Koalitionspoker in Österreich: Kommt die Regierung oder drohen Neuwahlen?

Mit seinem Podcast „Karl, wie geht’s?“ will Österreichs Kanzler Karl Nehammer seine Politik greifbarer machen – und gleichzeitig den politischen Druck auf die SPÖ erhöhen. Weil deren Chef Babler auf Vermögens- und Erbschaftssteuern besteht, stocken die Koalitionsgespräche. Die politische Zukunft des Landes bleibt ungewiss.
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Karl Nehammer und Herbert Kickl bei einer TV-Debatte vor den österreichischen Parlamentswahlen 2024.Foto: JOE KLAMAR/AFP via Getty Images
Von 3. Dezember 2024

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Mit einem Podcast bei Spotify will Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer Imagewerbung betreiben. Alle zwei Wochen soll er im Rahmen einer Sendereihe mit dem Titel „Karl, wie geht’s?“ auf Spotify seine Politik erklären – und für die Wähler nachvollziehbar machen. Dies könnte zu einem wichtigen Instrument in den kommenden Wochen werden, in denen die Entscheidung über die künftige Regierung des Landes fallen soll.

Babler erklärt Vermögenssteuer zur Koalitionsbedingung

Bis vor kurzem schienen die Fronten klar zu sein: Nehammer, der es immerhin geschafft hat, den Absturz der ÖVP bei den Nationalratswahlen in Grenzen zu halten, wird mit SPÖ und NEOS eine „Austro-Ampel“ bilden. Auf diese Weise wolle er sein Wort gegenüber den Wählern halten, wonach er mit FPÖ-Chef Herbert Kickl keine Koalition bilden werde.

Am Freitagabend, 29.11., hat Nehammer selbst jedoch recht unmissverständlich in Aussicht gestellt, dass er nicht bereit sei, das Bündnis mit den Sozialdemokraten um jeden Preis zu suchen. Anlass war eine Aussendung von SPÖ-Chef Andreas Babler, in dem dieser seine Koalitionsbedingungen umrissen hatte.

Zuvor hatte der Bundesvorstand der Sozialdemokraten den Stand der Verhandlungen diskutiert. In einer anschließenden Erklärung findet sich der Satz:

„Wir verlangen deshalb von jenen einen Beitrag, die in der Vergangenheit besonders profitiert haben und schützen jene, die bis heute unter der Teuerung leiden.“

Nehammer: „Dann sind die Verhandlungen schnell zu Ende“

Zwar waren die beiden Begriffe nicht explizit gefallen, für Nehammer war damit klar, dass damit die Einführung einer Vermögens- und Erbschaftssteuer gemeint waren. Der Kanzler und ÖVP-Chef machte umgehend deutlich, dass dies für seine Partei eine rote Linie darstelle. Sollte die SPÖ darauf bestehen, „sind die Verhandlungen schnell zu Ende“.

Babler hatte zuvor ein Konzept vorgelegt, wonach künftig Vermögensteile ab einer Million Euro mit 25 Prozent besteuert werden sollen. Für Werte zwischen fünf und zehn Millionen soll der Steuersatz auf 30 Prozent steigen. Jenseits von zehn Millionen Euro will er 35 Prozent verlangen. Dies soll über die Konstruktion eines „Freibetrags“ so gesteuert werden, dass auch rückwirkend die Steuer erhoben werden könne.

Es sollen nach dem Willen Bablers „alle Schenkungen und Erbschaften der letzten 30 Jahre“ betrachtet werden können. Der SPÖ-Chef erläuterte nicht, wie dies mit dem Vertrauensschutz der Verfassung in Einklang zu bringen sein sollte.

„Schnittmengen mit FPÖ nur auf den ersten Blick größer“

Auch die NEOS-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger äußerte sich kritisch zu Bablers Ansinnen und meinte am darauffolgenden Tag mit Blick auf die Vermögenssteuern:

„Natürlich sind wir auch dagegen. Die SPÖ-Pläne sind in der Form nicht umsetzbar.“

Dass sich schon jetzt ein Ende der Koalitionsgespräche abzeichne, sieht die Chefin der Linksliberalen jedoch noch nicht. Die Gespräche „laufen noch, es ist alles offen“, äußerte sie. Das Klima sei grundsätzlich „konstruktiv“.

