Kompromiss in Flüchtlingskrise „sehr, sehr nahe“: EU drückt bei Reform des Asylsystems aufs Tempo
Nach den Verwerfungen durch die Flüchtlingskrise will die Europäische Union ihr Asylsystem so schnell wie möglich überarbeiten. EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos sah nach einem Treffen der europäischen Innenminister in Malta einen Kompromiss „sehr, sehr nahe“. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) warb dabei für ein dreistufiges Modell, bei dem im Falle eines „Massenzustroms“ Flüchtlinge in „sichere“ Lager außerhalb der EU gebracht würden.
Nach den bisherigen Dublin-Regeln müssen Flüchtlinge ihren Asylantrag in dem Land stellen, in dem sie als erstes europäischen Boden betreten. Dies führte dazu, dass Ankunftsländer wie Griechenland und Italien vollkommen überfordert sind. Gegen EU-Beschlüsse zur Verteilung von Flüchtlingen auf alle EU-Staaten stemmen sich mehrere osteuropäische Staaten.
Der maltesische EU-Vorsitz sah in den Gesprächen Fortschritte und will das Ziel einhalten, bis zur Jahresmitte die Asylreform über die Bühne zu bringen. Avramopoulos sagte, alle Mitgliedstaaten unterstützten einen dreistufigen Ansatz bei der Asylreform.
De Maizière zufolge könnte ein Kompromiss so aussehen: Bei wenigen ankommenden Flüchtlingen bleibt es im Prinzip bei den bisherigen Dublin-Regeln. Falls Erstaufnahmeländer besonders belastet werden, würde ein Mechanismus zur Verteilung von Asylbewerbern auf andere EU-Länder einsetzen.
Komme es zu einem „Massenzustrom“, müssten dann aber „andere Verfahren und andere Maßnahmen“ greifen, sagte de Maizière nach dem Treffen weiter. Dies könne auch „Rückführung in sichere Orte außerhalb Europas“ bedeuten. Der deutsche Innenminister räumte ein, dass „vieles noch offen“ sei und konkretisiert werden müsse. Ein „Phasenmodell nach Belastungsstufen“ sei aus seiner Sicht aber „ein denkbarer Kompromiss“.
Avramopoulos versicherte, die EU-Staaten wollten mit den Plänen das individuelle Recht auf Asyl nicht aushebeln. Alle EU-Regierungen stimmten mit seiner Behörde vollkommen überein, „dass wir jeden Fall einzeln behandeln“, sagte er. Dies gelte auch für den Grundsatz der Nichtzurückweisung. Ihm zufolge dürfen Flüchtlinge an den Grenzen grundsätzlich nicht ohne Einzelfallprüfung abgewiesen oder in Länder gebracht werden, wo ihnen Menschenrechtsverstöße drohen.
Bei der in der zweiten Stufe angesiedelten Umverteilung zur Entlastung von Erstaufnahmeländern zeigte sich Avramopoulos optimistisch, dass auch bisher ablehnende Länder mitziehen werden. Es komme jedenfalls nicht in Frage, „dass ein Mitgliedstaat aus einem bestimmten wichtigen Bereich der Dublin-Reform aussteigt“, sagte er.
Die EU sieht sich vor allem wegen der Lage im zentralen Mittelmeer unter massivem Handlungsdruck. Im vergangenen Jahr war in Italien die Rekordzahl von 181.000 Flüchtlingen registriert worden, die sich zu 90 Prozent von Libyen aus auf die gefährliche Reise über das Mittelmeer machten.
Der Vorstoß der maltesischen EU-Ratspräsidentschaft, mit Libyen ein ähnliches Abkommen zur Flüchtlingsrücknahme wie mit der Türkei zu schließen, stieß jedoch auf Vorbehalte. Eine solche Vereinbarung sei wegen des Fehlens einer Regierung mit Kontrolle über das gesamte Land derzeit nicht machbar, sagte Luxemburgs Migrationsminister Jean Asselborn. Abkommen und Partnerschaften mit Nachbarländern wie Ägypten, Tunesien und Algerien seien aber möglich. (afp)
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