Militär erklärt Übergangsregierung im Sudan für abgesetzt
Das Militär hat im Sudan den Regierungschef festgenommen und den Ausnahmezustand verhängt. Der oberste General, Abdel Fattah al-Burhan, erklärte am Montag im Staatsfernsehen die Übergangsregierung sowie den Souveränen Übergangsrat für aufgelöst.
Er kündigte die Bildung einer neuen Regierung mit „kompetenten Personen“ an. Der abgesetzte Ministerpräsident Abdalla Hamdok sowie weitere zivile Mitglieder seiner Regierung werden vom Militär an einem unbekannten Ort festgehalten.
Im Sudan haben Soldaten führende zivile Mitglieder der Übergangsregierung festgenommen. Wie das sudanesische Informationsministerium am Montag auf Facebook erklärte, wurde auch Ministerpräsident Abdalla Hamdok von Soldaten festgenommen, nachdem er sich geweigert habe, „den Putsch zu unterstützen“.
Laut Ministerium schossen Soldaten auf Demonstranten in Khartum. Der mutmaßliche Staatsstreich in dem nordafrikanischen Land löste international Besorgnis.
Wie das Ministerium weiter mitteilte, wurden die „meisten“ zivilen Mitglieder des Souveränen Übergangsrates sowie einige Minister der Übergangsregierung von „Militärkräften festgenommen“. Die Regierungsmitglieder seien in ihren Häusern festgenommen worden, hieß es aus Regierungskreisen. Sie seien wie Hamdok an einen unbekannten Ort gebracht worden.
General Abdel Fattah al-Burhan hat nun den Ausnahmezustand verhängt und die Bildung einer neuen Regierung angekündigt. Die künftige Regierung solle mit „kompetenten Personen“ besetzt sein, erklärte der General am Montag im Staatsfernsehen. Zugleich kündigte er an, er werde die bisherige Übergangsregierung und den Souveränen Übergangsrat auflösen.
Weiterhin bekräftigte der General in seiner Ansprache seine Unterstützung für den „Übergang zu einem zivilen Staat“. Er versprach, die zahlreichen im Zeitplan der Übergangsregierung versprochenen staatlichen Institutionen wie den Obersten Gerichtshof zu schaffen. Diese hätten eigentlich bereits vor Monaten eingerichtet werden sollen.
Soldaten stürmten Zentrale des Staatsfernsehens
Hamdoks Büro forderte die Bevölkerung auf, mit „allen friedlichen Mitteln“ zu demonstrieren, um „ihre Revolution von den Dieben zurückzuholen“. Nach Angaben des Informationsministeriums wurden im ganzen Land die Internetdienste unterbrochen und die wichtigsten Straßen und Brücken zur Hauptstadt Khartum gesperrt.
Soldaten stürmten zudem die Zentrale des Staatsfernsehens. Dieses begann mit der Ausstrahlung patriotischer Lieder. Eine Ansprache von General Abdel Fattah al-Burhan, dem Präsidenten des Souveränen Rats, wurde angekündigt. Der Militärvertreter repräsentiert die höchste exekutive Gewalt in Khartum.
Der Gewerkschaftsdachverband Association of Professionals rief auf Twitter angesichts eines „Staatsstreichs“ zu „heftigem Widerstand“ auf. In Khartum versammelten sich Demonstranten und blockierten Straßen, wie AFP-Reporter berichteten.
„Wir werden die Militärherrschaft nicht akzeptieren und sind bereit, unser Leben für den demokratischen Übergang zu opfern“, sagte ein Demonstrant. Nach Angaben des Informationsministeriums feuerten Soldaten vor dem Armeehauptquartier in die Menschenmenge. „Es wird mit Opfern gerechnet.“
Reaktionen der Regierungen und Organisationen weltweit
Regierungen und Organisationen weltweit zeigten sich alarmiert über die Ereignisse. „Ich fordere die Streitkräfte auf, die Festgenommenen unverzüglich freizulassen“, erklärte der UN-Beauftragte für den Sudan, Volker Perthes, auf Twitter. Die Verhaftung der Zivilisten in der Übergangsregierung sei „inakzeptabel“.
Washington sei „zutiefst beunruhigt über Berichte über eine militärische Übernahme der Übergangsregierung“, erklärte der US-Sonderbeauftragte für das Horn von Afrika, Jeffrey Feltman, auf Twitter. Dies würde gegen die Verfassungserklärung „verstoßen“, die den Übergang des Landes zu einer Zivilregierung regelt.
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) nannte Berichte über den Putschversuch „bestürzend“. „Der Versuch ist klar zu verurteilen“. Das Auswärtige Amt rief deutsche Staatsbürger im Sudan auf, sich an einen sicheren Ort zu begeben und Menschenansammlungen zu vermeiden.
Der Chef der europäischen Diplomatie, Josep Borrell, rief die internationale Gemeinschaft auf, „den sudanesischen Übergangsprozess wieder in Gang zu bringen“. Die Arabische Liga zeigte sich „besorgt“ und rief zum „Dialog“ auf.
Die Europäische Union hat die „schnelle Freilassung“ der festgenommenen Regierungsmitglieder im Sudan gefordert. Die EU sei „sehr besorgt“ über Berichte, wonach die Armee Ministerpräsident Abdalla Hamdok unter Hausarrest gestellt habe, sagte eine Sprecherin des europäischen Außen- und Sicherheitsbeauftragten Josep Borrell am Montag in Brüssel. „Gewalt und Blutvergießen müssen vermieden werden“, betonte die Sprecherin.
Ein demokratischer Sudan mit einer vollständig legitimen zivilen Regierung bleibe „die beste Garantie für die langfristige Stabilität des Landes und der Region“, sagte die Sprecherin weiter.
„Schwerste und gefährlichste Krise“
Erst Ende September hatte die Regierung in Khartum nach eigenen Angaben einen Putsch von Unterstützern des vom Militär abgesetzten früheren Machthabers Omar al-Baschir vereitelt.
Die Übergangsregierung befand sich in einer Situation, die Hamdok als „schwerste und gefährlichste Krise“ seit dem Sturz al-Baschirs im April 2019 bezeichnete. Am Samstag hatten Befürworter einer zivilen Regierung vor einem „schleichenden Staatsstreich“ gewarnt.
In der vergangenen Woche gingen zehntausende Sudanesen in mehreren Städten auf die Straße, um die vollständige Machtübergabe an die Zivilbevölkerung zu fordern. Andere Demonstranten verlangten hingegen bei einer mehrtägigen Sitzblockade vor dem Präsidentenpalast in Khartum eine Rückkehr zur „Militärherrschaft“.
Im Sudan hatte nach dem Sturz al-Baschirs 2019 ein sogenannter Souveräner Rat die Regierungsgeschäfte übernommen, in dem sich Militärs und Zivilisten die Macht teilen. Seitdem befindet sich das Land im Norden Afrikas in einer fragilen Übergangsphase, die 2023 mit der Einsetzung einer zivilen Regierung enden sollte. Eine hohe Inflation, wirtschaftliche Probleme und tiefe politische Spaltungen verschärfen die Lage. (afp/dl)
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