Krieg statt Klima: EU verschiebt ihre Prioritäten
Noch vor wenigen Jahren war der Green Deal die oberste Priorität der EU. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen tönte, Europa werde „der erste klimaneutrale Kontinent“ – und musste sich trotzdem noch von Greta Thunberg belehren lassen, dass die Klimaziele nicht ambitioniert genug seien.
Mittlerweile scheinen sich die Zeiten geändert zu haben. Die „Fridays for Future“-Gründerin ist nach israelfeindlichen Ausritten keine Person mehr, mit der man sich in Brüssel gerne sehen lässt. Und nach Auffassung der EU-Führung ist die Dringlichkeit zur Rettung der Umwelt der Wehrtüchtigkeit für einen möglichen Krieg mit Russland gewichen. Bereits in der „Strategischen Agenda“ für die Jahre 2024 bis 2029, die im Juni beschlossen werden soll, wird sich das Berichten zufolge widerspiegeln.
Prioritätenliste der EU erfährt umfassende Änderungen
Bei dem Papier handelt es sich um eine von Kommission und Regierungschefs gemeinsam festgelegte Verständigung über allgemeine politische Leitlinien und Zielvorstellungen. Dabei wird auch eine Prioritätenliste festgelegt. Federführend bei dem Prozess ist der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel.
Wie es vonseiten der EU selbst heißt, wurden die künftigen Prioritäten bereits am 6. Oktober des Vorjahres im spanischen Granada ausgelotet. Zu diesen gehören nun die Agenden „Sicherheit und Verteidigung“, „Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit“, „Energie“, „Migration“, „globales Engagement“ und „Erweiterung“.
Fünf Jahre zuvor hatten die Prioritäten noch gelautet: „Green Deal“, „Digitalisierung“, „Investitionen“, „stärkeres Europa“, „Förderung unserer europäischen Lebensweise“ und „Neuer Schwung für die Demokratie“.
Vormalige Prioritäten treten ins zweite Glied zurück
Einige Punkte sind nicht von der Agenda verschwunden. So will man als „stärkeres Europa“ auch künftig eine „regelbasierte internationale Ordnung“ mit den Vereinten Nationen als Mittelpunkt vorantreiben.
Die „Abwehr von ausländischer Informationsmanipulation“ ist nun nicht mehr Teil der Priorität einer „Demokratisierung“ – sondern ein Unterbereich des Punktes „Sicherheit und Verteidigung“. Auch sind „grüner und digitaler Wandel“, „Energie- und Ressourceneffizienz“ und „Anpassung an den Klimawandel“ nach wie vor noch Anliegen.
Allerdings klingt „Anpassung“ an den Klimawandel rein semantisch schon deutlich weniger ehrgeizig als die „Entwicklung eines neuen Wirtschaftsmodells“ – die noch 2019 mit der „Grünen industriellen Revolution“ verbunden sein sollte. Zudem sind die Klimaschutzagenden künftig keine eigene Priorität mehr, sondern nur noch Teile des übergeordneten Themenbereiches „Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit“.
Die Stärkung der „Widerstandsfähigkeit und langfristigen Wettbewerbsfähigkeit der EU“ ein „kohärenter, innovationsorientierter und vernetzter Binnenmarkt“ sind diesen ab sofort nicht mehr untergeordnet.
Umweltgruppen sind von neuer Strategie der EU enttäuscht
Nach den ersten Konsultationsrunden in Berlin, Kopenhagen, Zagreb und Paris soll es im April 2024 noch weitere in Vilnius, Bukarest, Warschau und Wien geben. Dort geht es allerdings nur noch um eine Vertiefung der „Erörterungen über zentrale Fragen, die mit den entsprechenden Maßnahmen, der Finanzierung und Beschlussfassung zusammenhängen“. Von möglichen Verschiebungen der Prioritätenliste als solcher ist nicht mehr die Rede.
„Politico“, fiel in ihrer jüngsten Berichterstattung über die geplante Beschlussfassung auf, dass das Wort „environment“ in der englischsprachigen Version nur einmal vorkomme. Und das nicht in der Bedeutung von Umwelt, sondern von „business environment“ – also wirtschaftlichem Umfeld.
Eine explizite Referenz auf den „Green Deal“ finde sich in der Beschlussvorlage überhaupt nicht mehr, beklagen Umweltgruppen. Auch suche man nach der Benennung des Klimawandels als „existenzieller Bedrohung“ vergeblich. Ariadna Rodrigo von Greenpeace erklärt zu dem Entwurf der Strategischen Agenda:
„Dieser Plan beinhaltet eine militärische Strategie des 20. Jahrhunderts, um die Menschen vor den Sicherheitsbedrohungen des 21. Jahrhunderts zu schützen. Aber man kann auf keinen Waldbrand schießen und keine Flut bombardieren.“
„Zugeständnis an die extreme Rechte“
Im Entwurf zur Strategischen Agenda wird zwar auf Investitionen in Stromnetze, erneuerbare Energien oder Forschung als Wege zur Klimaneutralität Bezug genommen. Allerdings ist anders als 2019 von einer „nachhaltigen Landwirtschaft“ nicht mehr die Rede. Stattdessen heißt es, man wolle „unsere Ernährungssicherheit durch einen dynamischen Agrarsektor gewährleisten“.
Gerade in den vergangenen Monaten hätten wissenschaftliche Einrichtungen besonders vehement vor den Folgen des Klimawandels gewarnt, erwähnt „Politico“. Die Europäische Umweltagentur rief die EU dazu auf, sich auf die Gefahren eines heißeren Planeten vorzubereiten. Sie forderte die EU-Kommission dazu auf, etwas gegen die „Umweltverschmutzung durch die Landwirtschaft“ zu unternehmen.
Dennoch seien es offenbar die Bauernproteste, die ihre Wirkung auf die Formulierung des EU-Entwurfs entfaltet hätten. Das Europäische Umweltbüro nannte den Entwurf „ein großes Zugeständnis an die extreme Rechte“. Christiane Lambert, Präsidentin des Landwirtschafts-Dachverbandes Copa-Cogeca, begrüßte hingegen, dass Ernährungssicherheit eine größere Wertigkeit habe als „Dogmen“.
Migration als „hybride Bedrohung“ instrumentalisiert
Statt der „Transformation“ hin zu einer grünen Wirtschaft wird stattdessen die „europäische Verteidigungsbereitschaft“ in dem Dokument an vorderster Stelle angesprochen. Der „russische Angriffskrieg“ in der Ukraine habe die Gemeinschaft enger zusammengeschweißt, lobt sich die EU selbst, und man habe durch „entschiedenes Handeln“ seine „strategischen Fähigkeiten gestärkt“ und gleichzeitig die eigenen Bürger sowie Volkswirtschaften geschützt.
Zudem wolle man im Bereich der Migration „nicht zulassen, dass Schleuser entscheiden, wer in die EU gelangt“. So hatte es bereits Ratspräsident Michel im Oktober 2023 formuliert. Im „Einklang mit internationalem Recht sowie den Grundsätzen und Werten der EU“ wolle man nun ein „umfassendes Migrationskonzept“ auf den Weg bringen.
Dazu gehörten unter anderem ein wirksamer Schutz der EU-Außengrenzen, Partnerschaften mit Herkunfts- und Transitländern und die Bekämpfung der Ursachen von Migration. Außerdem wolle die EU gegen „organisierte Kriminalität, Menschenhandel und Schleusung“ sowie die „Instrumentalisierung der Migration als hybride Bedrohung“ vorgehen.
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