„Mutti-Wahlverein“ und „letzte Bastion“: Merkels Kanzlerkandidatur im Pressespiegel
„Dauer-Schwäche ihrer politischen Gegner“
Süddeutsche Zeitung: „Wenn Merkel nicht nur dank der Dauer-Schwäche ihrer politischen Gegner für eine vierte Amtszeit gewählt werden will, wird sie nicht umhinkommen, den Deutschen klar zu sagen, was sie mit diesem Land vorhat. Sie braucht eine neue Begründung für eine weitere Kanzlerschaft. Der Leitantrag für den CDU-Parteitag – er ist der Nukleus für das Wahlprogramm – gibt da jedenfalls noch keine Antwort.“
Bundeskanzlerin Alternativlos
Neue Züricher Zeitung: „Merkel ist unentbehrlich, wird so suggeriert. Ihre vierte Kandidatur soll als ebenso natürliche Fügung erscheinen wie ihre durch die Bundestagswahl in zehn Monaten folgende Wiederwahl zur Kanzlerin. Bundeskanzlerin Alternativlos also, genau so, wie Merkel zu regieren pflegt. (…) Alternativlos ist Angela Merkel allenfalls für die CDU, weil die Chefin talentierte Konkurrenten um den Parteivorsitz stets verhindert hat.“
Badische Neueste Nachrichten: Von ehemals knapp 100 Landesministern, die die Union vor zehn Jahren noch gestellt hat, sind inzwischen nicht einmal mehr 50 geblieben. Unter anderen Umständen, in einer anderen Partei, würde in einer solchen Situation die Frage nach der politischen Verantwortung des Vorsitzenden oder der Vorsitzenden gestellt. Für die CDU dagegen ist Angela Merkel, um es in ihren eigenen Worten zu sagen, alternativlos.
„Merkel eine Gefangene der von ihr geschaffenen Zustände“
Hannoversche Allgemeine Zeitung: „Die CDU-Vorsitzende und Kanzlerin ist für manche noch immer eine Hoffnungsträgerin – erst recht, seit mit Donald Trump und der Brexit-Entscheidung so vieles durcheinander zu geraten scheint. Da ist die deutsche Regierungschefin eine berechenbare Konstante. Merkel ist aber auch eine Gefangene der von ihr geschaffenen Zustände. Während ringsum vieles auf einen Neuanfang wartet, heißt es in Deutschland: ‚weiter so‘.“
Merkel als Bollwerk gegen rechts „unglaubwürdig“
Frankfurter Rundschau:„Politische Alternativen zu Merkels Austeritätspolitik in Europa, zur Verweigerung einer gerechteren Steuerpolitik, zur einseitigen Belastung der Versicherten in den Sozialsystemen, zur halbherzigen Energiewende und zu vielem anderen gäbe es ja durchaus. Sie haben nur, weil von keiner starken politischen Kraft konsequent betrieben, so gut wie keine Chance. Das treibt den Rechten viele der Enttäuschten in die Arme, und deshalb ist es unglaubwürdig, Merkel zum Bollwerk gegen rechts zu stilisieren.“
„Letzte Bastion der westlichen Wertegemeinschaft“
Südwest-Presse (Ulm): „Nicht nur der scheidende US-Präsident sieht in der Kanzlerin die letzte Bastion der westlichen Wertegemeinschaft, den einzigen Stabilitätsanker in Europa. Doch weist ihre Machtbasis in der Union und im Land inzwischen mehr als nur Haarrisse auf. Der Fels in der Brandung bröckelt von innen. Und es muss sich noch zeigen, wie stark sich die Wähler von Merkels politischer Seligsprechung durch Barack Obama beeindrucken lassen.“
„Es wäre ein Witz gewesen, hätte Merkel hingeworfen“
Tagesspiegel: „Es wäre ein Witz gewesen, hätte Merkel hingeworfen. So wäre es nämlich in ihrer eigenen Partei empfunden worden. Die CDU ist doch auf sie ausgerichtet wie nie eine Partei zuvor auf irgendjemanden. (… ) Aber wofür will Merkel die Macht haben? Wozu sie behalten? Wohin will sie mit dem Land? (…) Die Aufgabe lautet, den Kurs Deutschlands festzulegen, aber nicht in einer Art Geheimkabinett wie in vorigen Jahrhunderten. Dem Populismus entgegenzutreten, verlangt Fakten, immer wieder Fakten, und Transparenz. Wirklich etabliert ist, wer keine Debatte fürchtet.“
„Merkels Dauerkanzlerschaft wie ein Hort der Stabilität“
Stuttgarter Zeitung: „Unter den schwächelnden Partnern erscheint Merkel noch am stärksten. In einer Europäischen Union, die mehr von Zentrifugalkräften als vom Zusammenhalt beherrscht wird, mag Merkels Dauerkanzlerschaft wie ein Hort der Stabilität wirken. Doch gerade in Europa will keiner, dass Deutschland sich als Großmacht aufführt. Dazu fehlten sowohl finanzielle Mittel als auch militärische Stärke – und nicht zuletzt politischer Rückhalt in der Heimat.“
Merkel am besten geeignet
de Volkskrant (Amsterdam): „Mit ihrer Kandidatur gibt Merkel in einer Zeit, in der das Vertrauen in die etablierte politische Ordnung gering ist, ein wichtiges Signal. Es ist eine Zeit, in der Politiker aus Eigennutz oder aus Risikovermeidung zu Alleingängen neigen. Merkel aber bleibt, auch wenn ihr Wahlsieg alles andere als sicher ist. (…) Angela Merkel ist zu diesem Zeitpunkt am besten geeignet, Europa auf dieser bizarren Weltbühne zu vertreten.
