Macron setzt künftig auf „Made in France“ – Opposition: „Aaahhh – er beginnt zu begreifen“
Der Staatschef will Frankreich wieder unabhängig von China machen – zumindest was medizinisches Material wie Schutzmasken und Beatmungsgeräte betrifft. Er reagiert damit auch auf anhaltende Kritik an seinem Krisenmanagement.
Ziel Macrons ist eine „vollständige Unabhängigkeit“ Frankreichs von China bis zum Ende dieses Jahres, wie er diese Woche beim Besuch des größten französischen Herstellers von Profi-Schutzmasken sagte, der Kolmi-Hopen-Gruppe bei Angers.
Beatmungsgeräte-Produktion soll angekurbelt werden
Bis Ende April soll die französische Produktion von Schutzmasken nach Macrons Worten auf „mehr als zehn Millionen“ Stück pro Woche ausgeweitet werden – rund dreimal so viele wie vor der Corona-Krise. Auch die heimische Produktion dringend benötigter Beatmungsgeräte für Lungenkranke soll angekurbelt werden.
Das Ausmaß des Problems zeigt eine andere Zahl: Rund 40 Millionen Profi-Masken pro Woche brauchen alleine das französische Gesundheitspersonal sowie Pflegekräfte in Altenheimen, wie der Elysée-Palast schätzt.
Frankreich hat deswegen in der Corona-Krise eine Milliarde Atemschutzmasken aus China bestellt. Zwölf Millionen dieser Masken sollten am Mittwoch mit Hilfe einer „Luftbrücke“ aus der Volksrepublik eintreffen.
Dennoch erntet Macron mit seinen ungewohnt nationalistischen Tönen bei der Opposition am linken wie rechten Rand erstmals seit Beginn der Krise Applaus, wenn auch mit ironischem Unterton:
„Aaahhh – er beginnt zu begreifen“, schrieb der Chef der Linkspartei La France Insoumise (Das unbeugsame Frankreich), Jean-Luc Mélenchon, über den Präsidenten auf Twitter.
Marine Le Pen äußert sich kritisch
Schärfer äußerte sich Marine Le Pen: „Macron tut so, als habe er das Konzept der Staatshoheit wiederentdeckt“, twitterte sie. Dabei habe er als Präsident und zuvor als Wirtschaftsminister „viele Flaggschiffe unserer Industrie ans Ausland verkauft“, empörte sich die Chefin der Partei Rassemblement National (Nationale Sammlungsbewegung, die frühere Front National).
Frankreich ist in Europa kein Einzelfall: Die Corona-Krise hat gezeigt, wie abhängig fast alle EU-Länder bei Arzneimitteln und medizinischer Ausrüstung vor allem von China sind.
Die Pandemie beschleunigt nun ein Vorhaben, das die Pariser Regierung ohnehin schon in der Schublade hatte: Wie Macron bereits vor einem Jahr ankündigte, sollen mit einem „Produktiv-Pakt“ strategische Industriezweige wieder zurück ins Land geholt werden.
Als Beispiele nannte Wirtschaftsminister Bruno Le Maire kürzlich nur noch in China gefertigte Teile für die Autoindustrie, oder viele Arzneimittel, bei denen die Volksrepublik de facto ein Monopol hat. Das KPCh-Virus sei in diesem Zusammenhang ein „Game Changer“ der Globalisierung, sagte Le Maire.
Wenn nun eine Firma bei Paris die bereits vor Jahren für unwirtschaftlich erklärte Herstellung von Fieberthermometern wieder aufnimmt oder ein Autohersteller Teile für Beatmungsgeräte herstellt, ist das ein Schritt in diese Richtung.
Ob Macron letztlich auch politisch von der Krise profitiert, ist offen: Zwar ist der Präsident laut manchen Umfragen wieder so beliebt wie seit seiner Wahl nicht mehr. Eine deutliche Mehrheit der Franzosen bewertet sein Krisenmanagement aber negativ. Viele Bürger fürchten einen weiteren Anstieg der Zahl von bisher mehr als 3500 Toten.
Macron selbst wies die Kritik zurück. Er nannte es „unverantwortlich“, wenn einige „jetzt schon den Prozess machen wollen, obwohl wir den Krieg noch nicht gewonnen haben“.
Frankreich lässt tausende Häftlinge frei
Frankreich lässt in der Corona-Krise tausende Häftlinge aus seinen notorisch überfüllten Gefängnissen frei. Es gehe um 5000 bis 6000 Insassen von insgesamt 70.000, sagte der Vizepräsident des Verbands der Vollzugsrichter, Ivan Guitz, am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP. Jeder Fall werde gründlich geprüft, betonte Guitz: „Wir lassen keine Serienmörder frei.“
Mögliche Kandidaten für eine vorzeitige Freilassung seien Häftlinge, die ihre Strafe bereits weitgehend verbüßt hätten und keine Gefahr für die Allgemeinheit darstellten. In Frage kämen etwa wegen Drogenhandels oder Diebstahls Verurteilte.
Viele Gefängnisse glichen einem „Schnellkochtopf“, aus dem nun „ein wenig Druck herausgelassen“ werde, sagte Guitz zur Überbelegung.
In Villepinte nordöstlich von Paris etwa säßen rund tausend Häftlinge ein, es gebe aber eigentlich nur Platz für gut halb so viele. Vor dem Regierungsbeschluss zu den Freilassungen hätten sich dort je drei Insassen eine neun Quadratmeter große Zelle teilen müssen.
Justizministerin Nicole Belloubet hatte am Sonntag bekannt gegeben, dass seit dem 18. März rund 3500 Insassen freigelassen wurden. In Frankreichs Gefängnissen gab es bisher nach jüngsten Angaben mehr als 20 Corona-Infektionen bei Häftlingen und rund 50 bei Wärtern. (afp/nh)
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