Moskau: Russland trauert nach Angriff auf Konzertsaal – Zahl der Opfer könnte noch steigen

Einige der nach dem Attentat in Moskau Festgenommenen stammten wohl aus Tadschikistan, berichten russische Medien. Selenskyj bestreitet Verbindungen in die Ukraine. Die deutsche Innenminister Nancy Faeser hält nach derzeitigem Stand Islamisten für den schweren Anschlag verantwortlich.
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Am 23. März 2024 in Belgrad, einen Tag nach einem Anschlag in Krasnogorsk bei Moskau.Foto: OLIVER BUNIC/AFP über Getty Images
Epoch Times24. März 2024

Nach dem Angriff auf einen Konzertsaal bei Moskau mit mehr als 130 Toten begeht Russland am Sonntag einen nationalen Trauertag. Im Ausland schlossen sich Serbien und Nicaragua mit eigenen Trauertagen dem Gedenken an.

„Das ganze Land trauert mit den Menschen, die ihre Angehörigen bei dieser unmenschlichen Tragödie verloren haben“, hieß es am Morgen im staatlichen Fernsehsender „Russia 24“. Während die Dschihadistenmiliz IS den Angriff für sich reklamierte, sprach der russische Staatschef Wladimir Putin von Spuren in die Ukraine.

Maskierte Angreifer waren am Freitagabend in die voll besetzte Crocus City Hall im nordwestlich gelegenen Moskauer Vorort Krasnogorsk eingedrungen und hatten dort das Feuer eröffnet. Nach Angaben des russischen Ermittlungskomitees stieg die Zahl der Toten am Samstag auf mindestens 133. Es war der folgenschwerste Angriff in Russland seit gut 20 Jahren.

Zahl der Opfer könnte noch steigen

Mehr als 150 Menschen wurden demnach bei dem Angriff verletzt. 107 Menschen seien noch im Krankenhaus – viele von ihnen schwebten in Lebensgefahr, sagt Vize-Ministerpräsidentin Tatjana Golikowa. Forensiker setzten die Identifizierung der Opfer fort. Bis Samstagabend seien bereits 50 Opfer identifiziert worden, teilte Gouverneur Andrej Worobjow mit. Viele Menschen in der Konzerthalle seien bis zur Unkenntlichkeit verbrannt, hieß es.

In der Nacht räumten schwere Maschinen Schutt von dem Gelände der Crocus City Hall. Es war befürchtet worden, dass weitere Opfer noch unter den Trümmern der schwer beschädigten Konzerthalle in Krasnogorsk nordwestlich von Moskau gefunden werden könnten. Dies war jedoch zunächst nicht der Fall. Die Aufräum- und Bergungsarbeiten sollten nach Behördenangaben mindestens bis Sonntagabend andauern.

In Moskau standen Bürger im Regen in langen Warteschlangen, um Blut für die Verletzten zu spenden. Trauernde legten Blumen vor dem Konzertsaal ab. Gedenkposter mit einer Kerze ersetzten einige der großen Werbetafeln in der russischen Hauptstadt. Große Veranstaltungen im Land wurden abgesagt; Museen, Theater und Kinos schlossen über das Wochenende.

Die vier Angreifer seien „alle ausländische Staatsbürger“, hatte am Samstag das Innenministerium erklärt, ohne genaue Angaben zur Nationalität der Verdächtigen zu machen.

Putin gab persönlich die Festnahme „aller vier Angreifer“ in einer Fernsehansprache bekannt. Sie seien festgenommen worden, als „sie sich in Richtung Ukraine bewegten“. Nach ersten Erkenntnissen sei dort ein Zeitfenster für ihren Grenzübertritt vorbereitet worden, sagte der Kreml-Chef. Er sprach von einer „barbarischen terroristischen Tat“, deren Hintermänner bestraft würden.

In der Moskauer U-Bahn: „(Wir) trauern um den 22.03.2024“. Foto: OLGA MALTSEVA/AFP über Getty Images

Verdächtige werden verhört

Die vier Hauptverdächtigen des Terroranschlags waren am Samstagabend zum Verhör in die russische Hauptstadt gebracht worden. Wie die Staatsagentur Tass weiter berichtete, waren die vier Männer in einer streng abgesicherten Wagenkolonne aus der Region Brjansk im Süden des Landes, wo sie festgenommen worden waren, zum Ermittlungsausschuss gefahren worden.

In den kommenden Tagen solle vor Gericht ein Antrag auf Haftbefehl gestellt werden. Videoaufnahmen sollen zeigen, dass es bei der Festnahme der Verdächtigen auch zu Folter gekommen soll. So zeigt ein in Russland verbreitetes Video etwa, wie einem Mann ein Ohr abgeschnitten wurde. Unabhängig waren die Aufnahmen nicht zu überprüfen.

