Lufthansa evakuiert Deutsche aus Israel – Warum durfte nicht die Luftwaffe ran?
Auch eine knappe Woche nach dem Beginn der Hamas-Terroraktionen auf israelischem Boden hat die deutsche Luftwaffe noch keine Rettungsflüge gestartet, um deutsche Staatsbürger auszufliegen. „Im Falle einer weiteren Lageverschärfung“ aber würde „der militärische Evakuierungsverband der Bundeswehr“ bereitstehen. Das hat das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) in einer aktuellen Presseerklärung bekannt gegeben.
Bereits am Mittwoch hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius bestätigt, „jederzeit bereit“ zu stehen, wie unter anderem die „Tagesschau“ berichtet hatte.
Zivile Maschinen bevorzugt
Die Bundesregierung, so das BMVg weiter, habe bereits „alle notwendigen logistischen Vorkehrungen für eine rasche Abholung durch die Luftwaffe getroffen“, hieß es in der Pressemitteilung. Der Einsatz von Militärmaschinen sei allerdings nur eine Option „im Falle eines Ausfalls des zivilen Flugbetriebs aus Israel“. Die Bundeswehr habe bereits „‚vorbereitende präventive Maßnahmen‘ in die Wege geleitet“, und zwar in „Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt“.
Dessen Chefin Annalena Baerbock (Grüne) sollte in den vergangenen Tagen immer wieder erklären, warum sich bis dato keine deutschen Militärflugzeuge auf den Weg in Richtung Israel gemacht hatten, während Länder wie Polen, Italien, Spanien oder Österreich zur Evakuierung ihrer Bürger sehr schnell nach den Hamas-Angriffen auf die Dienste ihrer Luftwaffen zurückgegriffen hatten.
Zu viele Menschen vor Ort
Am Abend des 12. Oktober begründete Baerbock in der ZDF-Talkshow „Maybrit Illner“ den bisherigen Verzicht auf Luftwaffenunterstützung zum wiederholten Male damit, dass „rund 100.000 deutsche Staatsangehörige, Doppelstaatler vor Ort“ seien:
Wir waren mit einer Dimension konfrontiert, mit Tausenden von Menschen, wo wir eben nicht zwei Bundeswehrflieger schicken konnten und dann wären alle ‚raus gewesen“.
„In dieser Situation“ habe man „alles ausgelotet“ und schließlich „priorisiert“, wer als Erstes ausgeflogen werden solle. Man habe sich für die Schulklassen entschieden. Inzwischen seien „alle 17 Schulklassen“ beziehungsweise Jugendgruppen „raus aus Israel“, bekräftigte die Außenministerin. Das sei „zum Teil mit Bussen nach Jordanien, zum Teil mit Flügen über Island“ geschehen. „Und parallel dazu haben wir zusätzlich mit der Lufthansa vereinbart, dass sie Flüge anbieten, die sie ausgesetzt hatten“, sagte die Außenministerin, „und so haben wir Tausende von Menschen in den letzten Tagen herausbekommen“(Video-Interview ab ca. 20:18 Min. auf zdf.de). Baerbock ergänzte:
Und jetzt planen wir weiter mit Blick auf die Lufthansa und schauen in Kombination, wie wir dabei auch zum Beispiel das unterstützen können mit weiteren Flügen der Bundeswehr.“
ZDF kürzt Zurechtweisung durch Baerbock
Warum bei all dem Priorisierungs- und Organisationsstress im Auswärtigen Amt nicht trotzdem zugleich parallel auf die Dienste der Luftwaffe zurückgegriffen worden war, hatte zwei Tage vor Maybrit Illner auch ZDF-Moderator Christian Sievers in den „tagesthemen“ wissen wollen.
Schon damals hatte Baerbock geantwortet, dass „wir nicht eine Militärmaschine schicken“ könnten, weil von Deutschland „viel, viel mehr Menschen“ zu evakuieren seien, als andere Länder es tun müssten. Im Übrigen wolle sie „darum bitten, grad in so ’ner Krise, mir die Worte nicht plakativ im Mund ‚rumzudrehen“. (Video ab ca. 9:54 Min. auf zdf.de). Das ZDF strahlte das zuvor aufgezeichnete Interview während seiner „heute journal“-Livesendung übrigens in einer gekürzten Version aus, bei der die Zurechtweisung Sievers‘ herausgeschnitten wurde (Video ab ca. 8:36 Min. auf YouTube oder auf zdf.de).
Verständnis für frustrierte „Einzelfälle“
Wie bei Sievers wies Baerbock auch im Gespräch mit Maybrit Illner darauf hin, dass die ersten Evakuierungen von Kindern und Jugendlichen über das Flugziel Island und über Busfahrten nach Jordanien abgewickelt worden seien.
In einem Artikel der „Bild“ vom 10. Oktober, in dem von eben jenem Ausreiseabenteuer einer deutschen Schulklasse über den Umweg Island berichtet worden war, gab es von einer Beteiligung des Auswärtigen Amtes allerdings kein Wort zu lesen. Illners Worten zufolge hätten Mitreisende sogar davon gesprochen, dass das Außenministerium „überhaupt keine Hilfe“ gewesen sei: Um die Organisation des Island-Fluges hätten sich alleine Lehrer und ausländische Hilfsorganisationen gekümmert.
