Lobbyisten – die geheimen Drahtzieher in Politik und Wirtschaft
Roland R. Ropers führte ein Interview mit dem Ex-Lobbyisten Dr. jur. Volker Kitz über sein neuestes Buch: „Du machst, was ich will“.
Roland R. Ropers: Ihre zahlreichen Bücher sind Bestseller, zusammen mit dem Psychologen Dr. Manuel Tusch geben Sie Coaching-Seminare und haben auch eine eigene Bühnenshow. Sie sind der Erfinder des Psychotainments. Ihr aktuellstes Buch „Du machst, was ich will“ hat in kürzester Zeit zwei weitere Auflagen erforderlich gemacht. Die Leser sind neugierig und begeistert. Kann man den Beruf des Lobbyisten wie ein Zauberkunststück erlernen? Wo überschreitet man mit seiner Suggestionskraft die Grenze von Wahrhaftigkeit?
Volker Kitz: Viele Lobbyisten sind Juristen, weil man da gelernt hat, wie Gesetze und Gesetzgebungsverfahren funktionieren. So war es auch bei mir. Zu meiner ersten Stelle kam ich völlig unspektakulär über eine Stellenanzeige in der „Neuen Juristischen Wochenschrift“. Ein Lobbyist wird ja nicht, wie viele meinen, in dunklen Hinterzimmern rekrutiert. Allerdings bekommt man im Jurastudium beigebracht, mit Argumenten zu überzeugen. Das wahre Leben lehrt dann, dass Menschen nur sehr selten ihre einmal gebildete Meinung ändern, ganz egal, welche Argumente man ihnen präsentiert. Man lernt, dass es „die Wahrheit“ meist nicht gibt; jeder hat seine eigene. Der Lobbyismus ist daher die Kunst der menschlichen Beziehungspflege. Das hat nichts mit Suggestion zu tun – es geht darum, Menschen menschlich zu behandeln. Deshalb können wir von den Methoden der Lobbyisten auch so viel für unser ganz normales Alltagsleben lernen. Diese Tricks habe ich in meinem Buch gesammelt und für jeden nutzbar gemacht.
Ropers: Sie waren viele Jahre lang als Lobbyist in Brüssel und Berlin für Medien-Unternehmen tätig, diverse aktuelle Gesetze gehen auf Ihre Einflussnahme zurück. Warum führen sachliche Argumente nicht allein zum Erfolg? Welches psychologische Handwerk sollte man beherrschen, um den Gesprächspartner zu einer gewünschten Entscheidung zu bewegen?
Kitz: Sachargumente kann man vergessen. Wie oft passiert es nach Bundestagsdebatten, dass jemand seine Meinung ändert und sagt, die Argumente hätten ihn überzeugt? Auch Ehepaare streiten jahrelang mit den gleichen Argumenten über die gleiche Sache und nichts bewegt sich. Was zählt, ist die einfache Regel: Wer Sie mag, der hilft Ihnen. Statt an seinen Argumenten sollte man also besser an seinen Sympathiewerten arbeiten – dieser Prozess hat in der Psychologie sogar einen eigenen Namen: die Ingratiation. Wie das im Einzelnen funktioniert, davon handelt mein Buch.
Ropers: Ist die von Ihnen erwähnte „paradoxe Intervention“ eine vertretbare Überzeugungstechnik, wenn man das Gegenteil von dem tut, was der andere von einem erwartet? Ein vorgespieltes Lob anstatt einer notwendigen Kritik?
Kitz: Wenn ich Unternehmen berate, fragen mich Führungskräfte oft: „Wie kritisiert man richtig?“ Die Antwort ist ganz einfach: Man kann nicht „richtig“ kritisieren. Niemand hört Kritik gerne, auch wenn er noch so oft betont, wie offen er dafür sei. Wahre Wunder bewirkt es hingegen, bei jemandem die Eigenschaft zu loben, die er erst noch entwickeln soll – wenn also zum Beispiel die Chefin zum Mitarbeiter statt „Seien Sie nicht so unfreundlich zu den Kunden“ sagt: „Ich finde es beeindruckend, wie zuvorkommend Sie unsere Kunden behandeln.“ Der andere wird dann alles tun, um der hohen Meinung, die andere von ihm haben, unbedingt zu entsprechen.
Ropers: Sie sprechen und schreiben vom „Prinzip der reziproken Zuneigung“. Ist dies ein Instrumentarium, um wichtige Kontakte zu bekommen, die dann zu Freundschaften werden können? Brauchen wir Kommunikations- und Selbstdarstellungsmittel wie Facebook und Twitter?
