Kommt Kanada in die EU? Diskussion über mögliches 28. Mitglied nimmt Fahrt auf

Ein kurioser Vorschlag sorgt für Diskussionen: Europäische Politiker bringen eine EU-Mitgliedschaft Kanadas ins Spiel – und in einer aktuellen Umfrage zeigt sich fast die Hälfte der Kanadier aufgeschlossen. Doch ist das rechtlich überhaupt möglich?
Titelbild
Mark Carney in Paris am 17. März: Zwischen innenpolitischem Druck und globalen Herausforderungen sucht Kanadas neuer Premier Verbündete in Europa.Foto: THOMAS PADILLA/POOL/AFP via Getty Images
Von 29. März 2025

An dieser Stelle wird ein Podcast von Podcaster angezeigt. Bitte akzeptieren Sie mit einem Klick auf den folgenden Button die Marketing-Cookies, um den Podcast anzuhören.
Die Idee kursiert in den sozialen Medien. Nun haben sich erste europäische Politiker zu dem Vorschlag geäußert, Kanada als 28. Mitgliedstaat in die EU aufzunehmen. Einer jüngst veröffentlichten Umfrage von Abacus Data zufolge würde eine solche Idee auch in der Bevölkerung des vollständig auf dem nordamerikanischen Kontinent gelegenen Staates auf Resonanz stoßen.

Demnach würden 46 Prozent der Kanadier einen EU-Beitritt ihres Landes unterstützen. Das wäre ein Prozentpunkt mehr, als Briten Ende Februar einen Wiedereintritt in die EU begrüßt hätten. 29 Prozent wären gegen einen solchen Schritt, ein Viertel sei unentschlossen.

Sigmar Gabriel für Angebot der EU an Kanada

Die Diskussion steht im Kontext eines außenpolitisch selbstbewussteren Auftretens der USA unter Präsident Donald Trump. Dieser sorgte mit Zöllen und wiederholten Angeboten, Kanada als 51. US-Bundesstaat anzugliedern, für viel Unmut.

Beide Seiten haben sich am Freitag, 28.3., erstmals um versöhnlichere Töne bemüht. Kanadas neuer Premierminister Mark Carney erklärte, er habe ein „sehr konstruktives“ Telefonat mit Trump geführt, während der US-Präsident das Gespräch seinerseits als „sehr produktiv“ bezeichnete. Einen Tag zuvor hatte Carney erklärt, Trump habe mit seinem Verhalten die bilateralen Beziehungen nachhaltig verändert. „Es gibt kein Zurück“ – die USA seien „kein verlässlicher Partner mehr“.

Trumps Zölle belasten auch das Verhältnis zwischen den USA und Europa. Für weitere Spannungen sorgt, dass die Vereinigten Staaten unter Trumps Führung nicht mehr bereit sind, der Ukraine vorbehaltlose Militärhilfe im Krieg gegen Russland zuzusichern. Diese bekommt Kiew nach wie vor sowohl von Brüssel als auch von Ottawa. Zudem gehört Kanada zum festen Teilnehmerkreis der von Frankreich und Großbritannien initiierten Treffen der „Koalition der Willigen“ zur Unterstützung der Ukraine.

Die Idee eines EU-Beitritts Kanadas hat inzwischen politische Reaktionen ausgelöst. Auch der deutsche Ex-Vizekanzler Sigmar Gabriel hat das Thema aufgegriffen. Gegenüber „The Pioneer“ äußerte er:

„Wir sollten Kanada einladen, Mitglied der Europäischen Union zu werden. […] Die sind sowieso europäischer als mancher europäische Mitgliedstaat.“

Lettischer Grünen-Politiker: „Australien singt doch auch beim ESC mit“

Kanada, so Gabriel, sei ein „enorm wichtiges Land“ und außerdem ein „strategischer Anrainerstaat an der Arktis“. Außer Dänemark, dem Nicht-EU-Land Norwegen und Finnland gebe es nicht so viele davon. Außerdem müsse man „Bündnispartner sammeln“ – das gelte „auch für Freihandelsverträge“.

Auch der lettische Grünen-Politiker Mārtiņš Staķis macht Kanada ein Angebot, sich der Staatengemeinschaft anzuschließen. Auf X weist er auf die Öl- und Gasvorkommen in dem nordamerikanischen Staat hin – „und wir brauchen Energie“. Frankreich würde sich über die frankophone Provinz Quebec freuen. Er zog den Vergleich: Auch Australien beteilige sich jetzt bereits am Eurovision Song Contest.

EU-Kommissionssprecherin Paula Pinho äußerte gegenüber „Euractiv“, er fühle sich „durch die Ergebnisse einer solchen Umfrage geehrt“. Sie zeigten, wie „attraktiv“ die EU sei und dass „ein sehr großer Teil der kanadischen Bürger die EU und ihre Werte schätzt“.

Kann Kanada durch reinen Willensakt „europäisch“ im Sinne des EU-Vertrags werden?

Pinho fügte allerdings auch hinzu, dass gemäß Artikel 49 des Vertrages über die Europäische Union ausschließlich europäische Staaten einen Beitrittsantrag stellen könnten. Allerdings definiert der Vertrag den Begriff „europäisch“ nicht – auch nicht im geografischen Sinne. Sigmar Gabriel meint, dass sich hier Lösungen finden ließen. Es sei „ja nicht so, dass das undenkbar ist“.

Ein Dokument der Kommission der Europäischen Gemeinschaften aus dem Jahr 1992 zeigt ebenfalls, dass die Geografie nicht der einzige Faktor sei, der ein „europäisches“ Land ausmache. Das bereits in die EU aufgenommene (Süd-)Zypern liegt geografisch bereits auf dem asiatischen Kontinent, der Beitrittskandidat Türkei zu 97 Prozent. Außerdem gehören französische Überseegebiet wie Réunion im Pazifik und Saint-Martin in der Karibik ebenfalls zur EU – wenn auch nicht zum Schengen-Raum.

Andererseits hatte die damalige EG 1987 ein Beitrittsgesuch Marokkos mit der Begründung abgelehnt, dieses gehöre geografisch nicht zu Europa – obwohl es an der Straße von Gibraltar nur 14 Kilometer von Spanien entfernt ist. In dem Dokument heißt es, zur „europäischen Identität“ trügen „geografische, historische und kulturelle Elemente“ bei.

Die „gemeinsame Erfahrung von Nähe, Ideen, Werten und historischer Interaktion“ könne „nicht in eine einfache Formel zusammengefasst werden“. Die Definition, was „europäisch“ sei, unterliege deshalb „jeder nachfolgenden Generation“.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion