Linke feiert Wahlausgang in Frankreich – Ökonomen fürchten Eskalation der Schuldenpolitik

Vor allem auf der Linken hat das Ergebnis der Parlamentswahlen in Frankreich zu Hause und im Ausland Erleichterung ausgelöst. In der EU begrüßt man das Scheitern des rechten RN. Kritische Stimmen weisen auf das Fehlen klarer Mehrheiten hin und warnen vor Schuldenpolitik.
Die Anhänger des neuen Linksbündnis freuen sich über den Wahlausgang.
Die Anhänger des neuen Linksbündnisses freuen sich über den Wahlausgang.Foto: Jeremias Gonzalez/AP/dpa
Von 8. Juli 2024

Das Resultat der Parlamentswahlen in Frankreich vom Sonntag, 7. Juli, hat vor allem auf der Linken in Europa Erleichterung ausgelöst. Hauptgrund dafür ist, dass der nach dem ersten Durchgang befürchtete Durchmarsch des Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen ausgeblieben ist.

Italiens Oppositionsführerin: „Die Rechte ist schlagbar“

In Spanien sprach Premierminister Pedro Sánchez, der selbst eine Linksregierung führt, von einer positiven Entwicklung. Dabei räumte er zwar ein, dass eine Regierungsbildung in Frankreich schwierig werde. Die Linke ist weit von einer eigenen Parlamentsmehrheit entfernt. Es habe sich aber gelohnt, lange bestehende Differenzen auszuräumen und die Neue Volksfront zu gründen.

Mit Blick auf die jüngste Wahl in Großbritannien äußerte Sánchez:

„In dieser Woche haben zwei der größten Länder Europas den gleichen Weg eingeschlagen wie Spanien vor einem Jahr. Sie haben die extreme Rechte zurückgewiesen und ein entscheidendes Bekenntnis zu einer sozialen Linken abgegeben, die sich mit ernsthafter und mutiger Politik um die Probleme der Menschen kümmert.“

In Italien sprach Oppositionsführerin Elly Schlein von der Demokratischen Partei von einem „außerordentlichen Ergebnis für die vereinigte Linke und eine gute Antwort im Sinne der Partizipation“. Von Frankreichs Wahlen gehe die Botschaft aus:

Die Rechte ist schlagbar.“

Politiker aus SPD, CDU und BSW äußern sich zufrieden mit Resultat in Frankreich

In Deutschland haben sich Politiker unterschiedlicher politischer Lager zum Wahlausgang in Frankreich geäußert. SPD-Außenpolitiker Nils Schmid hatte Präsident Emmanuel Macron noch in der vergangenen Woche Vorwürfe wegen dessen Entscheidung gemacht, neu wählen zu lassen. Nun äußerte er Erleichterung. Es sei „das Schlimmste verhindert worden“, da der RN nicht in der Lage sei, eine Regierungsmehrheit zu bilden.

Der BSW-Europaabgeordnete Fabio De Masi spricht auf X von einer „großen Chance für Frankreich“. Er schätze den Führer von La France Insoumise, Jean-Luc Mélenchon, der einen bedeutenden Pfeiler des Linksbündnisses darstellt, noch aus früheren gemeinsamen Fraktionszeiten.

Der CDU-Politiker und Bundeswirtschaftsminister der Merkel-Ära, Peter Altmaier, beglückwünschte die Franzosen zu einem erfolgreichen Kampf für eine „europäische Politik der Mitte“. Wenn „die Demokraten zusammenhalten“, hätten „die Extremen nirgendwo eine Chance“, so Altmaier.

Im X-Kommentarbereich äußerten mehrere Kommentatoren ihr Befremden über diese Einschätzung Altmaiers. Sie wiesen insbesondere darauf hin, dass mit Mélenchon ein Politiker in der Linken Einfluss habe, der die EU ablehne, einen NATO-Austritt befürworte und ein „Deutschlandhasser“ sei. Keine Reaktion auf das Ergebnis gab es aus der AfD-Spitze. Einzelne Parteimitglieder äußerten jedoch Schadenfreude mit Blick auf Marine Le Pen, was eine Reaktion auf deren Beendigung der Fraktionsgemeinschaft mit der Partei auf EU-Ebene sein dürfte.

Tusk legt dem Kreml Reaktionen in den Mund

Polens Premierminister Donald Tusk konstruierte derweil aus dem französischen Wahlergebnis ein Votum für eine weitere Unterstützung der Ukraine. Er sagte:

„Enthusiasmus in Paris, Enttäuschung in Moskau, Erleichterung in Kiew. Grund genug zur Freude in Warschau.”

Tatsächlich hat sich in Moskau bislang kein führender Politiker über den Ausgang der Wahl in Frankreich geäußert. Staatliche russische Medien berichteten über den Wahlausgang, ohne Wertungen vorzunehmen. Eine deutlich größere Rolle in der russischen Medienberichterstattung als die Wahl in Frankreich spielten Ereignisse wie der bevorstehende Besuch von Staatspräsident Wladimir Putin in Indien und die diplomatischen Bemühungen von Ungarns Premier Viktor Orbán.

Hingegen hat ein enger Freund von Russlands Präsident Wladimir Putin, Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, seine Freude über das Resultat zum Ausdruck gebracht. Er lobte die „Reife“ der politischen Kräfte in Frankreich und meinte, dieses und das britische Ergebnis sollten „eine Inspiration für Südamerika sein“.

„Es ist der Sozialismus, der Europa vor dem Faschismus retten wird“

Auch abseits der politischen Klasse äußern sich Social-Media-Nutzer aus aller Welt zum Wahlausgang in Frankreich. Der britische Gewerkschafter und frühere Labour-Funktionär Howard Beckett feiert auf X den Erfolg der Linken und postet ein Video des Insoumise-Führers Jean-Luc Mélenchon. Dazu kommentiert er: „Es ist der Sozialismus, der Europa vor dem Faschismus retten wird.“

Sein gleichgesinnter Kollege Neil Findlay führt zentrale Forderungen des Linksbündnisses im sozialen Bereich auf und meint, diese seien es, die der Rechten Furcht einflößten.

Allerdings ist es fraglich, ob die Linke in der französischen Nationalversammlung eine Mehrheit für diese Maßnahmen mobilisieren kann. Neben ihr hatte nur der Rassemblement National die Rentenreform von Präsident Macron rundweg abgelehnt. Ob die Linke ausgerechnet mit den Rechten paktieren wird, um diese zu torpedieren, ist unwahrscheinlich.

Skepsis bei Ökonomen – Frankreich könnte zum Problem für die Eurozone werden

Kritisch äußert sich auch der Leipziger Ökonom Gunther Schnabl zum Resultat. Er hält es für möglich, dass Frankreich „nach der Wahl sein Schuldenproblem eskalieren lassen und auf finanzpolitischen Konfrontationskurs mit Brüssel gehen“ könnte.

Javier Lanari, der Pressesekretär des argentinischen Präsidenten Javier Milei, hat das politische System in Frankreich mit jenem des Kirchner-Clans in Argentinien verglichen. Auf X schreibt er:

„Der französische Kirchnerismus will das Rentenalter (auf 60 Jahre) senken. Nur drei Millionen Menschen ohne Beiträge müssten in Rente gehen und neun von zehn würden durch Moratorien in den Rentengenuss kommen. In ein paar Jahren werden sie das System komplett kaputt machen…“



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