Verdächtige aus Tadschikistan

Zu einer Erklärung des IS, in der die Miliz den Angriff für sich reklamierte, sagte Putin am Samstag nichts. Der IS hingegen, der gegen Russland in Syrien kämpft und auch in der russischen Kaukasusregion aktiv ist, bekräftigte am Samstag im Onlinedienst Telegram seine Verantwortung für den Angriff.

„Der Anschlag wurde von vier IS-Kämpfern verübt“, erklärte die Miliz. Diese seien „mit Maschinengewehren, einer Pistole, Messern und Brandbomben bewaffnet“ gewesen. Der Anschlag sei Teil des „natürlichen Kontextes des tobenden Krieges“ mit den „Ländern, die den Islam bekämpfen“.

In einem Kanal im Onlinedienst Telegram, der nach Angaben des US-Unternehmens Site von den Dschihadisten genutzt wird, wurde ein Video verbreitet, das mutmaßlich von den Angreifern gedreht wurde. Zu sehen und zu hören sind darauf mehrere mit Sturmgewehren und Messern Bewaffnete. Sie feuern offenbar in der Eingangshalle der Crocus City Hall Schüsse ab. Die Gesichter und Stimmen der Angreifer sind unkenntlich gemacht. Um sie herum liegen zahlreiche leblose Körper, im Hintergrund ist Feuer zu sehen.

Später berichteten russische Medien und ein Abgeordneter, dass manche der festgenommenen Verdächtigen aus Tadschikistan stammten. Das russische Staatsfernsehen zeigte am Samstagabend Aufnahmen von der Festnahme und den Verhören der vier mutmaßlichen Angreifer.

In Aufnahmen des Senders Perwyj Kanal war zu sehen, wie die Verdächtigen von bewaffneten Sicherheitskräften abgeführt werden. Bei ihrer Befragung geben zwei Verdächtige ihre Schuld zu, einer von ihnen sagt den Aufnahmen zufolge, er habe aus Geldgründen gehandelt.

An der Grenze festgenommen

Laut russischem Ermittlungskomitee wurden die vier Angreifer in der an die Ukraine und Weißrussland grenzende Region Brjansk festgenommen. Insgesamt sprach der Kreml von elf Festnahmen.

In seiner täglichen Videoansprache ging der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Samstagabend auf Vorwürfe des russischen Präsidenten ein, dass die Angreifer auf den Konzertsaal Verbindungen zur Ukraine hatten: Putin und seine Gefolgsleute „versuchen einfach nur, jemand anderes die Schuld zu geben“.

Die US-Botschaft in Moskau hatte nach US-Angaben ihre Landsleute vor zwei Wochen vor einem möglicherweise geplanten Anschlag in der russischen Hauptstadt gewarnt. Dieser könne sich gegen eine große Versammlung und auch gegen ein Konzert richten, hatte es geheißen. Nach US-Angaben wurden diese Informationen auch den russischen Behörden zur Verfügung gestellt.

Aus zahlreichen Ländern gab es Solidaritätsbekundungen. Das Weiße Haus in Washington benannte den IS als „gemeinsamen terroristischen Feind“. Die USA „verurteilen nachdrücklich die abscheuliche terroristische Attacke von Moskau“, fügte Karine Jean-Pierre, die Sprecherin des US-Präsidenten, hinzu.

Faeser: Terror-Ableger des IS wohl verantwortlich

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verurteilte „den schrecklichen Terrorangriff auf unschuldige Konzertbesucher in Moskau“.

Bundesinnenminister Nancy Faeser (SPD) hält nach derzeitigem Stand Islamisten für den schweren Anschlag verantwortlich. „Nach allem, was bisher bekannt ist, ist davon auszugehen, dass die Terrorgruppe „Islamischer Staat Provinz Khorasan“ (ISPK) den mörderischen Terroranschlag in der Nähe von Moskau zu verantworten hat“, sagte sie der „Süddeutschen Zeitung“.

Von dieser Gruppe gehe derzeit auch in Deutschland die größte islamistische Bedrohung aus, sagte Faeser. „Die Gefahr durch islamistischen Terrorismus bleibt akut.“ Khorasan steht für eine historische Region in Zentralasien, die Teile von Afghanistan, Usbekistan, Turkmenistan und Tadschikistan und vom Iran umfasste. Die ISPK-Terrorgruppe hatte ihren Ursprung in Afghanistan.

Der IS-Propagandakanal Amak veröffentlichte am Samstag ein Bild mit vier Personen, deren Gesichter unkenntlich gemacht worden waren. Die Kämpfer hätten bewaffnet mit Sturmgewehren, Pistolen und Bomben Russland einen „schweren Schlag“ versetzt, hieß es in der Mitteilung. Der Angriff habe „Tausenden Christen in einer Musikhalle“ gegolten. Der IS bekämpft Anhänger des Christentums und betrachtet sie als Ungläubige.

Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan habe Putin in einem Telefonat die Bereitschaft Ankaras zugesichert, im Kampf gegen den Terror zusammenzuarbeiten. (afp)



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