Maidan-Taktik für Regime-Change in Russland? Chef der Wagner-Gruppe warnt vor „Revolution“

Der Chef der „Wagner Group“ warnt vor einer möglichen „Revolution“ in Russland. Derweil sind neonazistische Milizen in die Grenzregion Belgorod einmarschiert.
Jewgeni Prigoschin ist der Chef der russischen Privatarmee Wagner Group.
Jewgeni Prigoschin ist der Chef der russischen Privatarmee Wagner Group.Foto: -/AP/dpa
Von 26. Mai 2023

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Am Samstag, 20. Mai, verkündete Russland die Einnahme der Stadt Artjomowsk in der Region Donezk. In der Ukraine ist die Stadt als Bachmut bekannt. An der Front operiert derzeit auf russischer Seite unter anderem die private Söldnereinheit „Wagner Group“. Deren Chef Jewgeni Prigoschin sprach im Anschluss an die Einnahme über Verluste auf russischer Seite während der monatelangen Kämpfe um die Stadt.

Dass es russischen Truppen gelungen ist, die Kontrolle über die Stadt von ukrainischen Einheiten zurückzuerobern, nährte im Westen Zweifel am Erfolg der ukrainischen Frühjahrsoffensive. Für diese hatten die westlichen Verbündeten der Führung in Kiew umfangreiche finanzielle und militärische Unterstützung gewährt.

Chef der Wagner Group als Kronzeuge für westliche Medien

Während der erhoffte Vormarsch ukrainischer Truppen auf breiter Ebene im Osten des Landes nach wie vor ausbleibt, spekulieren westliche Medien offenbar auf ein Bröckeln im Machtgefüge Russlands. Ausgerechnet Wagner-Chef Prigoschin taucht vermehrt als Kronzeuge für eine behauptete Umsturzstimmung in der Russischen Föderation auf.

Wie der „Guardian“ berichtet, sprach Prigoschin von 20.000 Todesopfern unter den Kämpfern, die Wagner für den Einsatz in der Stadt rekrutiert hatte. Insgesamt hätten 50.000 Personen unter seinem Kommando gestanden. Die Getöteten hätten sich je zur Hälfte aus regulären Kämpfern und früheren Strafgefangenen rekrutiert, die sich für den Fronteinsatz melden konnten. Die Verluste auf ukrainischer Seite schätzte Prigoschin auf 50.000 bis 70.000.

Prigoschin spricht von „Szenario wie 1917“

Der Wagner-Chef hatte in den Wochen zuvor über ausbleibenden Nachschub an Munition geklagt. Dieser habe zur Höhe der Verluste beigetragen. In diesem Zusammenhang äußerte Prigoschin auch Kritik an einigen Befehlshabern im russischen Militärapparat und forderte deren Ablösung.

Auf Telegram sprach er auch von fehlender Wehrgerechtigkeit im Zusammenhang mit der russischen Teilmobilmachung. Es seien vor allem die Söhne der Armen, die in Zinksärgen von der Front zurückkämen. Demgegenüber „räkeln sich die Kinder der Elite in der Sonne“.

In weiterer Folge habe Prigoschin ein mögliches Szenario wie 1917 angesprochen. Damals habe „eine Revolution diese Spaltung beendet“. Diesmal würden „zuerst die Soldaten aufstehen und dann ihre Angehörigen“. Es gebe „bereits Zehntausende von ihnen – Angehörige der Gefallenen. Und es werden wahrscheinlich Hunderttausende sein – das können wir nicht verhindern.“

Neonazis kündigen weitere Angriffe auf russische Grenzregionen an

Dass westliche Medien Äußerungen dieser Art bereitwillig aufgreifen, deutet darauf hin, dass man wie 1917 auch jetzt auf eine Schwächung Russlands von innen hofft. Während damals unter anderem mit deutscher Hilfe die Bolschewiki unter Lenin die Macht erobern konnten, scheinen die Hoffnungen nun auf nationalen Sozialisten zu liegen.

Zwei Tage nach dem Rückzug der Ukraine aus Artjomowsk griffen Milizen von ukrainischem Staatsgebiet aus einige Dörfer im russischen Oblast Belgorod an. Hinter dem Überfall stand ersten Erkenntnissen zufolge das „Russische Freiwilligenkorps“ und die „Legion der Freiheit Russlands“. Beide stehen unter der Führung bekannter russischer Neonazis, die vor drohender strafrechtlicher Verfolgung auf das Gebiet der Ukraine geflohen waren.

