Labour-Chef Starmer: Menschenrechtsanwalt auf dem Weg zum Premier

„Erst das Land, dann die Partei“, lautet das Mantra von Keir Starmer. Der Chef der Labour-Partei gilt als der kommende Premierminister. Am 4. Juli wird gewählt.
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Labour-Chef Sir Keir Starmer und Schattenkanzlerin Rachel Reeves stellen am 17. Juni 2024 im Hafen von Southampton die Pläne der Labour Party für grüne Investitionen vor. Ein grüner Investitionsplan soll 650.000 neue Arbeitsplätze schaffen.Foto: Carl Court/Getty Images
Epoch Times18. Juni 2024

Seine Wahlkampagne ist bewusst unspektakulär, sein Auftritt nüchtern. „Ich kandidiere als Premierminister, nicht als Zirkusdirektor“, sagt Keir Starmer. Der Chef der Labour-Partei steht für die Rückkehr zu Seriosität in der britischen Politik.

Und danach scheinen sich die Briten nach 14 Jahren teils chaotischer Regierung der Konservativen zu sehnen: Die Sozialdemokraten gehen mit rund 20 Prozentpunkten Vorsprung in die Parlamentswahl am 4. Juli.

Zwischen Geige und Jura

Starmer ist auf dem besten Weg, in Downing Street Number 10 einzuziehen – was bis vor wenigen Jahren kaum jemand für möglich gehalten hätte. Der 61-Jährige ist ein Spätberufener der Politik, seine Karriere startete er als Jurist.

Starmer wurde am 2. September 1962 geboren und wuchs mit drei Geschwistern in einem beengten Reihenhaus am Stadtrand von London auf. Der Vater Werkzeugmacher, die Mutter Krankenschwester und selbst schwer krank. Ihrem Sohn gaben sie den ungewöhnlichen Vornamen Keir – eine Hommage an den Labour-Gründer Keir Hardie.

„Ich weiß, wie es ist, wenn man sich schämt, seine Freunde nach Hause zu bringen, weil der Teppich ausgetreten und die Fenster gesprungen sind“, erzählt Starmer von seiner Kindheit und widerspricht damit seinen Gegnern, die ihn als Teil einer selbstgefälligen liberalen Londoner Elite darstellen.

In der Schule lernte er zusammen mit Norman Cook, dem späteren DJ Fatboy Slim, Geige. Am Wochenende besuchte er eine renommierte Londoner Musikschule. Starmer studierte in Leeds und Oxford Jura und wurde Menschenrechtsanwalt. Er verteidigte Gewerkschaften, legte sich mit McDonald’s an und setzte sich für zum Tode Verurteilte in der Karibik ein. Mit der prominenten Menschenrechtsanwältin Amal Clooney ist er seit ihrer gemeinsamen Zeit in einer Kanzlei befreundet.

Kollegen und Freunde waren überrascht, als Starmer sich 2003 Richtung Establishment zu bewegen begann. In seinem neuen Job sollte er dafür sorgen, dass die Polizei in Nordirland die Menschenrechte einhielt.

Starmer wurde 2022 zum Ritter geschlagen

Fünf Jahre später ernannte die damalige Labour-Regierung ihn zum Generalstaatsanwalt für England und Wales. Bis 2013 sorgte er für die Strafverfolgung von Abgeordneten, die ihre Spesen missbrauchten, Journalisten, die Telefone abhörten und der jungen Randalierer der Unruhen von 2011. Königin Elizabeth II. schlug Starmer 2022 zum Ritter, den Titel „Sir“ verwendet er jedoch kaum.

2015 dann das erste politische Amt: Zwei Wochen nach dem Tod seiner Mutter wurde er in einem linken Wahlkreis im Norden Londons ins Parlament gewählt. Ein Jahr später beteiligte Starmer sich an der erfolglosen Rebellion gegen den linken Parteivorsitzenden Jeremy Corbyn.

Dennoch wurde er zum Labour-Sprecher für den Brexit – gegen den er gestimmt hatte –, bevor er im April 2020 Corbyn an der Parteispitze ablöste. Seitdem rückte er Labour deutlich Richtung Mitte und kämpfte gegen den Antisemitismus in der Partei, was zum Ausschluss Corbyns führte.

Gründlicher Manager

Seine Kritiker halten den Oppositionsführer mit den grauen Haaren und der schwarzen Brille für einen farblosen Opportunisten. Seine Anhänger hingegen loben Starmer als pragmatischen Manager, der seine Arbeit als Premier genauso unermüdlich und gründlich angehen wird wie seine juristische Laufbahn.

Im Rampenlicht scheint sich Starmer manchmal immer noch unwohl zu fühlen. Doch er bemüht sich, sein Image als steifer Langweiler abzulegen. „In der Politik geht es ums Dienen“, sagte er kürzlich in einer Wahlkampfrede. „Erst das Land, dann die Partei“, lautet sein Mantra.

Als Regierungschef warten große Herausforderungen auf Starmer, die seine fünf konservativen Vorgänger nicht meistern konnten.

Doch die größte Sorge des Labour-Politikers bei einem Einzug in die Downing Street gilt seinen beiden Teenagern, die er wie seine Frau Victoria aus dem Wahlkampf heraushält: „Sie sind in einem schwierigen Alter“, sagte er. „Meine einzige Angst ist, wie sich das auf sie auswirken wird.“ (afp/red)



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