Migranten von „Ocean Viking“ auf Quarantäne-Schiff gebracht – Seehofer fordert EU-Regelwerk für Zuwanderung
Die 180 Migranten, die tagelang auf der „Ocean Viking“ festgesessen hatten, haben das Schiff verlassen. Sie wurden im sizilianischen Hafen Porto Empedocle in der Nacht zum Dienstag von der Polizei zum in der Nähe ankernden Quarantäne-Schiff „Moby Zaza“ gebracht, wie ein AFP-Reporter berichtete. Die italienischen Behörden stellten auch das Schiff der Hilfsorganisation SOS Méditerranée und dessen Besatzung unter Quarantäne.
Migranten und Crew waren bereits zuvor an Bord der „Ocean Viking“ von einem medizinischen Team der italienischen Behörden auf ihren Allgemeinzustand sowie eine Corona-Infektion untersucht worden. Die Migranten müssen nun noch zwei Wochen auf dem Quarantäne-Schiff bleiben. Die „Ocean Viking“ wurde nach Angaben der Besatzung angewiesen, ebenso lange außerhalb des Hafens vor Anker zu liegen.
Am Montag hatte eine andere Gruppe von 169 Migranten nach zweiwöchiger Quarantäne die „Moby Zaza“ verlassen. Sie waren im Juni von der Organisation Sea Watch im Mittelmeer aufgenommen worden. 30 weitere Migranten dieser Gruppe waren positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden und blieben vorerst in einem isolierten Bereich auf dem Schiff.
Die „Ocean Viking“ hatte vorher neun Tage lang auf die Erlaubnis der italienischen Behörden gewartet, in einen Hafen des Landes einlaufen zu dürfen. Diese Erlaubnis war dann am Sonntag erteilt worden.
Seehofer fordert EU-Lösung
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will sich nach der Sommerpause vor allem auf die Lösung der Migrationsfrage in der EU konzentrieren. Er habe „den Ehrgeiz“, bei dem seit Jahren umstrittenen Thema „einen großen Sprung“ während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft zu machen, sagte Seehofer nach Beratungen mit seinen EU-Kollegen am Dienstag. Er wolle deshalb, dass seine Staatssekretäre ab Ende August „die Amtsgeschäfte des Innenministeriums“ im Alltagsbereich „verstärkt selbst in die Hand nehmen“.
„Bei mir ist nochmal ein richtiges Feuer heute entzündet worden“, sagte der 71-jährige Seehofer nach den ersten Beratungen der EU-Innenminister unter deutschen EU-Vorsitz. Er wolle sich „mit allem, was ich zur Verfügung habe“, der Migrationsfrage auf EU-Ebene widmen. „Das erfordert viel an persönlichen Gesprächen, an Reisen innerhalb Europas.“ Deshalb wolle er Aufgaben innerhalb Deutschlands an seine Staatssekretäre abgeben.
„Ich bin begründet zuversichtlich, dass wir hier endlich ein Regelwerk in Europa hinbringen können, das Europa auch als Wertegemeinschaft in der Welt zeigt, indem wir eine Zuwanderung steuern“, sagte Seehofer.
Die EU-Migrationsfrage sei ein „sehr, sehr dickes Brett“ und ein Durchbruch nicht sicher, sagte Seehofer, der mit der deutschen EU-Präsidentschaft seit dem 1. Juli den Vorsitz im Rat der Innenminister übernommen hat. Gelinge dieser aber, werde auch die seit Jahren hoch umstrittene Frage der Verteilung von Migranten auf die EU-Länder entschärft.
Asylverfahren an Außengrenze
Alle Mitgliedstaaten seien bei der Migrationspolitik an einer „nachhaltigen Lösung“ interessiert und wollten weg von den „Ad-hoc-Lösungen“. Man wolle weitere Todesfälle im Mittelmeer verhindern. Fast alle Mitgliedstaaten seien bereit, sich bei Hilfen gegenüber unverhältnismäßig“ belasteten Ländern wie Italien, Malta oder Griechenland zu beteiligen, so Seehofer.
Seehofer plant, Asylverfahren an der Außengrenze vorzunehmen und nicht schutzberechtigte Migranten direkt wieder in die Herkunftsländer zurückzuschicken. Angesichts von Anerkennungsraten von einem Drittel müssten damit jedes Jahr hunderttausende Menschen weniger in Europa verteilt werden, sagte der Minister. Drittes Element von Seehofers Plan sind legale Wege nach Europa, um Menschen die Arbeitsaufnahme zu ermöglichen, ohne dass sie auf Menschenschmuggler angewiesen sind.
Seehofer zeigte sich überzeugt, dass EU-Innenkommissarin Ylva Johansson diese Elemente in ihren für September geplanten Vorschlag für die Asylreform aufnehmen werde. Es sei aber klar, dass sie auch „viele andere Interessen mit berücksichtigen müsse“.
Notstand ausgerufen
Die Crew der „Ocean Viking“ hatte am Freitag den Notstand ausgerufen, da sich die Lage an Bord zugespitzt hatte. SOS Méditerranée berichtete von mehreren Suizidversuchen und Auseinandersetzungen zwischen den Migranten, die hauptsächlich aus Pakistan, Bangladesch, Nigeria, Nordafrika und Eritrea stammen.
Die Flüchtlingshelfer hatten die Menschen nach eigenen Angaben zwischen dem 25. und 30. Juni aus dem Mittelmeer gerettet. Unter ihnen sind demnach 25 Minderjährige und eine Schwangere. „Die unnötige Verzögerung dieser Anlandung hat Leben in Gefahr gebracht“, erklärte SOS Méditerranée und beklagte vor allem einen Mangel an europäischer „Solidarität“.
Monat für Monat versuchen zahlreiche Menschen, in seeuntüchtigen Booten von Afrika über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Im vergangenen Jahr ertranken nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) 1283 Menschen. In den vergangenen fünf Jahren habe es insgesamt mehr als 19.000 Tote gegeben. Seit Anfang des Jahres habe die Zahl der versuchten Überquerungen deutlich zugenommen.
Dreimonatiger Stillstand in Corona-Pandemie
Die Ocean Viking hatte Ende Juni nach dreimonatigem Stillstand im Heimathafen Marseille wegen der Corona-Pandemie die Arbeit wieder aufgenommen. Ähnlich ging es anderen Organisationen. Italien befürchtet nun einen deutlichen Anstieg der Zahl der ankommenden Migranten. Der Bürgermeister von Porto Empedocle forderte am Montag die Entsendung des Militärs zum „Schutz der Bürger“. Das verhältnismäßig arme Sizilien leide bereits stark unter der Corona-Krise.
Länder wie Italien und Malta verfolgen eine harte Linie und lehnen die Aufnahme an Bord genommener Migranten vielfach ab. Sie fordern die Solidarität der übrigen EU-Staaten bei der Verteilung der Migranten ein. Alle Versuche, zu einer gleichmäßigeren Verteilung innerhalb Europas zu gelangen, sind bisher gescheitert. (dts/afp/sua)
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