Zwar haben russische Sicherheitskräfte die Situation schnell wieder unter Kontrolle bringen und eigenen Angaben zufolge etwa 70 Angreifer eliminieren können. Der Führer des „Freiwilligenkorps“, Denis Kapustin, kündigte von ukrainischem Territorium aus jedoch weitere Angriffe auf russische Grenzregionen an:

Die Grenze ist ziemlich lang. Es wird wieder einen Punkt geben, an dem es heiß hergehen wird.“

Die Provokation von Belgorod habe „die Schwäche der russischen Verteidigungsanlagen deutlich gemacht“.

Ukraine und USA stellen Beteiligung in Abrede

Die Ukraine bestreitet eine Verwicklung in den Angriff. Oleksij Danilow, Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine, äußerte:

Wir als offizieller Staat haben mit diesen Ereignissen nichts zu tun. Das sind russische Bürger, die damit ihre Haltung zu den Vorgängen in Russland zum Ausdruck bringen wollen.“

Es erscheint jedoch als wenig wahrscheinlich, dass rechtsextreme russische Staatsangehörige, die auf ukrainischem Territorium Zuflucht gesucht haben, unbemerkt Waffen ansammeln und bewegen können.

Die Angreifer sollen sogar im Besitz von US-Militärfahrzeugen gewesen sein. Der Kreml wertet dies als Beweis dafür, dass der Westen die Neonazis aktiv mit Waffen unterstütze – ähnlich wie im Umfeld des „Euromaidan“ in Kiew 2014.

Ruhiges Hinterland für geflohene Rechtsextremisten

Kapustin erklärte hingegen, er habe das Gerät „auf dem Schwarzmarkt erworben“. Zuvor hätten diese es von russischen Streitkräften erbeutet. John Kirby, der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, kündigte an, die USA würden die Berichte über US-Ausrüstung prüfen. Er betonte, die USA hätten Kiew gegenüber deutlich gemacht, dass sie die Verwendung von US-Ausrüstung für Angriffe innerhalb Russlands nicht unterstützen würden.

Dass russische Neonazis vor drohender Strafverfolgung in die Ukraine flüchten, ist kein neues Phänomen. Über Monate hinweg hatte der 2020 in russischer Haft verstorbene Rechtsextremist Maxim „Tesak“ Martsinkevich seine Aktivitäten nach Kiew verlegt. „Tesak“ war durch verstörende YouTube-Videos aufgefallen, in denen er mutmaßlich homosexuelle Teenager folterte. Im Westen wurden diese als vermeintlicher Beweis für eine vom russischen Staat geduldete Drangsalierung der LGBT-Gemeinde präsentiert.

An der Front duldet auch Wagner Group militante Neonazis

Zwar hatten der „Euromaidan“ und die weitere Entwicklung hin zum Krieg in der Ostukraine sowohl in der Ukraine als auch in Russland die extreme Rechte gespalten. Einige Neonazi-Gruppierungen wie „Rusich“ schlossen sich prorussischen Separatisten an oder gingen in der Wagner Group auf. Als einer ihrer Gründer gilt Dmitri Utkin, der selbst dem neonazistischen Spektrum entstammte. Andere jedoch gingen in die Ukraine, schufen sich dort ein ruhiges Hinterland oder meldeten sich als Freiwillige zum Asow-Regiment und ähnlichen Verbänden. Als Kämpfer an der Front greifen offenbar beide Kriegsparteien auf Personen aus diesem politischen Spektrum zurück.

In Russland existiert ein strenges Gesetz gegen „Extremismus“. Dieses verbietet nicht nur Antisemitismus, die Holocaust-Leugnung oder das Schüren von ethnischem und religiösem Hass. Es enthält auch Strafdrohungen für die Aufforderung zu politisch motivierten Straftaten oder die Verbreitung als sozialschädlich betrachteter Ideologien.

In der Ukraine sind offiziell sowohl die Verherrlichung des Kommunismus als auch des Nazismus untersagt. Dennoch reichte der Einfluss extremer Nationalisten bereits lange vor der russischen Militäroperation weit in den Staats- und Sicherheitsapparat.



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