Macron entfacht Atomwaffendebatte, Stoltenberg lehnt „europäische NATO-Alternative“ ab

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron stößt eine Debatte über die Rolle von Atomwaffen in der europäischen Verteidigung an. Er wolle mehr für die Verteidigung Europas beitragen. NATO-Generalsekretär Stoltenberg hingegen sieht das völlig anders.
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Präsident Emmanuel Macron (l.) begrüßt NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg im Élysée-Palast in Paris am 28. Juni 2023.Foto: EMMANUEL DUNAND/AFP via Getty Images
Von 2. Mai 2024

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Der französische Präsident Emmanuel Macron hat abermals angeregt, stärker über die Rolle von Atomwaffen bei einer gemeinsamen europäischen Verteidigung zu sprechen. Wie er in einem Interview mit der Mediengruppe EBRA sagte, wolle er eine Debatte eröffnen, „die die Raketenabwehr, die Langstreckenkapazitäten und die Atomwaffen für diejenigen, die sie haben oder die auf ihrem Boden über amerikanischen Atomwaffen verfügen, umfassen muss“.

Und der französische Staatspräsident weiter: „Legen wir alles auf den Tisch und schauen wir uns an, was uns wirklich glaubwürdig schützt.“ Frankreich sei bereit, „mehr zur Verteidigung beizutragen“. Seit dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) ist Frankreich die einzige Atommacht in der Union. Das Land verfügt über 300 nukleare Sprengköpfe, die von Rafale-Kampfflugzeugen oder von U-Booten starten können. 

Debatte schon im Februar angestoßen

Der Vorstoß von Präsident Macron ist nicht neu. Schon im Februar dieses Jahres hatte er vorgeschlagen, über eine gemeinsame europäische Atomwaffenstrategie nachzudenken. Ausgelöst wurden die Überlegungen aus Frankreich damals durch Äußerungen des US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump, europäische Partner, die seiner Ansicht nach nicht genügend in die NATO einzahlten, alleine zu lassen. 

Bei einer Wahlkampfveranstaltung in South Carolina im Februar äußerte Ex-Präsident Trump damals, dass der „Präsident eines großen Landes“ ihn einmal gefragt habe, ob die USA sein Land noch vor Russland schützen würden, wenn es seine Verteidigungsausgaben nicht zahle. Trump zitierte sich selbst mit den Worten: „Nein, ich würde euch nicht beschützen.“ Vielmehr noch: Er würde Russland „sogar dazu ermutigen, zu tun, was auch immer zur Hölle sie wollen“. Allerdings blieb damals im Unklaren, ob es ein solches Gespräch zwischen Trump und einem ausländischen Staatschef tatsächlich gegeben hatte. Trump fügte damals hinzu: „Nehmen wir an, das ist passiert.“ Über diesen Vorfall hatte damals unter anderem die „Tagesschau“ berichtet. 

Der französische Staatspräsident Macron hatte als Reaktion darauf damals von Europa gefordert, seine Sicherheit stärker selbst in die Hand zu nehmen. In seiner damaligen Grundsatzrede zur Atomwaffendoktrin Frankreichs hatte Staatschef Emmanuel Macron den Europäern einen „strategischen Dialog“ über die atomare Abschreckung angeboten.

Schutz durch US-Atomschirm fraglich

Die Spitzenkandidatin zur Europawahl der SPD, Katarina Barley, hatte damals Wohlwollen für den Macron-Vorschlag gezeigt. Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments sagte in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ auf die Frage, ob Europa noch durch den US-Atomschirm geschützt sei: „Angesichts der jüngsten Äußerungen von Donald Trump ist darauf kein Verlass mehr.“ Auf die Frage, ob die EU eigene Atombomben brauche, antwortete die SPD-Politikerin: „Auf dem Weg zu einer europäischen Armee kann also auch das ein Thema werden.“

Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte sich damals zu Wort gemeldet. Er sprach sich für mehr Kooperation mit Frankreich und Großbritannien bei der atomaren Abschreckung aus. 

Das sah damals Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ganz anders. Auf einer Pressekonferenz mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk in Berlin wies der Kanzler im Februar auf die NATO hin. „Wir haben eine funktionierende NATO, eine sehr gute transatlantische Partnerschaft. Dazu gehört auch das, was wir an nuklearer Zusammenarbeit entwickelt haben“, so Scholz. 

Polen offen für US-Atomwaffen im Land

Polens Präsident Andrzej Duda hat gerade erst bekräftigt, sein Land sei offen für eine Stationierung von US-Atomwaffen. „Wenn es eine solche Entscheidung unserer Verbündeten geben sollte, Atomwaffen im Rahmen der nuklearen Teilhabe auch auf unserem Territorium zu stationieren, um die Sicherheit der Ostflanke der NATO zu stärken, sind wir dazu bereit“, sagte der Präsident im Interview mit der polnischen Zeitung „Fakt“.

 

Bei einem gemeinsamen Treffen mit dem britischen Premierminister Rishi Sunak vor in Polen stationierten britischen Soldaten am vergangenen Dienstag hatte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg allerdings erklärt, keine Atomwaffen in weiteren Mitgliedsländern zu stationieren. Es gebe keine Pläne, das bisherige Arrangement der nuklearen Teilhabe auszuweiten, berichtet „Zeit Online“

In verschiedenen europäischen Ländern sind Atomwaffen der USA stationiert. Die genauen Standorte bleiben allerdings geheim. Es wird angenommen, dass sie in Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Italien und der Türkei untergebracht sind. Die US-Regierung hat bisher keine Anzeichen dafür gezeigt, dass sie die Platzierung solcher Waffen in Osteuropa in Betracht zieht. Das könnte als direkte Provokation von Russland angesehen werden.

„Unser Europa ist sterblich“

In einer Rede an der Pariser Universität Sorbonne am vergangenen Donnerstag hatte Emmanuel Macron eine Stärkung der europäischen Verteidigung angemahnt. „Unser Europa ist sterblich; es kann sterben und das hängt von unseren Entscheidungen ab“, sagte Macron. Der französische Staatspräsident rief zu einer „glaubhaften“ europäischen Verteidigung auf. Die nukleare Abschreckung, über die Frankreich verfüge, sei dabei „ein unumgängliches Element der Verteidigung des europäischen Kontinents“, betonte Macron.

Gemeinsam sicher und stärker

Dem widersprach nun NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. „Eine europäische Alternative zur NATO und konkurrierende Strukturen braucht es nicht“, sagte Stoltenberg in einem Interview mit dem „Stern“.

„Ich bin absolut zuversichtlich, dass Europa überleben wird“, so Stoltenberg in Reaktion auf die Grundsatzrede Macrons. „Wenn Europa und Nordamerika eng in der NATO zusammenstehen, können wir unsere Mitglieder auch weiterhin erfolgreich schützen.“ Gemeinsam sei man „sicherer und stärker“.

Mit Blick auf Deutschland, das in diesem Jahr erstmals das Zwei-Prozent-Ziel der NATO erfüllt, fügte Stoltenberg hinzu: Beim NATO-Gipfel in Vilnius haben wir uns darauf verständigt, dass die zwei Prozent der Wirtschaftsleistung das absolute Minimum sein müssen.“ Außerdem seien neue Fähigkeitsziele vereinbart worden. „Es liegt an Deutschland, wie es diese vereinbarten Ziele erreicht. Aber ich glaube, dass auch Deutschland noch mehr investieren muss.“



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