Moskau bestätigt Offensive bei Charkiw
Das russische Verteidigungsministerium hat eine Offensive seiner Truppen im Grenzgebiet zur ukrainischen Millionenstadt Charkiw bestätigt. Russische Truppen hätten fünf ukrainische Grenzdörfer besetzt, teilte das Ministerium am Samstag in Moskau mit. Genannt wurden Striletsche, Krasne, Pylne und Boryssiwka, die etwa 30 Kilometer nördlich von Charkiw in der Nähe des Ortes Lipzy liegen, sowie Ohirzewe bei der Stadt Wowtschansk. Die Bewohner dieser „befreiten“ Ortschaften, so die russische Lesart, seien in sichere Sammelpunkte gebracht worden.
Diese Angaben decken sich mit inoffiziellen ukrainischen Militärangaben zu der Offensive, die in der Nacht auf Freitag begann. Die russische Armee nahm für sich in Anspruch, eine hohe Zahl ukrainischen Soldaten ausgeschaltet und deren Technik vernichtet zu haben. Die ukrainische Seite wiederum sprach davon, die russischen Angriffe abgeblockt und dem Gegner schwere Verluste zugefügt zu haben. Für die Behauptungen beider Seiten gab es keine unabhängige Bestätigung.
In Moskau hieß es, 34 ukrainische Soldaten seien gefangen genommen worden. Die Zahl konnte nicht bestätigt werden. Bilder einiger mutmaßlicher Soldaten wurden auf russischen Telegramkanälen veröffentlicht, auch wenn dies nach humanitärem Völkerrecht verboten ist.
Selenskyj: Russische Offensive muss gestoppt werden
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat das Zerschlagen der jüngsten russischen Offensive im Osten des Landes zur „Aufgabe Nummer eins“ erklärt. „Das Erfüllen dieser Aufgabe hängt von jedem Soldaten, jedem Unteroffizier und jedem Offizier ab“, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. „Unsere Truppen führen dort seit zwei Tagen Gegenangriffe durch, um ukrainisches Territorium zu verteidigen“, beschrieb Selenskyj die Lage. Die ukrainische Militärführung habe bereits Verstärkungen in Richtung Charkiw in Marsch gesetzt.
„Das Zerschlagen der russischen Offensivpläne ist jetzt die Aufgabe Nummer eins“, gab Selenskyj die Devise für die nächsten Tage und Wochen aus. Es gehe um die Zerstörung russischer Ausrüstung und die „Neutralisierung“ der russischen Besatzer. „Der Besatzer muss spüren, dass es für ihn nirgendwo in der Ukraine leicht sein wird.“
Ukraine hatte russischen Angriff bei Charkiw erwartet
Die ukrainischen Behörden brachten nach eigenen Angaben viele Anwohner des Grenzgebietes in Sicherheit. Die Ukraine hatte seit einiger Zeit einen russischen Angriff bei Charkiw erwartet. Offiziellen Angaben zufolge halten ihre Verteidigungslinien. Die russische Offensive ist nach Einschätzung von Militärbeobachtern noch kein direkter Angriff auf Charkiw.
Die russische Armee will ukrainische Truppen binden und zugleich ihre Haubitzen und Kanonen so weit vorschieben, dass sie die Großstadt beschießen kann. Zudem sollen mit der Frontverschiebung ukrainische Überfälle über die Grenze hinweg auf russisches Staatsgebiet verhindert werden.
Die Ukraine wehrt seit mehr als zwei Jahren eine russische Invasion ab. Um den jüngsten Großangriff erfolgreich abzuschlagen, benötigt das Land nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj weitere Unterstützung aus dem Ausland. „Im Moment sind jedes gelieferte Flugabwehrsystem und jede Rakete ein Beitrag, der Leben rettet und unsere Städte und Gemeinden am Leben erhält, schrieb er am Samstag auf Facebook. „Was wirklich hilft, sind tatsächlich an die Ukraine gelieferte Waffen, nicht nur die Ankündigung solcher Waffenpakete.“
Ukrainischer Drohnenangriff auf russische Raffinerie
Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben in der Nacht zum Samstag eine Raffinerie in der Millionenstadt Wolgograd – ehemals Stalingrad – mit Kampfdrohnen angegriffen. Nach Darstellung des militärischen Geheimdienstes in Kiew wurden dabei mehrere Anlagen der zum Erdöl-Riesen Lukoil gehörenden Raffinerie getroffen und beschädigt. Das Verteidigungsministerium in Moskau widersprach diesen Berichten. Vielmehr seien mehrere ukrainische Drohnen und Raketen bei Belgorod und vor Wolgograd abgefangen worden.
Polen will seine Ostgrenze stärker befestigen
Polen will seine Ostgrenze stärker befestigen. Regierungschef Donald Tusk begründete dies am Samstag mit dem Druck, den das Regime im benachbarten Belarus mit organisierter Migration erzeuge, und der wachsenden Gefahr durch Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine.
„Wir haben mit intensiven Arbeiten an einer modernen Befestigung begonnen, die entlang der gesamten polnischen Ostgrenze gebaut werden soll“, sagte Tusk vor Grenzschützern und Soldaten in Karakule an der polnisch-belarussischen Grenze. Da Polens Ostgrenze auch die Außengrenze der EU sei, müsse die gesamte Staatengemeinschaft in die Befestigung investieren.
Bereits im Sommer 2022 hat Polen die Landabschnitte seiner 418 Kilometer langen Grenze zu Belarus mit einem 5,5 Meter hohen Zaun und einem elektronischen Überwachungssystem gesichert. Polens Verteidigungsminister Wladyslaw Kosiniak-Kamysz sagte vor Kurzem, sein Land werde Bunker und Schützengräben an seiner Grenze zu Belarus und der russischen Exklave Kaliningrad bauen.
Scholz sieht Chancen in Ukraine-Friedenskonferenz
Bundeskanzler Olaf Scholz sieht die geplante Friedenskonferenz zur Ukraine als Chance. „Selbst wenn dort jetzt erstmal nicht die ganz große Friedensfrage besprochen wird, sondern Fragen, die auch dazu gehören, wäre das ein großer Schritt“, sagte der SPD-Politiker bei einer Talkrunde des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) in Potsdam. „Daraus kann man dann noch mehr entwickeln.“ Die Schweiz hatte mehr als 160 Delegationen zu einer hochrangigen Konferenz zum Frieden in der Ukraine für Mitte Juni an den Vierwaldstättersee eingeladen. (dpa/red)
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