Merkel empfängt Putin in Berlin – Treffen zur Ukraine und dem Minsker Abkommen
Erstmals seit Beginn der Ukraine-Krise vor mehr als zwei Jahren empfängt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Berlin.
Zusammen mit den Staatschefs der Ukraine und Frankreichs, Petro Poroschenko und François Hollande, nimmt Putin an einem Gipfeltreffen zum Friedensprozess in der Ost-Ukraine teil. Merkel und Hollande wollen mit ihm aber auch über die eskalierende Gewalt in Syrien sprechen.
Die Kanzlerin dämpfte die Erwartungen allerdings vorsorglich. „Sicher darf man von dem Treffen morgen keine Wunder erwarten“, sagte sie. „Aber sprechen ist immer wieder notwendig, auch wenn die Meinungen sehr stark auseinander gehen.“
Gespräche von Unterhändlern sind ergebnislos verlaufen
Poroschenko äußerte sich zurückhaltend über die Erfolgsaussichten. Er habe keine „überhöhten“ Erwartungen für eine Lösung des Konflikts im Osten seines Landes, sagte er bei einem Besuch in Norwegen. „Ich bin optimistisch in Bezug auf die Zukunft der Ukraine, aber nicht in Bezug auf das Berliner Treffen“, betonte Poroschenko.
Falls Russland bereit sei, einen Fahrplan (roadmap) zu unterschreiben, wäre dies ein sehr positives Ergebnis. „Es ist aber auch wichtig, das Minsker Abkommen zu erfüllen“, sagte Poroschenko. Die Ukraine habe einen Großteil der politischen Vereinbarungen umgesetzt.
Hintergrund Minsk II – Im Abkommen von Minsk sind laut Wikipedia folgende Punkte enthalten
- Eine umfassende Waffenruhe der beteiligten Konfliktparteien in der Ostukraine mit einer Feuerpause ab 24:00 Uhr Ortszeit (23:00 Uhr MEZ) am 14. Februar 2015.
- Die Einrichtung einer Pufferzone mit dem Abzug schwerer Waffen: für die ukrainischen Truppen je nach Waffengattung auf eine Distanz von 50 bis 140 km von der „aktuellen Frontlinie“, für die Separatisten ebenso weit von der Frontlinie vom 19. September 2014.
- Ein Gefangenenaustausch, der laut Poroschenko innerhalb von 19 Tagen abgewickelt sein soll.
- Es soll eine Überwachung der Front und der Einhaltung der Vereinbarungen erfolgen, und zwar durch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), also auch mit Beteiligung deutscher Truppen und mit Unterstützung von Satelliten und Drohnen.
- Innerhalb von 30 Tagen soll das ukrainische Parlament in Kiew eine Autonomie „bestimmter Regionen der Gebiete Lugansk und Donezk“ beschließen.
- Ab Ende 2015 sollen zwischen der Ostukraine und Russland wieder Grenzkontrollen stattfinden. Zunächst sollen jedoch Kommunalwahlen in den Separatistengebieten stattfinden und per Verfassungsreform eine Dezentralisierung der Ukraine verwirklicht werden. Ein Entwurf für eine entsprechende neue Verfassung existierte zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht.
- Fremde Truppen, fremde Kämpfer („Söldner“) und alle ihre Waffen sollen vom Gebiet der Ukraine zurückgezogen werden.
- Amnestie für Straftaten im Zusammenhang mit dem Konflikt.
Moskau erwartet keine konkreten Ergebnisse
Kremlsprecher Dmitri Peskow teilte mit, Moskau habe dem Treffen zugestimmt, obwohl die Voraussetzungen nicht die besten seien. Gespräche von Unterhändlern seien ergebnislos verlaufen. „Aber seit dem letzten Treffen in diesem Format in Paris ist ein Jahr vergangen, daher ist es Zeit für einen Uhrenvergleich“, sagte Peskow der Agentur Interfax zufolge.
Moskau erwarte keine konkreten Vereinbarungen. Er gab dafür der ukrainischen Regierung die Hauptschuld. „Bisher hat Kiew fast nichts erfüllt“, sagte der Kremlsprecher. Der Minsker Plan sah ursprünglich eine Umsetzung bis Ende 2015 vor.
Putin war zuletzt 2013 zur Hannover Messe in Deutschland. Der letzte Berlin-Besuch liegt sogar vier Jahre zurück. Die Annexion der Krim und der Bürgerkrieg zwischen pro-russischen Separatisten und Regierungstruppen in der Ost-Ukraine führten anschließend zu einer Eiszeit in den Beziehungen zum Westen. Seit Frühjahr 2014 wurden im Ukraine-Konflikt nach UN-Schätzungen mehr als 9500 Menschen getötet.
Hauptthema wird die Ukraine sein
Bei dem Treffen in Berlin soll es um die Umsetzung der Minsker Friedensvereinbarungen gehen. Mit den Abkommen von 2014 und 2015 – unterzeichnet in der weißrussischen Hauptstadt Minsk – versuchen Deutschland, Frankreich, Russland und die Ukraine den Krieg zu beenden. Sie sehen einen Waffenstillstand, den Abzug schwerer Waffen von der Front und Wahlen in den Separatistengebieten vor. Doch die Umsetzung lässt auf sich warten.
„Wir müssen jede Möglichkeit ausschöpfen, um zu versuchen, Fortschritte zu erzielen“, sagte Merkel. „Es geht um eine Bestandsaufnahme, auch schonungslos, wo sind wir.“
Auch Syrien wird ein Thema werden
Hinsichtlich des Syrien-Konflikts machte Merkel Russland schwere Vorwürfe: „Die Situation ist noch desaströser geworden, was die humanitäre Lage anbelangt, und das ganz klar durch syrische und russische Luftangriffe auch auf hilflose Menschen, Krankenhäuser, Ärzte.“
Angesichts dieser Situation könne man jetzt keine Option vom Tisch nehmen – auch nicht die der Sanktionen. „Aber Vorrang hat jetzt erst einmal, dass wir gucken müssen, das Leid der Menschen in irgendeiner Weise zu lindern.“
Wegen des Konflikts in der Ukraine hat die EU bereits Sanktionen gegen Russland verhängt. Die Außenminister der EU-Staaten konnten sich am Montag nicht auf eine gemeinsame Position zu möglichen weiteren Strafmaßnahmen einigen. Russland, das das Regime von Syriens Präsident Baschar al-Assad unterstützt, wurde lediglich noch einmal aufgefordert, an einer friedlichen Lösung mitzuarbeiten und Hilfslieferungen nach Aleppo zu ermöglichen. Für weitere Sanktionen hätte es eine einstimmige Entscheidung geben müssen.
Russland und Syrien kündigten heute an, ihre Luftangriffe auf Aleppo vorerst einzustellen. „Die Unterbrechung ist für die achtstündige humanitäre Pause nötig, die für diesen Donnerstag geplant ist“, sagte der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu der Agentur Tass zufolge. (dpa)
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