„Man kann das Geld kaum nachverfolgen“: Rechnungshof beanstandet Haushaltspläne der EU

Der Europäische Rechnungshof äußert deutliche Bedenken gegenüber den Reformplänen der EU für den Haushaltsplan 2028 bis 2034. Vor allem die Idee, nationale Fördertöpfe anstelle der bisherigen EU-Förderprogramme zu setzen, stößt auf Kritik. Als Vorbild dient der bereits zuvor kritisierte Corona-Wiederaufbaufonds.
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EU-Kommission in Brüssel. (Archiv)Foto: via dts Nachrichtenagentur
Von 10. Oktober 2024

Mit Skepsis hat der Europäische Rechnungshof (EuRH) auf Berichte über ein neues System reagiert, dem künftig der Haushaltsplan der EU folgen soll. Für den Zeitraum von 2028 bis 2034 sollen 27 nationale Töpfe an die Stelle bisheriger Förderprogramme treten.

Die Mitgliedstaaten würden ihre Anteile am Gesamtetat zum Zwecke der eigenständigen Umsetzung von Maßnahmen zugewiesen bekommen. Im Gegenzug fielen bisherige Fördertöpfe weg – unter anderem die üppig ausgestatteten Etatposten für Landwirtschaft oder die sogenannte Kohäsion. Allerdings würde Brüssel mit den Mitgliedstaaten individuelle Verteilungspläne erarbeiten, und die Auszahlung der Mittel wäre an die Umsetzung von „Wirtschaftsreformen“ gebunden.

Corona-Wiederaufbaufonds keine Blaupause

Ein offizielles Konzeptpapier zu den Reformplänen liegt noch nicht vor. Der Rechnungshof ist jedoch bereits jetzt nicht davon überzeugt, dass die in Rede stehende Vorgehensweise zielführend ist. Dabei geht es den Rechnungsprüfern nicht einmal um das politische Druckpotenzial, das sich Brüssel auf diesem Weg selbst verschaffen kann.

Die Einrichtung zur Kontrolle des finanziellen Gebarens der Staatengemeinschaft zweifelt an der Umsetzung zugesagter Reformen und deren Kontrollierbarkeit. Was den Rechnungshof im Besonderen irritiert, ist der Umstand, dass der sogenannte Aufbau- und Resilienzfonds (ARF), also der Corona-Wiederaufbaufonds, als Vorbild dienen soll.

Gegenüber dem „Standard“ erklärte die für Österreich im EuRH vertretene Rechnungsprüferin Helga Berger, dies sei kein gutes Omen:

„Als Blaupause würden wir den ARF sehr kritisch sehen, denn man kann das Geld kaum nachverfolgen.“

Rechnungshof hatte bereits Intransparenz bei Corona-Mitteln beanstandet

Zum Coronafonds hatte der Rechnungshof schon vor einigen Wochen eine Untersuchung vorgelegt, deren Ergebnisse sehr kritisch ausfielen. Insbesondere zog die Institution in Zweifel, dass Mittel, die dort unter dem Banner des Klimaschutzes ausgegeben wurden, tatsächlich Klimawirkungen entfalten könnten.

Der ARF kranke bereits daran, dass daraus ausbezahlte Förderungen und Darlehen nicht an diesen zurückbezahlt und auch nicht kofinanziert werden müssten. Letzteres sei bei Zuwendungen aus dem ordentlichen EU-Haushalt hingegen der Fall. Dass auch nationale Haushaltsmittel für daraus finanzierte Projekte herangezogen würden, sei ein „Qualitätsmerkmal“.

Einige bereits initiierte Projekte, die mit ARF-Mitteln gefördert worden wären, werden möglicherweise gar nicht mehr fertig. Sie könnten bis 2027 auf Förderung hoffen, die letzten Etappen der Umsetzung fielen jedoch nicht mehr in den Förderzeitraum. Ob es anschließend noch Fördermittel gebe, sei ungewiss. Zudem prüfe der ARF die Einhaltung der nationalen Vorschriften nicht.

Auch der Kohäsionsfonds, so Berger, sei „für so eine gravierende Änderung gar nicht aufgestellt“. Es wäre „sehr kritisch zu sehen“, wolle man aus diesem heraus eine Art europäischen Finanzausgleich schaffen.

Etwa 45 Prozent der Kohäsionsausgaben fehlerhaft

Die Rechnungsprüfer sehen außerdem mit Blick auf das EU-Budget 2023 eine gestiegene Fehlerquote. Von 4,2 im Vorjahr sei diese auf 5,6 Prozent gestiegen, erklärte Rechnungshof-Präsident Tony Murphy anlässlich der Präsentation des Prüfberichts am Mittwoch, 9. Oktober, in Brüssel. Die Gesamtausgaben beliefen sich in jenem Jahr auf 191,2 Milliarden Euro.

Bei den Kohäsionsausgaben, die dem Ausgleich von ungleichen Voraussetzungen unter den Regionen dienen sollen, fand der Rechnungshof sogar in 45 Prozent der überprüften Fälle Anlass zu Beanstandungen. Die meisten Fehler hätten die Förderung nicht förderfähiger Projekte oder die Vergabe öffentlicher Aufträge betroffen.

In 20 Fällen, sechs mehr als im Jahr davor, wurde sogar die EU-Betrugsbehörde Olaf aktiv. Allerdings sei „nicht alles, was fehlerhaft ist, Betrug und Verschwendung“, wollte Berger betont wissen. Die Zahl vorschriftswidriger Ausgaben steige innerhalb der EU jedoch generell an. Vor allem die Mittel aus dem ARF zeigten sich häufig fehleranfällig. Bis dato seien daraus 48 Milliarden Euro ausgegeben worden.

Mittel für Ukraine: Rechnungshof rät zur Vorsicht vor „weit verbreiteter Korruption“

Bereits in der Vorwoche mahnte der Rechnungshof der EU zur Beachtung der Effizienz mit Blick auf die Mittel zur Förderung der eigenen Rüstungsindustrie. Das größte Risiko bestehe in der Verwendung der Haushaltsmittel von vorerst 1,5 Milliarden Euro in einer Weise, welche „die ehrgeizigen Ziele des Programms nicht erreicht“. Dies äußerte der leitende Rechnungsprüfer Michael Bain am Donnerstag, 3. Oktober, gegenüber „Euractiv“.

Das Geld muss für zwei Jahre reichen. Bain erklärte, das dazugehörige Gesetze solle Meilensteine enthalten, die „bis 2027 realistischerweise erreicht werden können“. Außerdem könnte eine zu breite Verteilung auf unterschiedliche Projekte dazu führen, dass die Mittel insgesamt „keine messbaren Auswirkungen auf EU-Ebene hätten“.

Mit Blick auf Projekte in der Ukraine müsse zudem das Risiko der „weit verbreiteten Korruption“ einkalkuliert werden, für welche das Land „bekannt“ sei. Der Rechnungshof verlangt in diesem Kontext „das Recht auf eine externe Prüfung aller Ausgaben“. Außerdem solle es „spezifische Regelungen zur Rechenschaftspflicht für die Umsetzung des Programms in der Ukraine“ geben.

Diese sollten „Mindestschutzmaßnahmen in Bezug auf die Kontrolle, Überwachung und Berichterstattung“ mit Blick auf Verhandlungen mit ukrainischen Behörden enthalten.



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