Merkel zu Athen: Der Wille ist noch da – aber wo ist der Weg?

Berlin (dpa) - Sollte der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras ein positives Signal aus Berlin erwartet haben, so dürfte er heute enttäuscht worden sein. Denn Neues hat Kanzlerin Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung nicht…
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Bundeskanzlerin Merkel bereitet sich auf ihre Regierungserklärung zu Griechenland vor.Foto: Wolfgang Kumm/dpa
Epoch Times18. Juni 2015
Sollte der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras ein positives Signal aus Berlin erwartet haben, so dürfte er heute enttäuscht worden sein. Denn Neues hat Kanzlerin Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung nicht anzubieten.

„Eine Einigung ist immer noch möglich“, sagt sie, am Tag zwölf vor der befürchteten Staatspleite Athens. Und ja, auch noch den Satz, der in den letzten Wochen so oft von ihr zu hören war: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“ So richtig überzeugt klingt das nicht mehr. Eher ein bisschen ratlos.

Dann aber, kaum hat Merkel zu Ende gesprochen, setzt sie sich auf der Regierungsbank neben Finanzminister Wolfgang Schäuble. Ganz offensichtlich gibt es Dringendes zu bereden. Für ein paar Minuten sind die beiden in einen intensiven Dialog vertieft. Meinungsverschiedenheiten sind in Gestik und Mimik beim besten Willen nicht zu erkennen. Vielleicht redet Schäuble ein bisschen mehr auf Merkel ein als umgekehrt. Dann kommt auch noch Vizekanzler Sigmar Gabriel dazu.

Die Zeit drängt. Schäuble muss gleich weg, zum Finanzministertreffen nach Luxemburg. Es gibt zwar wenig Aussicht auf einen Durchbruch dort im Schuldendrama, aber auch das ist ein kleines Signal an diesem Tag aus Berlin: Wir haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben.

Wichtiger für Merkel ist die Botschaft an die eigene, immer kritischere Unionsfraktion: Wir sind zu keinen weiteren Zugeständnissen bereit. Und vielleicht wird es ja gar nicht so schlimm.

Die Kanzlerin ist noch ins Gespräch mit Schäuble und Gabriel vertieft, da steht schon Oppositionsführer Gregor Gysi am Rednerpult. „Glauben Sie, die Lösung besteht darin, dass wir alle pleite sind?“, fragt er. Seine Fraktionskollegen der Linken heben Transparente in die Höhe: „Solidarität mit Griechenland“. Ein Zwischenruf aus der Linken spricht angesichts der Sparauflagen für Athen vom „finanzpolitischen Massenmord“. So weit will Gysi nicht gehen, aber: „Eine Katastrophe war es auf jeden Fall.“ Protest aus den Regierungsparteien.

Viele Abgeordnete ahnen an diesem Tag, dass sie sich schon bald wieder treffen könnten zu einer noch viel stürmischeren Sitzung zum Griechenland-Drama. Denn jede Einigung mit Athen, und sei es in letzter Minute, müsste vom Plenum gebilligt werden. Sommerpause hin oder her. In der Unionsfraktion gärt es mächtig. Gegner weiterer Hilfen für Griechenland gewinnen immer mehr die Oberhand.

Mehr Kompromissbereitschaft gegenüber Athen fordern dagegen nicht nur die Linken, sondern auch die Grünen. „Hören Sie auf mit dem Pokern“, ruft die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring Eckard der Kanzlerin zu. Und sie vermisst einen Satz, den Merkel heute nicht mehr sagt: „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa.“

Dieser Satz gelte auch heute noch, hat Merkel bei anderer Gelegenheit betont. Aber dass sie ihn heute nicht ausspricht, könnte auch ein Zeichen dafür sein, dass die Kanzlerin jede Dramatisierung vermeiden will. Denn auch das ist eine Botschaft Merkels: Wenn der „Grexit“ nicht abzuwenden ist, dann bedeutet das eben nicht das Ende des Euro und schon gar nicht der EU.

Natürlich hat Merkel längst die innenpolitischen Konsequenzen des Griechen-Dramas im Blick. Umfragen sprechen von immer mehr Akzeptanz in der Bevölkerung für einen Austritt Griechenlands aus dem Euro. Die „Bild“-Zeitung hat der Kanzlerin am Vortag schon einmal eine Rede vorgeschrieben. Auszug: „Wir werden für Griechenland kein weiteres Hilfspaket auf den Weg bringen“ und: „Wir dürfen uns nicht erpressen lassen.“

An diese Vorlage hält sich die Kanzlerin natürlich nicht, das Wort „Erpressung“ nimmt später Fraktionschef Volker Kauder in den Mund. Als Merkel nach 20 Minuten ihre Regierungserklärung beendet hat, belohnt sie demonstrativ kräftiger und starker Applaus aus der CDU/CSU. Die SPD hält sich mit Beifall dagegen sehr zurück. Die Reaktion der Unionsabgeordneten zeigt, dass die Botschaft der Kanzlerin angekommen ist: Bis hierher und nicht weiter.

(dpa)


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