Kritik an Frankreichs Regierung nach „Gelbwesten“-Krawallen – Le Pen fordert Auflösung linksextremer Gruppen
Nach den erneuten Krawallen bei „Gelbwesten“-Protesten gerät die französische Regierung unter Druck. Innenminister Christophe Castaner und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire müssen sich am Dienstag vor dem Senat erklären.
Oppositionspolitiker werfen der Regierung eine Ohnmacht des Staates vor und fordern Antworten. Am Samstag hatte es bei „Gelbwesten“-Demonstrationen erneut schwere Ausschreitungen gegeben. Rund um den Prachtboulevard Champs-Élysées wurden Läden geplündert, Restaurants demoliert und Autos angezündet. Ein Wohnhaus ging in Flammen auf, mehrere Menschen wurden verletzt.
Zuletzt war es dort Ende vergangenen Jahres zu heftigen Krawallen gekommen, der Zulauf bei den „Gelbwesten“-Demonstrationen nahm in den vergangenen Wochen aber deutlich ab. Deshalb hatten Führungsfiguren einhellig dazu aufgerufen, in Paris Stärke zu zeigen.
Le Maire und Castaner müssen nun vor dem Rechts- und Wirtschaftsausschuss des Senats die „große Gewalt und Erniedrigung“ erklären. Sie sollen „über die Mittel zur Bewältigung dieser Probleme und über die Folgen dieser neuen Verschlechterungen für die Handelssituation und die wirtschaftliche Attraktivität unseres Landes angehört werden“, hieß es in einer Mitteilung, die mehreren französischen Medien vorlag.
Nach Ansicht von François-Xavier Bellamy, der die Liste der konservativen Republikaner für die Europawahlen anführt, ist allein der Staat für „die Niederlage der Sicherheitskräfte gegen die randalierenden Banden“ verantwortlich. Es handele sich um eine Machtlosigkeit des Staates. Rechtspopulistin Marine Le Pen forderte Präsident Emmanuel Macron auf, linksextreme Gruppen aufzulösen, die sie für die Krawalle verantwortlich macht.
Besonders die Ladenbesitzer auf den Champs-Élysées wurden von den jüngsten Ausschreitungen erneut wirtschaftlich schwer getroffen. Zuletzt mussten sie in der Vorweihnachtszeit wegen der Proteste ihre Läden regelmäßig schließen.
Auf den ersten Blick seien rund 50 Läden beschädigt worden, sagte Jean-Noël Reinhardt, Vorsitzender des Comité Champs-Élysées, dem Nachrichtenportal „20 minutes“. Doch es gebe auch einen immensen immateriellen Schaden – einen Imageverlust. Die Champs-Elysées gehörten zum kollektiven Gedächtnis jedes Franzosen, so Reinhardt. Die Leute, die sie täglich aufsuchten, müssten sich dort sicher fühlen.
Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hildalgo forderte eine Erklärung der Regierung. „Wir befinden uns inmitten einer großen sozialen und politischen Krise. (…) Wir können so nicht mehr weitermachen!“, sagte sie der Zeitung „Le Parisien“.
Präsident Macron hatte am Samstag eine Skireise abgebrochen, um noch am Abend an einer Krisensitzung teilzunehmen. Er kündigte „harte Entscheidungen“ an, um solche Ausschreitungen künftig zu verhindern. Alle, die auf den Champs-Élysées waren, hätten sich zu Komplizen gemacht, so Macron. Man habe zwar seit November viel getan, aber das reiche offensichtlich nicht aus.
Er hatte im Zuge der „Gelbwesten“-Proteste bereits das umstrittene „Anti-Randalierer-Gesetz“ auf den Weg gebracht. Es erleichtert Demonstrationsverbote und beinhaltet verschärfte Sanktionen gegen Vermummte. Kritiker sehen die Grundrechte in Gefahr – auch in Macrons eigenen Reihen hatten sich viele gegen das Gesetz ausgesprochen, das die Nationalversammlung im Februar billigte. Auch der Senat stimmte im März zu.
Premierminister Édouard Philippe will Macron nun am Montag Vorschläge zur Verbesserung des Sicherheitskonzepts machen. Er gestand „Dysfunktionen“ bei den Krawallen am Wochenende ein.
Die erneute Eskalation nach verhältnismäßig ruhigen Demonstrationswochenenden kam ausgerechnet einen Tag nach dem Ende der Bürgerdebatte, die Macron zur Beruhigung der Krise ins Leben gerufen hatte.
Es ist das 18. Wochenende in Folge, an dem die Bewegung demonstrierte – der Protest hatte sich an der geplanten Erhöhung der Spritpreise entzündet – wurde dann aber viel weitgehender. Die „Gelbwesten“ errichteten Straßensperren und gingen – häufig auch ganz friedlich – gegen die von ihnen als zu niedrig empfundene Kaufkraft und Steuer-Ungerechtigkeit auf die Straße. (dpa)
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