Mutter Osthoffs – „Ich bin völlig überrumpelt“
Rott am Inn – Ingrid Hala sitzt erschöpft auf dem dunklen Sofa in ihrem Wohnzimmer. Erst vor einer halben Stunde hat sie von der Freilassung ihrer Tochter Susanne Osthoff erfahren, die im Irak entführt worden war. „Ich bin völlig erschlagen. Es ist wie bei der Nachricht von der Entführung, dass ich schon wieder nicht zum Nachdenken komme“, sagt die 66-jährige. Eigentlich will sie gar keine Journalisten sprechen in diesem Moment, in dem die Angst um das Leben ihrer 43 Jahre alten im Irak lebenden Tochter allmählich von ihr abfällt. Aber dann lässt sie doch einige Reporter in die Wohnung über der Sparkasse im Örtchen Rott am Inn rund eine Stunde östlich von München. Und dann isst sie erst einmal eine Suppe. „Für den Zucker“, sagt sie.
Tagsüber war sie mit ihrem Mann Günther bei dessen Kindern auf Weihnachtsbesuch, weshalb sie die Nachricht aus dem Irak verspätet erreicht hat. Eine Reporterin sei es gewesen, die sie am Telefon darüber informiert habe. „Ich hab’s zunächst gar nicht für ganz bare Münze genommen“, sagt die grauhaarige Frau. Ganz atemlos sei sie noch gewesen vom Treppe hochlaufen in den zweiten Stock, wo das Telefon klingelte. Und dann habe auch das Bundeskriminalamt (BKA) angerufen und die Freilassung bestätigt. Völlig überrollt sei sie jetzt, sagt sie. Immer wieder fasst sie sich an die Stirn und die Schläfen, während ihr Mann durch die Fernsehkanäle zappt, um neueste Informationen zu hören. Denn vom BKA haben sie keine Einzelheiten erfahren.
Ihre Gefühle lässt die Rentnerin kaum heraus, erst mit der Zeit sagt sie, wie erleichtert sie sei. „Man packt’s gar nicht, dass es so was positives gibt“, entfährt ihr, während Fotografen die in einen roten Pullover gekleidete Frau ablichten. Und dann geht sie in die Küche und macht eine Flasche Sekt auf, gießt drei Gläser voll und bietet sie erst einmal den Reportern an, statt selbst anzustoßen.
Natürlich habe sie oft gedacht, dass die Entführung ihrer Tochter schlimm ausgehen könnte. „Aber das darf man ja nicht an sich heranlassen“, sagt sie. Die Hoffnung, dass Susanne unversehrt freikommen könne, habe sie nie aufgegeben. Und insgeheim habe sie gehofft, dass sich nach der Wahl im Irak am Donnerstag etwas tun würde.
Ihre Tochter hat sie schon seit fünf Jahren nicht mehr gesehen, und auch dass sie als Großmutter nicht einmal Susanne Osthoffs zwölf Jahre alte, in Deutschland aufwachsende Tochter treffen kann, spricht für das schwierige Verhältnis zu ihrer Tochter. Dass Susanne einen anderen Weg gegangen sei, habe sie aber inzwischen akzeptiert. „Keiner von uns hatte richtigen Kontakt mehr zu ihr. Sie hat sich von allem ausgeklinkt“, sagt die Mutter. Wahrscheinlich habe ihre Tochter einfach nicht mehr gewollt, ständig Mahnungen anhören zu müssen. Hauptsache für sie sei aber, dass es ihrer Tochter gut gehe. „Mir ist wichtig, dass sie glücklich ist. Und wenn sie da ihr Glück findet, ist es für mich auch in Ordnung“, sagt sie zu dem Leben und der Arbeit Osthoffs im Irak.
Nun hofft Ingrid Hala nach dem glücklichen Ende der Geiselnahme auf ein Wiedersehen. Auf jeden Fall werde sie ihre Tochter einladen. „Wir müssen halt mal sehen, ob sie das will. Wenn sie es wünscht gerne, von Herzen gerne“, sagt sie. Besonders glücklich sei sie aber für ihre Enkeltochter, die vor wenigen Tagen Geburtstag hatte. „Für die freue ich mich noch mehr als für mich selber.“
Michael Able/Reuters
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