Mutige Richter in Pakistan: Todesstrafe wegen Blasphemie aufgehoben, Freispruch für Christen
Seit 2013 war das christliche Ehepaar Shafqat Emmanuel und Shagufta Kausar wegen angeblicher Blasphemie in Pakistan inhaftiert. Von einem örtlichen Gericht wurde das Paar 2014 mit der Todesstrafe belegt. Ein Berufungsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof wurde lange von der pakistanischen Justiz verschleppt. Die medizinische Betreuung im Gefängnis war unzureichend.
Am 29. April hatte das Europäische Parlament schließlich eine Resolution verabschiedet, die das islamische Land durch Handelsbeschränkungen zum Einlenken und zur Reform des Blasphemie-Gesetzes aufforderte. In der Resolution wurden die EU-Behörden aufgefordert, den APS-Plus-Status für Pakistan zu überprüfen, was zu höheren Einfuhrzöllen für pakistanische Waren führen würde.
In der Entschließung wurde Pakistan aufgefordert, die von der Verfassung garantierten Rechte der Minderheiten, Glaubensfreiheit und Meinungsfreiheit zu achten. Pakistans Premier Imran Khan erklärte allerdings Anfang Mai, dass das Blasphemie-Gesetz bestehen bleibe.
Bereits einen Monat zuvor hatte er geäußert, sich auch mit anderen Politikern der islamischen Welt für ein Blasphemie-Gesetz in Europa einzusetzen. Wenn dort negative Kommentare über den Holocaust unter Strafe gestellt seien, müsse zukünftig auch das Gleiche in Bezug auf Beleidigungen des Propheten Mohammed gelten.
Nun geschah das lange nicht erwartete. Der Oberste Gerichtshof Pakistans sprach das Ehepaar frei.
Was das bedeutet, erläutert der Journalist und Pakistan-Experte Shams Ul-Haq. Shams Ul-Haq arbeitet seit Jahren als investigativer Journalist über Geschehnisse in der islamischen Welt. Im Rahmen seiner Recherchen hat er auch pakistanische Gefängnisse besucht.
Epoch Times: Herr Ul-Haq, wie bewerten Sie das Urteil des Obersten Gerichtshofs von Pakistan?
Shams Ul-Haq: Es ist eine gute Nachricht für Andersgläubige in Pakistan, vor allem für Christen. Seit Jahren werden diese in unrechtmäßiger Weise verfolgt. Es gibt derzeit hunderte laufende Blasphemie-Fälle gegen Christen. Ihnen werden, wie in diesem Fall, oft Sachen vorgeworfen, die nicht stimmen.
Hierbei muss man in diesem Fall den pakistanischen Staat ausdrücklich loben. Denn man sieht, dass die Institutionen durchaus funktionieren können. Und, dass keinesfalls alle Politiker und Bürger des Landes religiöse Fanatiker sind. Es sind stets kleine, aber sehr aktive Gruppen, die großen Einfluss erlangen und ein Gemeinwesen dann schädigen können. Gerade deshalb ist es wichtig, dass Gerichte sich nicht von Islamisten beeinflussen lassen, sondern unabhängig agieren.
ET: Was wurde den Inhaftierten vorgeworfen?
Ul-Haq: Der Vorwurf betraf angebliche Blasphemie. Shafqat Emmanuel hätte damals im Distrikt Toba Tek Singh angeblich von seinem Handy eine SMS an einen muslimischen Bekannten geschickt.
Darin sollen Beleidigungen gegen den Propheten Mohammed gestanden haben. Der Empfänger der SMS ist anschließend zu einem Imam gegangen und hat Anzeige erstattet. Es ist bis heute ungeklärt, ob das eine geplante Intrige war oder ein Dritter die SMS geschickt hat.
Man muss dazu wissen, dass es in Pakistan sehr leicht ist, unter falschem Namen an SIM-Karten zu gelangen. Die betreffende Handy-SIM-Karte war auf Shafqat Emmanuels Frau zugelassen. SIM-Karten können aber auf andere Namen zugelassen werden, ohne dass es die betroffene Person weiß.
Vor kurzem wurden mehrere Banden in Pakistan festgenommen, die das praktiziert haben. Sie verkauften solche SIM-Karten an Kriminelle. Die Käufer können dann unter falschem Namen Konten öffnen, Geld transferieren.
Auch Sozialbetrug haben diese Banden ausgeübt. Außerdem gab Shagufta Kausar an, ihr Handy schon über einen Monat vor der betreffenden SMS verloren zu haben.
ET: Wie kam es zu dem jetzigen Gerichtsurteil?
Ul-Haq: Es hat lange gedauert, bis sich ein Richter getraut hat, sich dieses „heißen Eisens“ anzunehmen und ein gerechtes Urteil zu fällen. Denn das Thema beinhaltet innenpolitischen Sprengstoff. Es gab nicht genug Beweise für einen Schuldspruch.
Zumal die Eheleute offenbar Analphabeten sein sollen, dann aber kaum SMS-Nachrichten verschicken könnten. Jedenfalls, wenn der Pakistan Supreme Court Shafqat Emmanuel und Shagufta Kausar frei spricht, ist ihre Unschuld offiziell erwiesen. Dafür aber haben sie mehr als sieben Jahre unschuldig im Gefängnis gesessen.
