Le-Pen-Urteil: Ein ähnlicher Fall führte zu Freispruch für Premierminister Bayrou

Frankreichs Politik in Aufruhr: Die Debatte über das Gerichtsurteil reißt nicht ab. Während Präsident Macron und Minister schweigen, stellen Sozialisten die Gewaltenteilung in Frage. Das Gericht will bis Sommer 2026 über die Berufung urteilen.
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Die Fraktionsvorsitzende des Rassemblement National (RN), Marine Le Pen, am 31. März 2025 nach der Verurteilung.Foto: Bastien Ohier/Hans Lucas/AFP via Getty Images
Von 2. April 2025

Frankreichs Minister schwieg zum Urteil gegen Marine Le Pen. Auch Präsident Emmanuel Macron äußerte sich nicht – anders als François Bayrou, den Macron im Dezember 2024 als Premierminister ernannt hatte.

Bayrou zeigte sich „beunruhigt über die Verkündung des Urteils“, das Le Pen mit sofortiger Wirkung fünf Jahre von Wahlen ausschließt, wie sein Umfeld mitteilte. Das Urteil rief in der Sozialistischen Partei Sorgen um „Gewaltenteilung“ und „Rechtsstaatlichkeit“ hervor.

Ein ähnlicher Fall führte zu Bayrous Freispruch

Der Regierungschef selbst wollte jedoch keine Gerichtsentscheidung kommentieren. Im Januar 2024 war Bayrou in einem ähnlichen Verfahren seiner zentristischen Partei Demokratische Bewegung (Mouvement Démocrate, kurz MoDem) in erster Instanz freigesprochen worden.

Es wurde behauptet, dass Assistenten, die offiziell für Europaabgeordnete angestellt waren, tatsächlich für die Partei gearbeitet hätten. Das könnte als Missbrauch von EU-Geldern gewertet werden. Der damalige Parteichef Bayrou wurde in dubio pro reo freigesprochen, die Partei und fünf weitere ehemalige Europaabgeordnete seiner Partei jedoch verurteilt.

Damals sagte Bayrou, dass die Verfahren gegen die MoDem und den Rassemblement National (RN) auf „ungerechtfertigten Anschuldigungen“ beruhten. Er kritisierte zudem, dass Urteile gefällt würden, ohne Berufungsmöglichkeiten zuzulassen.

Le Pen kann gegen ihre sofortige Nichtwählbarkeit nicht vorgehen. Ihr Anwalt kündigte jedoch Berufung gegen die Verurteilung an.

Ein Gesetz, das Fragen aufwirft

Marc Fesneau, die Nummer zwei der MoDem und enger Vertrauter Bayrous, erklärte, die Strafe der Nichtwählbarkeit stehe „im Einklang“ mit dem Gesetz. Es sei jedoch „nicht Aufgabe der gewählten Politiker, Gerichtsentscheidungen infrage zu stellen“.

Gleichzeitig plädiert er für eine Debatte über das Gesetz. „Kann man einen gewählten Volksvertreter in erster Instanz mit sofortiger Vollstreckung seiner Strafe verurteilen, auf die Gefahr hin, ihn vor jeder Form der Berufung endgültig zu verurteilen?“, fragte er.

Debattiert wird über ein Ausnahmegesetz, welches das Kandidaturverbot für Le Pen aufheben würde. Der mit Le Pen verbündete Abgeordnete Eric Ciotti hatte gestern einen entsprechenden Gesetzentwurf angekündigt. Der Gesetzentwurf könne im Juni eingebracht werden, so Ciotti. Er begründete diesen Schritt damit, dass die „sofortige Geltung“ der Nichtwählbarkeit einer „politischen Todesstrafe“ gleichkomme.

Xavier Bertrand, Regionalpräsident, sagte den Medien, es sei „undenkbar, eine Ausnahmeregel zu verabschieden, um Frau Le Pen zu retten“. Damit würde sich die Nationalversammlung an die Stelle des Berufungsgerichts setzen und die „Justiz hintergehen“.

Hollande: „Unsere Pflicht ist es, nicht zu denken, dass die Richter Politik gemacht haben“

Olivier Faure, Chef der Sozialistischen Partei, erklärte, dass er „beunruhigt sei über diese primär-ministerielle Unruhe“ und bedauerte auf X, dass „Achtung des Gesetzes, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung offensichtlich nicht mehr auf der Tagesordnung der Regierung stehen“.

Er relativierte das Urteil: Le Pen könne Berufung einlegen, bleibe Abgeordnete und der RN werde 2027 bei den Präsidentschaftswahlen antreten.

Auch der ehemalige sozialistische Präsident François Hollande äußerte sich auf BFMTV. Der Premierminister müsse durch das Urteil gegen Marine Le Pen „nicht beunruhigt“ sein.

„Als Premierminister einer Republik und Hüter des Gesetzes muss man akzeptieren, dass die Gerichte unabhängig entscheiden“, argumentierte er. „Unsere Pflicht ist es, nicht zu denken, dass die Richter Politik gemacht haben. Sie haben Recht gesprochen.“

Marine Le Pen darf ab sofort fünf Jahre nicht bei Wahlen antreten. Zudem erhielt sie eine vierjährige Haftstrafe, von der sie zwei Jahre mit elektronischer Fußfessel absitzen muss, sowie eine Geldstrafe in Höhe von 100.000 Euro.

Das Pariser Berufungsgericht will bis Sommer 2026 über ihren Einspruch entscheiden. Sollte das Urteil aufgehoben werden, könnte Le Pen bei der Präsidentschaftswahl am 11. oder 18. April 2027 antreten. Berufungsprozesse dauern in der Regel lange.

Das Gericht bestätigte den Eingang von drei Berufungen, die rechtzeitig geprüft werden sollen, um „eine Entscheidung bis Sommer 2026 zu ermöglichen“.

Le Pen nannte dies in einem Interview mit „Le Parisien“ eine „sehr gute Nachricht“.

Streit um Nichtwählbarkeit

Am meisten diskutiert wird die sofortige Nichtwählbarkeit Le Pen. Diese Strafe tritt direkt in Kraft, anders als die teilweise auf Bewährung ausgesetzte Haftstrafe.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Le Pen und 23 Mitangeklagte zwischen 2004 und 2016 Gehälter von EU-Parlamentsassistenten veruntreut und dafür genutzt hatten, die RN-Parteifinanzen aufzubessern.

RN-Anwalt David Dassa-Le Deist erklärte, zwei Berufungen eingelegt zu haben – eine für die Partei und eine für den ehemaligen Schatzmeister Wallerand de Saint-Just. Die 24 Verurteilten haben zehn Tage Zeit, Berufung einzulegen.

Parteichef Jordan Bardella sprach von einer „Tyrannei der Richter“. „Es wird alles getan, uns daran zu hindern, an die Macht zu kommen“, sagte er dem Sender „Cnews“. Seine Partei plane „friedliche Proteste“, die am Sonntag mit einer Demonstration in Paris beginnen sollen.

(Mit Material der Agenturen und der Epoch Times Frankreich)



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