Krieg gegen die Ukraine: Putin nennt Warnung vor Angriff auf NATO „Blödsinn“
Kremlchef Wladimir Putin hat Befürchtungen des Westens vor einem möglichen Angriff Russlands auf einen Mitgliedsstaat der NATO als „völligen Blödsinn“ zurückgewiesen.
US-Präsident Joe Biden benutze solche Warnungen, um von Fehlern in seiner Russland-Politik abzulenken, sagte Putin dem russischen Staatsfernsehen in einem am Sonntag veröffentlichten Interview zu der Frage, ob Russland ein NATO-Land überfallen werde.
Biden selbst verstehe, dass „Russland keine Gründe, kein Interesse – weder geopolitisch noch wirtschaftlich noch militärisch – hat, mit Staaten der NATO zu kämpfen“, sagte Putin.
„Wir haben keine territorialen Ansprüche aneinander, keinen Wunsch, unsere Beziehungen mit ihnen zu verderben“, sagte Putin mit Blick auf die NATO-Staaten.
Der Kremlchef hatte immer wieder vor einer Ausdehnung der NATO nach Osten bis an Grenzen Russlands gewarnt. Mit seinem Überfall auf die Ukraine will er auch einen NATO-Beitritt des Nachbarlandes verhindern.
Dutzende Gefechte an der Front
Nach mehreren Tagen und Nächten mit russischen Luftangriffen auf die Ukraine lobte Staatschef Wolodymyr Selenskyj die Arbeit der ukrainischen Flugabwehr.
In einer Woche seien 104 von 112 angreifenden Shahed-Drohnen abgefangen worden, sagte Selenskyj in seinem Video am Samstag. „Und die Zerstörung jeder einzelnen bedeutet, dass Leben und Infrastruktur gerettet wurden“, sagte er und dankte allen Soldaten der Flugabwehr.
Auch in der Nacht auf Sonntag herrschte über weiten Teilen der Ostukraine Luftalarm. Russische Drohnen seien von Osten und von Süden in den ukrainischen Luftraum eingedrungen, teilte die Luftwaffe in Kiew mit.
Der ukrainische Generalstab berichtete unterdessen von Gefechten am Boden. Ausländische Experten wie das Institut für Kriegsstudien (ISW) in den USA beobachten, dass Russland mit seinen Vorstößen Geländegewinne erzielt. Im Abendbericht des Generalstabs war die Rede von 71 Gefechten – ein leichter Rückgang nach 82 Gefechten am Freitag. Die Militärangaben sind nicht unabhängig überprüfbar.
Die russischen Truppen sind nach ISW-Einschätzung seit Tagen in der Offensive und rücken vor.
Von ukrainischen Offensivaktionen ist in den Generalstabsberichten schon seit geraumer Zeit keine Rede mehr. Nach dem weitgehenden Fehlschlag der Sommeroffensive richten sich die Kiewer Truppen auf Verteidigung ein.
Flugabwehrgeräte bewähren sich in der Ukraine
Zu den Erfolgen der Flugabwehr zählte Selenskyj, dass in der vergangenen Woche ballistische Raketen aus Russland vom Himmel geholt worden seien. „Die von unseren Partnern zur Verfügung gestellten Patriots, Nasams, Geparden und anderen Systeme funktionieren perfekt“, sagte er. Zugleich komme es darauf an, die Luftverteidigung über der Ukraine weiter zu verbessern, sagte der Staatschef. Dies sei bei fast jedem seiner Kontakte mit ausländischen Partnern ein Thema.
In den vergangenen Nächten griff Russland mit Schwärmen von Kampfdrohnen an. Ziel sind wie im vergangenen Winter oft Anlagen der Energieversorgung.
Kiew fahndet nach Moskauer Patriarchen Kirill
Im Kampf gegen den Einfluss der russisch-orthodoxen Kirche hat die Ukraine den Moskauer Patriarchen Kirill zur Fahndung ausgeschrieben. Vorgeworfen wird ihm, einer der Hauptunterstützer des russischen Angriffskrieges zu sein. Das Innenministerium in Kiew setzte den Kirchenführer mit bürgerlichem Namen Wladimir Gundjajew auf die Liste gesuchter Personen. Als Aufenthaltsort wurde Moskau angegeben.
Kirill steht klar hinter dem von Kremlchef Wladimir Putin befohlenen Angriffskrieg auf die Ukraine. Wie dieser beharrt er auf einen Herrschaftsanspruch Russlands über die Nachbarländer, in denen Russen leben. In der Ukraine hat er immer noch Einfluss auf die Priester und Gemeinden, die sich zum Moskauer Patriarchat bekennen.
Kuleba lobt Kanzler Scholz und will mehr Führung
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba lobte das Engagement von Bundeskanzler Olaf Scholz für die Ukraine auf dem jüngsten EU-Gipfel.
„Was Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem Gipfel tat, um das drohende ungarische Veto zu beseitigen, wird als ein Akt deutscher Führung im Interesse Europas in die Geschichte eingehen“, sagte Kuleba der „Bild am Sonntag“. Zugleich forderte Kuleba mehr deutsche Führung.
„Ich kann nur hoffen, dass dies auch eine breitere und unumkehrbare Kehrtwende in der deutschen Haltung zur Führung der Bemühungen um die Lösung der kompliziertesten Fragen bedeutet“, sagte er.
Der Streit über EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine galt bis zum Gipfel als festgefahren, weil sich Ungarn sperrte. Als Lösung schlug Scholz dem Ministerpräsidenten Viktor Orbán vor, die Sitzung für die Abstimmung zu verlassen. Dies ermöglichte den anderen Staats- und Regierungschefs die erforderliche Einvernehmlichkeit. (dpa/red)
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