationalrat abgewählten Kanzlers zum Selbstläufer. Umfragen sahen die ÖVP stramm auf 40 Prozent zumarschieren, die man nach 1986 nur noch 2002 im Zuge der Knittelfeld-Affäre überschreiten konnte. Damals hatte ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel innerparteiliche Kämpfe in der FPÖ genutzt, um Neuwahlen zu erzwingen und wenige Wochen nach dem turbulenten Parteitreffen von deren Schwächung profitiert.
Im Laufe des Wahlkampfs geriet Kurz allerdings zunehmend in Erklärungsnöte. Eine Affäre rund um die allzu eilige Vernichtung mehrerer Datenträger aus dem Kanzleramt und Enthüllungen um Großspenden, die in so kleine Teilbeträge gestückelt gewesen sein sollen, dass man damit Meldepflichten umgehen konnte, haben das Saubermann-Image von Kurz und seiner Partei angekratzt. Zudem habe die nach Wegen gesucht, Überschreitungen der gesetzlichen Grenzen für Wahlkampfkosten durch buchhalterische Tricks zu vermeiden.
Zwar liegt die ÖVP in Umfragen immer noch deutlich vor den ebenfalls geschwächten Konkurrenten von SPÖ und FPÖ – aber von den Spitzenwerten der frühen Sommermonate entfernt sie sich immer mehr. Sollte es der Partei nicht gelingen, die 34,55 Prozent, die sie eine Woche nach Bekanntwerden der „Ibiza“-Affäre bei der EU-Wahl verbuchen konnte, zu halten, käme dies einer gefühlten Niederlage gleich.
Daten wurden von „hochprivilegiertem Benutzeraccount“ abgezogen
Wie es am heutigen Donnerstag aus der Partei hieß, wurde die ÖVP nun auch zum Ziel eines Hackerangriffes auf die Server der Bundesgeschäftsstelle. Dies berichten die „Oberösterreichischen Nachrichten“. Wie Sebastian Kurz selbst angibt, sollen dabei Daten nicht nur entwendet, sondern auch verfälscht worden sein.
Der Angriff sei nur wenige Tage nach der Veröffentlichung interner Unterlagen über Parteifinanzen entdeckt worden, die den linksgerichteten Medien „Standard“ und „Falter“ zugespielt worden waren. Die Veröffentlichung hatte erst Spekulationen über einen möglichen „Maulwurf“ in den eigenen Reihen ausgelöst, nun vermutet man in der ÖVP, dass den Enthüllungen ein illegaler Zugriff auf ein Computersystem zugrunde gelegen haben könnte.
Am Dienstag dieser Woche soll das Datenleck entdeckt worden sein. Laut einem Zwischenbericht der Cyber-Security-Firmen SEC Consult und CyberTrap habe ein Angreifer über einen Webserver der ÖVP Zugriff auf das interne Computernetz erhalten. Mit einem „hochprivilegierten Benutzeraccount“ seien dann zahlreiche Dateien abgezogen worden.
Avi Kravitz von CyberTrap erklärte, dass die mutmaßlichen Angreifer über ihren „goldenen Schlüssel“ theoretisch auch in der Lage gewesen wären, Daten zu manipulieren. Ob dies tatsächlich der Fall gewesen war, dazu äußerte sich Kravitz nicht. Kurz hingegen geht exakt davon aus und wittert einen „sehr gezielten Hackerangriff auf die Server der Volkspartei mit dem Ziel, Daten zu entwenden, zu platzieren, zu manipulieren und zu verfälschen“.
„Angriff auf das demokratische System“
Die sei „nicht nur ein Angriff auf die Volkspartei, sondern auch ein Angriff auf das demokratische System“. Die Partei habe deshalb auch den Verfassungsschutz eingeschaltet.
Die Partei behauptet nun auch, dass einige der Daten, die sich auf die Wahlkampffinanzierung der ÖVP und auf Spenden bezogen hätten, bereits zu dem Zeitpunkt manipuliert gewesen sein sollen, da diese den Medien zugespielt wurden. Als Beispiel nannte die Partei Angaben über 2017 gekaufte Kugelschreiber, die anders verbucht worden seien als in den veröffentlichten Unterlagen.
Vor zwei Jahren waren im Wahlkampf Interna über die SPÖ enthüllt worden, unter anderem über gespoofte „Unterstützergruppen“ für Sebastian Kurz, die diesem mittels extremer und abstoßender Botschaften schaden sollten. Der mittlerweile in Israel wegen diverser Delikte von der Justiz verfolgte frühere Wahlkampfberater Tal Silberstein soll diese geschaffen haben. Auch über Konflikte in der Parteizentrale war berichtet worden. Die SPÖ vermutete damals ebenfalls einen Hackerangriff.
Nun wird spekuliert, wer hinter einem solchen Angriff auf die ÖVP stehen könnte und welchen Zweck er damit verfolge. Die Spekulationen reichen von ausländischen Geheimdiensten, die auf diese Weise in den Wahlkampf eingreifen wollten, über einen „Racheakt“ aus linken Kreisen für die vermeintlichen Hackerattacken 2017 bis hin zu einem „Inside Job“, der es Kurz und der ÖVP in letzten Wochen vor der Wahl ermöglichen sollte, sich selbst als Opfer sinisterer Machenschaften darzustellen – und die veröffentlichten Daten über die Wahlkampffinanzen als Fakes.
Kickl fordert Aufklärung über Umfang des Angriffs
FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky sprach von einem möglichen „Skandal“ und stellt einen Zusammenhang mit den illegal angefertigten „Ibiza“-Aufnahmen her, wo ebenfalls mit einem Riesenaufwand versucht worden sei, via Medien Wahlen zu beeinflussen.
Der im Mai von Sebastian Kurz entlassene Innenminister Herbert Kickl richtete auf Facebook mehrere Fragen im Zusammenhang mit dem Angriff an Kurz. Er wollte unter anderem wissen, ob die ÖVP auch eine unabhängige Prüfung des Sachverhalts durch externe Experten ins Auge fasst, etwa solche der Staatsanwaltschaft, des Bundeskriminalamts, des Heeresnachrichtenamts und des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung.
Vor allem aber solle der Frage nachgegangen werden, ob sich unter den erbeuteten Daten auch solche befänden, die Staatsgeheimnisse oder Regierungsmitglieder betreffen. Kickl forderte vollständige Transparenz hinsichtlich aller Betroffenen des Angriffs und Auskunft darüber, welche Sicherheitsmaßnahmen die ÖVP bezüglich ihrer Daten veranlasst habe.
„Einer Kanzlerpartei müsste gerade in der heutigen Zeit klar sein, dass die maximal möglichen Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der eigenen IT-Systeme und Daten ergriffen werden müssen“, schreibt der FPÖ-Kandidat. „Die ÖVP war da offensichtlich grob fahrlässig und hat aus Schlamperei und Fahrlässigkeit massiven Schaden angerichtet.“
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