Kitz: Wir alle dürsten nach Liebe und Anerkennung. Hören wir, dass uns jemand mag, dann freuen wir uns so sehr, dass wir ihn umgehend mit Gegenliebe belohnen! Facebook demonstriert uns dieses Prinzip sehr schön: Je öfter Sie bei anderen den „Gefällt mir“-Button drücken, desto mehr „Gefällt mir“-Klicks bekommen Sie selbst. Doch wir lieben unsere Freiheit und hassen Abhängigkeiten. Deshalb mögen wir gerade die Menschen oft am wenigsten, von deren Wohlwollen wir abhängig sind. Das ist fatal. Wenn wir von Facebook lernen, die Aussage „Gefällt mir“, also etwas Nettes, auch im Offline-Leben zum Standard zu machen, kommen wir alle besser miteinander zurecht. Und bekommen öfter, was wir wollen.
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Politiker, Macht und das „Gemeinwohl“
Ropers: Der Literatur-Nobelpreisträger Elias Canetti hat in seinem berühmten Buch „Masse und Macht“ (600 Seiten, 32. Auflage) das Leben der Menschen beschrieben, das eigenartigen Gesetzen folgt, dem oft zwanghaften Mechanismus von Befehl und Gehorsam, was bis zur blinden Unterwerfung einer Diktatur führen kann. Wie bedeutungsvoll ist Ihrer Ansicht nach die Macht der Massen, wie wird sie von den führenden Politikern genutzt?
Kitz: Ich lege in meinem Buch dar, warum es „das Gemeinwohl“ nicht gibt, an das wir so gerne glauben. Jeder Mensch verfolgt seine eigenen Interessen. Das Interesse eines Politikers ist es, (wieder)gewählt zu werden. Dafür braucht er die Wählermasse und versucht deshalb, dieser Masse etwas Gutes zu tun. So sollte es in der Demokratie ja auch sein: dass die Politiker den Willen derjenigen umsetzen, die sie gewählt haben. Den „Vorwurf“, dass manche Politiker sich zu sehr nach Volkes Meinung richten, kann ich unter Demokratiegesichtspunkten nicht nachvollziehen. Umgekehrt wirkt Canettis These vom befreienden Verlust der Individualität wohl heutzutage eher gegen Politiker: Ein Shitstorm im Internet hat schon so manchen Politiker in Not gebracht.
Ropers: Sie haben eine erfolgreiche Bühnen-Show, wo Sie mit interaktiven Live-Experimenten arbeiten? Wie erleben Sie die Trägheit menschlicher Gehirne und die oftmals leichte Verführbarkeit Ihres Publikums?
Kitz: Alles blind zu übernehmen ist sicher ebenso wenig hilfreich wie alles blind abzulehnen. Die meisten unserer Gäste denken allerdings selbst sehr eifrig mit. Sie hören zu und prüfen dann kritisch, welche der Tricks sie in ihrem Leben anwenden können und wollen.
Ropers: Kann unser Volk den ständig wechselnden Versprechungen der Politiker überhaupt noch Vertrauen entgegenbringen? Sind wir möglicherweise bereits Marionetten einer Verwaltungsdiktatur?
Kitz: Hellhörig werden sollten wir, wenn Politiker sich als starke Kämpfer für „das Gemeinwohl“ ausgeben, also vorgeben, sich für alle gleichermaßen einzusetzen. Denn wie sollte das gehen? Jeder Politiker muss sich entscheiden, für welche gesellschaftliche Gruppe er sich einsetzt: Gibt er dem einen, nimmt er dem anderen. Das nennen wir „Klientelpolitik“ und finden es anstößig. Dabei kann Politik immer nur Klientelpolitik sein. In Wirklichkeit ist es doch unseriös, wenn jemand etwas Unmögliches vorgibt tun zu wollen: es „der Allgemeinheit“, also allen, recht zu machen.
Ropers: Vielen Dank für das Interview!
Dr. Volker Kitz hat Jura und Psychologie in Köln und New York studiert und ist als Rechtsanwalt zugelassen. Erfahrungen sammelte er aber auch in ganz anderen Jobs, u. a. als Wissenschaftler, TV-Journalist, Drehbuchautor und Lobbyist.
Kitz & Tusch sind regelmäßige Gäste bei allen großen Fernsehsendern; Hunderte von Zeitungen weltweit haben ihre provokanten Thesen aufgegriffen.
Mit ihrem erfolgreichen Bühnenprogramm sind Kitz & Tusch international auf Tournee.
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