Kommentar: Sie lassen kein Mittel unversucht
Vor ein paar Tagen reiste eine Journalistin des Hongkonger Fernsehsenders NOW in die Provinz Sichuan, den Ort des großen Erdbebens vom Mai 2008, um über das Gerichtsverfahren gegen Tan Zuoren zu berichten. Tan hatte Untersuchungen darüber angestellt, ob der Einsturz der Schulgebäude auf falsche Baumaterialien zurückzuführen sei. Er wurde aufgrund seiner Untersuchungen angeklagt wegen „Anstiftung zum Umsturz des Staates“.
Kurz vor der Eröffnung des Gerichtsprozesses wurde die Journalistin in ihrem Hotelzimmer in Chengdu, der Provinzhauptstadt von Sichuan, von einigen Uniformierten, die sich zwar als Polizisten ausgaben aber weder ihre Identität noch einen Durchsuchungsbefehl vorzeigen wollten, für sechs Stunden eingesperrt. Ihr Hotelzimmer wurde gründlich untersucht. Als das Gerichtsverfahren gegen Tan Zuoren zu Ende ging, zogen sich die „Polizisten“ kommentarlos zurück.
Als Grund für ihr Vorgehen gaben sie „Verdacht auf Drogenbesitz“ an. Sie zwangen die Journalistin, unbedenkliche Videoaufnahmen zu löschen und sahen ihre Notizen durch. Offensichtlich interessierte sie die journalistische Arbeit mehr, als der Verdacht auf „Drogenbesitz“. Zwar fand man keine Drogen bei ihr, jedoch wurde das Ziel erreicht, sie daran zu hindern, über das Gerichtsverfahren zu berichten.
Ein weiterer bestürzender Fall ereignete sich kurz vor Eröffnung der Verhandlung: der auch hierzulande durch seine im Jahr 2007 präsentierte (und später eingestürzte) Großplastik bei der Kasseler documenta bekannte Künstler Ai Weiwei war mehrere Tausend Kilometer angereist, um beim Gerichtsverfahren dabei zu sein. Als es an der Türe seiner Unterkunft klopfte, öffnete Ai und er wurde von einem Polizisten so hart ins Gesicht geschlagen, dass auch er nicht zum Gericht gehen konnte. Obwohl Ai durch den Schlag einen Schock bekam, vergaß er nicht, den Polizisten zu fragen: „Warum schlägst du mich?“ Der Polizist erwiderte: „Ich kann dich auch noch tot schlagen!“
Ai, der beim Bau des Pekinger Olympiastadions zunächst als Berater tätig war, wurde später ein scharfer Kritiker desselben. Er wurde auch dadurch bekannt, dass er Recherchen über die Qualität der während des Erdbebens in Sichuan eingestürzten Schulgebäude initiiert hat und die Todesfälle der Schüler untersuchte.
Untersuchungen über schlechte Baumaterialien in Schulgebäuden fallen eigentlich in den Zuständigkeitsbereich der Regierung. Sie führte nicht nur selbst keine Untersuchungen durch, sondern verhinderte auch noch, dass die Bürger selbst die Initiative ergreifen, um den wahren Grund des Einsturzes der Schulen herauszufinden. Dabei lässt die kommunistische Regierung kein Mittel unversucht. Die wahren Zahlen der im Erdbeben ums Leben gekommenen Schüler sind als Staatsgeheimnis eingestuft. Weil Tan Zuoren an sie gelangen wollte, wurde er wegen „Anstiftung zum Umsturz des Staates“ angeklagt. Die Hongkonger Journalistin und der Menschenrechtler aus Peking durften nicht dabei sein. Der Staatsapparat wurde gegen wehrlose Bürger eingesetzt.
Ich erinnere mich an einen Vorfall in den 80er Jahren in Peking. Der Korrespondent einer großen amerikanischen Zeitung hörte eines Morgens ein Klingeln an der Haustür. Er öffnete die Tür, niemand zu sehen. Auf dem Boden lagen Blätter, die aussahen wie Dokumente. Nachdem er sie aufgelesen und genau betrachtet hatte, stellte er mit großer Überraschung fest, dass es sich um ein wichtiges Dokument über eine wichtige politische Tagung handelte. Auf der Titelseite stand ein großes „Geheim“. Er nahm das Dokument mit ins Zimmer, um es genau zu lesen. Kurz darauf hörte er ein harsches Klopfen an der Tür. Kaum hatte er sie geöffnet, stürzte eine Gruppe Menschen herein, die sich als Sicherheitsbeamte ausgaben. Das geheime Dokument hielt er noch in der Hand, das dann als „unwiderlegbarer Beweis“ für das Entwenden der chinesischen Staatsgeheimnisse galt. Einige Tage später wurde er aus China ausgewiesen.
In diplomatischen Kreisen in Peking wurde dieser Fall rasch bekannt. Nun wird das Gleiche in einer anderen Form in Chengdu aufgeführt. Aber eigentlich ist so etwas in den letzten 20 Jahren in China keine seltene Praxis gewesen.
In der chinesischen Ausgabe der Epoch Times kommentierte ein Leser die Vorkommnisse so: „Wenn eine Regierung so etwas Schamloses machen kann, zu was ist sie dann nicht fähig? Sie können Tatsachen entstellen, um mit Hilfe der Lügen die öffentliche Meinung zu steuern. Wenn man das zulässt, ist das nichts anderes als den Kopf in den Sand zu stecken? Ein normaler Bürger will nur die Wahrheit herausfinden. Und so kann er schon „die Regierung umstürzen“? Ist diese „Regierung“ aus Papier gemacht? Eine Regierung erlaubt nur sich selbst, in der Öffentlichkeit Lügen zu verbreiten, erlaubt aber den Bürgern nicht, die Regierung zu kritisieren. Wo liegt die rechtliche Basis für die Existenz dieser Regierung?“
Chinesisches Original in Radio Free Asia vom 19. August 2009: http://www.rfa.org/cantonese/commentaries/lingfang-08192009122303.html
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