Kreml bestätigt: „Tiergarten-Mörder“ ist Geheimdienst-Agent
Nach dem größten Gefangenenaustausch zwischen Russland und dem Westen seit dem Kalten Krieg hat Moskau die Tätigkeit des freigelassenen Tiergarten-Mörders Vadim Krasikow für den russischen Geheimdienst FSB enthüllt. Auch bei zwei weiteren Freigelassenen handele es sich um russische Agenten, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Freitag in Moskau. Der bislang in Deutschland inhaftierte Krasikow galt als „Schlüssel“ für den Austausch, bei dem unter anderen der US-Reporter Evan Gershkovich und mehrere russische Oppositionspolitiker frei kamen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kam dabei nach US-Angaben eine entscheidende Rolle zu.
Krasikow als Schlüsselfigur
Russland und sein Verbündeter Belarus sowie auf der anderen Seite Deutschland, die USA und drei weitere NATO-Staaten hatten den Gefangenenaustausch am Donnerstagnachmittag in der türkischen Hauptstadt Ankara vollzogen. Russland ließ 15 Inhaftierte frei, unter ihnen vier Gefangene mit deutschem Pass.
Auch die Freilassung eines in Belarus zunächst zum Tode verurteilten und später begnadigten Deutschen konnte erreicht werden. Bei den Deutschen handelt es sich nach AFP-Informationen um Kevin Lick, Dieter Voronin, German Moyzhes, Patrick Schöbel und Rico Krieger.
Nach Angaben des russischen Geheimdienstes FSB konnten im Gegenzug acht russische Häftlinge und zwei Minderjährige nach Russland zurückkehren. Zu den Häftlingen zählte der sogenannte Tiergarten-Mörder Krasikow. Er war Ende 2021 zu lebenslanger Haft in Deutschland verurteilt worden, weil er im August 2019 einen tschetschenischstämmigen Georgier im Kleinen Tiergarten in der Hauptstadt erschossen hatte.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Krasikow den Mord im Auftrag staatlicher russischer Stellen begangen hatte. Der Angeklagte hatte sich als unbescholtener Ingenieur ausgegeben.
Kreml-Sprecher Peskow sagte nun, Krasikow habe der FSB-Eliteeinheit „Alpha“ angehört. Der 58-Jährige habe „mit mehreren (derzeitigen) Beschäftigten für den Sicherheitsdienst des Präsidenten gearbeitet“.
Biden dankt Scholz für „aufrichtige Freundschaft“
„Niemand hat sich die Entscheidung einfach gemacht, einen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Mörder nur nach wenigen Jahren der Haft abzuschieben“, erklärte Bundeskanzler Scholz am Flughafen Köln/Bonn, wo er in der Nacht einen Großteil der Freigelassenen aufseiten des Westens empfing. Für die Bundesregierung sei entscheidend gewesen, „dass wir eine Schutzverpflichtung haben gegenüber deutschen Staatsangehörigen sowie auch die Solidarität mit den USA“.
US-Präsident Joe Biden lobte die „kühnen und tapferen Entscheidungen“ Deutschlands und anderer Verbündeter. „Insbesondere dem Bundeskanzler schulde ich großen Dank“, erklärte Biden mit Blick auf „bedeutende Zugeständnisse von Deutschland“, welche die Bundesregierung ursprünglich nicht habe machen wollen.
„Im Verlauf der Verhandlung sind wir zu dem Schluss gelangt, dass Krasikow ein Schlüssel war“, sagte der Nationale Sicherheitsberater der US-Regierung, Jake Sullivan. Grundlage der Gespräche mit der Bundesregierung sei die „aufrichtige Freundschaft“ zwischen Scholz und Biden gewesen.
Trump nennt Austausch „Sieg für Putin“
Über den Gefangenenaustausch wurde demnach monatelang verhandelt. Ursprünglich sollte auch der im Februar in russischer Lagerhaft gestorbene Kreml-Kritiker Alexej Nawalny in die Vereinbarung einbezogen werden.
Der republikanische Präsidentschaftskandidat und Ex-US-Präsident Donald Trump bezeichnete den Gefangenenaustausch als „Sieg“ für Putin. „Die Russen haben ein großartiges Geschäft gemacht“, sagte er dem Sender Fox Business.
Neben Krasikow kamen ein in Slowenien inhaftiertes Spionage-Paar, je ein Häftling in Polen und Norwegen und drei Gefangene in den USA frei. Auch für die von Slowenien freigelassenen Spione bestätigte Peskow ihre Agententätigkeit für Russland. Die beiden Kinder des Paares wurden im Rahmen des Gefangenenaustauschs nach Russland gebracht. Laut Peskow erfuhren sie erst im Flugzeug, dass sie russische Staatsbürger sind, sie sprächen kein Russisch.
Die Heimkehrer
Unter den von Russland freigelassenen Häftlingen waren die russischen Oppositionspolitiker Wladimir Kara-Mursa, Ilja Jaschin und Andrej Piwowarow. „Ich war sicher, dass ich im Gefängnis sterben würde“, sagte der zu 25 Jahren Haft verurteilte Kara-Mursa am Donnerstag in einem Telefonat seiner Frau und seinen Kindern.
Der US-Reporter Gershkovich, die Journalistin Alsu Kurmasheva und der frühere US-Soldat Paul Whelan waren direkt in die USA geflogen und wurden dort von Präsident Biden sowie wartenden Familienangehörigen und Freunden begrüßt.
Am Flughafen in Moskau empfing Präsident Wladimir Putin die freigelassenen Russen. Im russischen Staatsfernsehen war zu sehen, wie Putin mehrere der freigelassenen Häftlinge in den Arm nahm. Zu einem möglichen Zusammenhang zwischen dem Gefangenenaustausch und Gesprächen über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine ließ der Kreml mitteilen, es gehe dabei um „vollkommen unterschiedliche Grundsätze“. (afp/dl)
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