Natürlich leistete das Europäische Parlament mit seiner Resolution vom April einen wichtigen Beitrag. Darin wurden Pakistan Handelsbeschränkungen angedroht, wenn es nicht bald zu einem fairen rechtsstaatlichen Verfahren in dem Fall kommen sollte.
ET: Ist der Fall mit dem Schicksal Asia Bibis vergleichbar?
Ul-Haq: Auf jeden Fall. Shagufta Kausar saß ja sogar in derselben Gefängniszelle. Asia Bibi wurde ebenfalls aufgrund des Vorwurfs der Blasphemie 2009 verhaftet und 2018 schließlich freigesprochen. Es kam daraufhin zu islamistischen Protesten, und es schloss sich ein monatelanges diplomatisches Tauziehen an, bis Asia Bibi schließlich nach Kanada ausreisen konnte, da ihre Sicherheit in Pakistan nicht mehr gewährleistet war.
ET: Gibt es schon Reaktionen auf das Urteil?
Ul-Haq: Das Paar ist etwa 40 Jahre alt und hat nun einen ganz neuen Lebensabschnitt vor sich. Die vier Kinder des Paares sind natürlich sehr erfreut. Auch Asia Bibi, mit der ich telefoniert habe, hatte sich für die Angeklagten engagiert und ist nun zufrieden.
Es sind aber auch heftige Demonstrationen von islamistischen Gruppen und Mullahs zu erwarten, die von der Schuld des Paares überzeugt sind. Vor allem die Anhänger der islamistischen Partei Tehreek-e-Labaik (TLP) sind dabei führend.
ET: Wie wird es nun für das Paar weitergehen?
Ul-Haq: Es steht die Frage im Raum, wohin Shafqat Emmanuel und Shagufta Kausar ausreisen können. Denn in Pakistan ist die Sicherheitslage schwierig. Beide mussten ja auch im Gefängnis besonders bewacht werden, da die Gefahr von Mordversuchen durch islamistisch gesinnte Mitgefangene akut war.
Derzeit werden sie an einen geheimen Platz gebracht. Doch auch dort ist die Gefahr der Enttarnung und der Ermordung durch Islamisten gegeben. Ob und wann sie ausreisen können, ist noch offen.
Die Frage ist allerdings, welches Land bereit ist, ihnen Asyl zu geben. Der EU-Abgeordnete Peter Van Dalen bemüht sich zur Zeit, dem Paar mit seinen vier Kindern die Einreise in die Niederlande zu ermöglichen. Bei Asia Bibi war Kanada erst nach längeren Diskussionen zur Aufnahme bereit.
Die Länder scheuen den Aufwand der Sicherung der Asylbewerber vor der Gefahr durch Islamisten. Außerdem besteht gerade in Europa bereits vielerorts Angst vor Straßenunruhen durch Islamisten.
Solche heftigen Reaktionen gab es zum Beispiel 2020 in vielen Ländern nach der Ermordung des Lehrers Samuel Paty, der im Unterricht Mohammed-Karikaturen gezeigt hatte. Auch in Frankreich selbst wurden laut französischer Regierung an hunderten Schulen die Schweigeminuten für den Lehrer gestört.
Asia Bibi wurde damals von dem Menschenrechtler Aman Ullah außer Landes gebracht. Er kümmerte sich um die ganzen bürokratischen Formalitäten der Ausreise. Hierzu wären Menschen, die nicht lesen und schreiben können, nicht alleine in der Lage. Das ganze Verfahren dauerte damals einige Monate.
Es war dabei die Rede davon, dass hierfür Gelder in die pakistanische Staatskasse geflossen seien. Womöglich passiert nun ähnliches. Asia Bibi bat Aman Ullah, sich in gleicher Weise auch um das nun freigesprochene Paar zu kümmern.
ET: Welche innenpolitischen Reformen hat Pakistan nötig?
Ul-Haq: Von den in Pakistan zwischen 1953 und 2012 belegten Fällen einer Verurteilung wegen angeblicher Blasphemie richteten sich 59 Prozent gegen sunnitische oder schiitische Muslime, 26 Prozent gegen Christen, 13 Prozent gegen Ahmadis und ein Prozent gegen Hindus.
Damit sind die religiösen Minderheiten bei den Anklagen deutlich überrepräsentiert. Heute wird davon ausgegangen, dass pro Woche durchschnittlich zwei Personen wegen Blasphemie angeklagt werden. Die Folge kann Lynchjustiz sein.
Der pakistanische Staat hingegen hat bislang noch keine diesbezüglichen Todesurteile vollstreckt. Seit 2009 kam es zu einer deutlichen Zunahme der Anzeigen. Das führte zur Verurteilung mehrerer hundert Christen und andersgläubiger Muslime.
In den Jahren davor war das nicht so extrem. Es bedarf deshalb dringend einer Reform der Blasphemie-Gesetze und einer Stärkung der richterlichen Unabhängigkeit. Sonst werden auch in Zukunft hunderte Menschen verhaftet und eventuell umgebracht.
Zudem müssen die Haftbedingungen stark verbessert werden. Dazu gehört auch die vom EU-Parlament angemahnte medizinische Versorgung, zumal angesichts der Corona-Krise. Shafqat Emmanuel ist zum Beispiel behindert, er musste mit dem Rollstuhl bewegt werden. Seine Situation war durchaus bedrohlich.
ET: Wir danken Ihnen für das Gespräch.
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