Mehr Abweichler als gedacht: Von der Leyen muss um Wiederwahl bangen

Laut einer Umfrage unter Abgeordneten im Europaparlament reicht es für die EU-Kommissionsvorsitzende Ursula von der Leyen derzeit nicht für eine Wiederwahl. Die Friedrich-Ebert-Stiftung kritisiert das Wahlprozedere.
Ursula von der Leyen könnte vor einer zweiten Amtszeit als EU-Kommissionpräsidentin stehen.
Ursula von der Leyen hat offenbar Probleme, eine Mehrheit hinter sich zu vereinen, die ihr eine zweite Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin beschert.Foto: Denis Balibouse/Keystone/Reuters/Pool/dpa
Von 4. Juli 2024

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Martin Schulz, Vorsitzender der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung und ehemaliger SPD-Kanzlerkandidat, sieht die erneute Nominierung Ursula von der Leyens (CDU) als EU-Kommissionsvorsitzende kritisch.

2014 etwa habe das Spitzenkandidatenmodell funktioniert. Dieses Prinzip sei ein echter Gewinn gewesen, sagte er dem „Spiegel“. „Jetzt entscheiden wieder Regierungschefs in geheimen Sitzungen, wer da vorgeschlagen wird. Das verstehen die Menschen nicht“, so Schulz, der von 2012 bis 2017 Präsident des Europäischen Parlaments war. „Die Intransparenz der Entscheidungsfindung in der EU ist ein reales Problem, die Hinterzimmerdeals.“

Überdies attackiert Schulz den EVP-Fraktionschef Manfred Weber. „Herr Weber, mit dem ich lange konstruktiv zusammengearbeitet habe, will heute allen wohl und keinem weh.“ So könne er aber keine verbindlichen Absprachen mit den anderen Fraktionschefs treffen, weil er diese in den eigenen Reihen nicht durchsetzen könne. „Seine Taktiererei zwingt ihn zu Konzessionen in alle Richtungen. Und am Ende stimmt dann doch die Hälfte seiner Fraktion mit den Rechtsextremisten.“ Seinen Berechnungen zufolge werde von der Leyen aber im EU-Parlament die nötige absolute Mehrheit erreichen.

Wiederwahl gefährdet?

Die „Wirtschaftswoche“ ordnet eine Wiederwahl von der Leyens indes ganz anders ein. Der Zwischenstand sei für die CDU-Politikerin alarmierend, schreibt die Zeitung. So gebe es offenbar mehr Abweichler im Mitte-Bündnis aus Sozialdemokraten, Liberalen und Konservativen als gedacht.

Das Bündnis verfügt über 401 Mandate in dem mit 720 Abgeordneten besetzen Parlament. Demnach würden beim Wahlgang am 18. Juli 2024 361 Stimmen für eine Wiederwahl von der Leyens ausreichen. Eine Umfrage habe aber ergeben, dass bislang erst 350 Abgeordnete ihre Zustimmung für eine Wiederwahl der 65-jährigen Deutschen signalisiert haben.

Werben um Stimmen statt Teilnahme am NATO-Gipfel

So gibt es immerhin 51 Abweichler. Auch von der Leyen selbst scheint die Situation ernst zu nehmen. Wie die „Wirtschaftswoche“ weiter berichtet, wird sie in der kommenden Woche nicht am NATO-Gipfel in Washington teilnehmen. Stattdessen will die CDU-Politikerin bei den Abgeordneten Überzeugungsarbeit leisten.

Schon bei ihrer ersten Wahl im Jahr 2019 fiel das Votum für von der Leyen relativ knapp aus. Sie erhielt lediglich neun Stimmen mehr als notwendig, schreibt Epoch Times. Die Wahlen erfolgen geheim, und die Präsidentin der EU-Kommission hat vergleichsweise viele Kritiker im Parlament.

Bundeskanzler Scholz zeigte sich Mitte Juni 2024 optimistisch. Er gehe davon aus, dass von der Leyen wiedergewählt werde, sagte er laut „Zeit“ am Rande des G-7-Gipfels in Bari (Italien).

Um einem Scheitern vorzubeugen, geht die CDU-Politikerin auch bei anderen Parteien auf Stimmenfang. So berichtet „Euractiv“, dass sie Gespräche mit den Grünen gesucht habe. Diese seien zu Kompromissen bereit, um Teil der Mehrheit der Amtsinhaberin zu werden. Das aber wiederum sehe die politische Familie von der Leyens, die EVP, kritisch.

Ob sie auch den Kontakt mit der rechtskonservativen Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) suchen werde, bleibe abzuwarten. Die Partei Fratelli d’Italia der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni habe sie als akzeptablen Partner bezeichnet. Äußerungen weitere EKR-Mitglieder gebe es bisher nicht.

Mit Material von Agenturen 



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