„Schwierig sind die Zeiten eigentlich immer“
Rheinpfalz: „Wie kommt es zu diesem „Immer weiter“, das eine abermalige Verlängerung der Regierungszeit für die Gewählten, aber auch für die Wähler so „alternativlos“ erscheinen lässt? Merkel hat es gestern gesagt: In schwierigen Zeiten will sie ihre Erfahrung zur Verfügung stellen. Nur – schwierig sind die Zeiten eigentlich immer.“
„Wenn Merkel gewinnt, wird es eine Kanzlerschaft mit verringerter Autorität sein“
Lausitzer Rundschau: „Falls sie die Wahl gewinnt, wird es eine Kanzlerschaft mit verringerter Autorität sein, die eine fünfte Wiederholung ganz sicher nicht zulassen wird. So gesehen war die Entscheidung vom Sonntag auch der Anfang vom Ende. Damit rückt die tragische Seite dieser vierten Kanzlerkandidatur in den Fokus: Den besten Zeitpunkt, um abzudanken, nämlich auf dem Höhepunkt, den hat nun auch Angela Merkel verpasst. (…) Immer fühlte sie sich gerade unentbehrlich, immer war das Risiko ausgerechnet für die kommende Wahl zu groß. 2021 aber wird es noch schwieriger werden, vor allem für ihre Partei, wenn die noch weitere vier Jahre als „Mutti“-Wahlverein im Passiv-Modus vor sich hindümpelt. Wenn Angela Merkel sich also überlegt, was sie in den nächsten vier Jahren mit sich und ihrer Macht zum Wohle aller noch anstellen kann, sollte „Nachfolger aufbauen und sauberen Abgang planen“ ganz oben auf ihrer Aufgabenliste stehen.“
„Weitere Amtszeit kann Spaltung des Landes vertiefen“
Der Spiegel: „Merkel sollte sich bewusst sein, dass eine weitere Amtszeit die Spaltung des Landes vertiefen kann. Das gilt erst recht, wenn sie im Falle eines Sieges vier weitere Jahre mit einer Großen Koalition regieren würde. (…) Das Gefühl, angesichts einer regierenden Übermacht nicht mehr gehört zu werden, dürfte sich bei den Unzufriedenen dann noch verstärken. Doch Merkel ist nicht mehr unantastbar. Sie wird sich anstrengen müssen, ihre Partei zu motivieren und zu mobilisieren. Trotz des aktuellen Umfrage-Vorsprungs, ein Selbstläufer wird die Wahl 2017 nicht für Merkel. Auch wenn in Deutschland kein Trump in Sicht ist, die USA haben gezeigt: Das Unvorstellbare kann real werden.“
Merkel agiert wie Hillary Clinton
Zeit Online: „Hillary Clinton hat im US-Wahlkampf wie sie agiert. Sie hat nur mit scheinbar unwiderlegbaren Fakten argumentiert, ihre Botschaft lautete im Grunde wie die von Merkel 2013: „Ihr kennt mich“. Es hat nicht gereicht gegen einen rechten Emotionsbolzen.
Politik erfordert eben mehr als nur trockenen Pragmatismus. Sie verlangt auch Herzblut, um Menschen zu überzeugen und zu begeistern, vielleicht auch einige von denen, die ganz abseits stehen. Es braucht eine Erzählung, um nicht zu sagen Vision, die den politischen Plänen und Handlungen einen Sinn verleiht und sie in einen Gesamtzusammenhang einbettet.“
Aufgabenteilung zwischen Merkel und Seehofer
Neues Deutschland: „Im Bundestagswahlkampf 2017 werden sich Seehofer und Merkel wohl die Arbeit aufteilen. Der CSU-Chef wird die latent rassistischen Stammtische bedienen. Merkel ist hingegen das Gesicht einer etwa in der Familien- und Integrationspolitik leicht modernisierten Union. Was widersprüchlich klingt, kann durchaus zusammen funktionieren. Denn letztlich geht es allen in der Unionsspitze darum, die Menschen gleich welcher Herkunft auf ihre Verwertbarkeit zu reduzieren.“
„Es geht ihr um die Verteidigung der westlichen Werte“
Die Welt: „Es geht Merkel um die Stabilisierung der politischen Mitte – einer Mitte, die immer mehr Menschen nicht mehr als Mitte empfinden. Es geht ihr um die Verteidigung der westlichen Werte, die so manche Wähler gar nicht mehr als ihre Werte betrachten.
Es geht Merkel sogar um die Bewahrung der Ordnung in der Welt – eine Ordnung, die bei etlichen entweder als überholt gilt oder als von Merkel selber zerstört und als Faktor gar nicht mehr existent. Ordnungsautorität trauen solche Menschen dem zerstrittenen Europa und der Mittelmacht Deutschland nicht wirklich zu.“
(rf)
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