Das stritt Baerbock strikt ab: „Gerade mit der isländischen Außenministerin war ich in Kontakt, damit die entsprechend auch Schulklassen mitnehmen konnten auf den Flügen“, erklärte die Außenministerin, „all das musste im Hintergrund ja vorbereitet werden“. Sie habe aber Verständnis dafür, dass es immer auch „Einzelfälle“ und „Frustrationen von Menschen“ gebe, „die am Flughafen stehen und nicht sofort weggekommen“ seien. Wichtig sei ihr, „dass wir die Schulklassen als Allererstes ‚rausbekommen haben“.
„Es gab zu jedem Zeitpunkt freie Plätze, um aus Israel ‚rauszukommen“
Baerbock gab zu bedenken, dass die Menschen nicht einfach ohne Ticket einen Flughafen in Israel betreten könnten, um dort auf irgendeine Maschine zu warten. Das ließen „die Israelis zu Recht“ gar nicht zu. Alles andere hätte auch „absolutes Chaos ausgelöst“, so die Ministerin im Gespräch mit Maybrit Illner.
Weder die bisher durchgeführten Flüge der Lufthansa oder anderer Fluggesellschaften noch Busfahrten nach Jordanien noch die Fähre nach Zypern seien bislang überfüllt gewesen: „Es gab zu jedem Zeitpunkt freie Plätze, um aus Israel ‚rauszukommen“, erklärte Baerbock.
Auf der Homepage der deutschen Botschaft in Tel Aviv werden die gängigsten Fragen zur Situation beantwortet. Für deutsche Staatsangehörige bietet auch das Auswärtige Amt eine allgemeine „Krisenvorsorgeliste“ an, nicht nur für Israel. Dort wird auch über aktuelle Ausreiseoptionen und Verhaltenstipps informiert.
Seit Donnerstag erste Sonderflüge
Die Lufthansa hatte am Donnerstag, 12. Oktober, mit ersten Sonderflügen zwischen Tel Aviv und Deutschland begonnen. Nach Angaben des „Tagesspiegels“ sei die Fluglinie im Lauf des Tages viermal zurück nach Deutschland geflogen, und zwar jeweils zweimal nach München und nach Frankfurt am Main. Dabei seien rund 1.000 Menschen zurückgebracht worden. Am Freitag, 13. Oktober, soll die gleiche Zahl an Flügen und Heimkehrern bewältigt werden.
Wie das zdf berichtete, habe zudem die Fluglinie Condor für Sonntag, 15. Oktober, zwei Sonderflüge zurück nach Deutschland geplant. Abflugort sei Akaba im Süden Jordaniens unweit der israelischen Grenze. Jede Maschine könne knapp 250 Menschen transportieren.
Auch zu Wasser bestehe eine Fluchtmöglichkeit: Am 12. Oktober hätten bereits „etwa 950 Deutsche und ihre Familienangehörigen“ die Fähre vom nordisraelischen Haifa nach Zypern genutzt, so das zdf.
5.000 Menschen auf der „Krisenliste“
Ein Sprecher des Auswärtigen Amts habe inzwischen bekannt gegeben, dass sich rund 5.000 Personen in die „Elefand“-Krisenliste der deutschen Botschaft in Israel eingetragen hätten. Ob diese alle nach Deutschland ausreisen wollten, habe der Sprecher nicht sagen können.
Der Ausflugservice der Lufthansa wird übrigens nicht gratis angeboten: Nach einem sogenannten „Landsleutebrief“ der deutschen Botschaft in Israel wird eine Selbstbeteiligung von 300 Euro pro Flug und Person fällig, wie unter anderem die „tagesschau“ berichtet. Diese 300 Euro deckten nur einen Teil des Lufthansa-Reisepreises von 550 Euro pro Person ab. Den Rest übernehme „der Staat“.
Die Buchung erfolge über eine Hotline der Lufthansa, die oft stundenlang besetzt sei und „teils Telefonrechnungen in deutlich vierstelliger Höhe“ verursache, schreibt das zdf. Um überhaupt buchen zu können, müsse man im Besitz einer Kreditkartennummer sein.
CDU: Baerbock verantwortlich für „anhaltendes Chaos“
Jürgen Hardt (CDU), der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, habe die Evakuierungspraxis des Auswärtigen Amtes bereits als „unwürdig“ und „unpraktikabel“ kritisiert. Baerbock habe „versucht, das Problem der Ausreise mit möglichst wenig eigenem Aufwand an die Lufthansa auszulagern. Das Ergebnis ist anhaltendes Chaos“, zitiert das ZDF den Außenexperten.
Während viele Deutsche das umkämpfte Land verlassen wollen, kehren offenbar immer mehr Israelis aus aller Welt in ihre Heimat zurück, um ihre Landsleute zu unterstützen.
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