Nehammer hat zusätzlichen Druck aufgebaut, indem er den 12. Dezember als Deadline für die Entscheidung über eine Regierungsbildung definiert hat. Dass der ÖVP-Chef nun doch bereit wäre, auch mit einer FPÖ unter Kickl zu koalieren, bedeutet dies nicht.

In seinem Podcast schilderte Nehammer, warum sich auch nach der Wahl nichts an dieser Position geändert habe. Es sei nur auf den ersten Blick so, dass die Schnittmengen zwischen ÖVP und FPÖ größer wären.

Nur zwei Prozent der Österreicher sehen Vermögenssteuer als wichtiges Thema

Der Kanzler wies auf ein Forderungspapier hin, das Kickl ihm übermittelt habe. In diesem hatte dieser nur noch ein gemeinsames Bekenntnis zum EWR statt zur EU angesprochen. Aus Sicht Nehammers sei das ein „Rückschritt“ – der EWR sei der „Warteraum“ Österreichs im Vorfeld des EU-Beitritts gewesen.

Zudem wollte Kickl alle internationalen Verträge, die Österreich abgeschlossen habe, neu verhandeln. Für Nehammer faktisch nicht machbar:

„Österreich hat 52 solcher Verträge. Fange ich jetzt an, jeden neu zu verhandeln, bedeutet das Unsicherheit und Destabilisierung.“

Die FPÖ würde außerdem Reformen bei Mindestsicherung und Sozialhilfe blockieren, außerdem sei sie gegen eine stärkere Überwachung von Verschlüsselungsdiensten. Insofern seien die Freiheitlichen „inhaltlich keine Alternative“. Stattdessen baue er darauf, dass Babler von seinen radikalen Forderungen abrücke und sich als Sozialdemokrat am Ende pragmatisch zeige. Umfragen zufolge erklären nur zwei Prozent der Österreicher, Vermögenssteuern seien für sie ein wichtiges Thema.

SPÖ-Chef auch innerhalb der Partei unter Druck

Was die Lage für Nehammer einfacher macht, ist, dass Babler mit dem Rücken zur Wand steht. Seine weit linken Positionen hatten schon im Wahlkampf Widerspruch aus der eigenen Partei hervorgerufen. Bei den Landtagswahlen in der Steiermark schnitt die SPÖ ohne ihn besser ab als wenige Wochen zuvor mit ihm als Kanzlerkandidat.

Sollten die Sozialdemokraten unter seinem innerparteilichen Rivalen Hans Peter Doskozil im Januar ihre absolute Mehrheit im Burgenland verteidigen, würden sie darauf bestehen, dies trotz Babler erreicht zu haben. Immerhin vermeidet die „Liste Doskozil“ im Wahlkampf, so weit es geht, den Hinweis auf die SPÖ. Sollte Doskozil sie verlieren, wird man in Eisenstadt hingegen Babler dafür verantwortlich machen.

Diesem droht zudem schon zeitnah eine Führungsdebatte. Der PR-Berater Rudolf Fußi hat es eigenen Angaben zufolge geschafft, die erforderlichen Unterschriften von Parteimitgliedern zu erhalten, um einen Mitgliederentscheid über den Vorsitz zu erzwingen. Überprüfen könne er jedoch nicht, ob diese alle von SPÖ-Mitgliedern stammten. Deshalb wolle er bis zum Ende der Frist Ende Dezember weiter sammeln.

Nehammer wird in jedem Fall auf Kosten von Babler profitieren

Bereits ein Erreichen der notwendigen Anzahl an Unterschriften durch Fußi wäre für Babler eine Blamage. Der gesamte Parteiapparat inklusive der Gewerkschaften hatte sich gegen dessen Ambitionen verwahrt, und selbst Babler-Gegner wollten sich nicht offen auf die Seite des vermeintlich chancenlosen Querulanten stellen.

Sollte der bereits durch mehrere Parteien gegangene und, wie eigene Parteigenossen durchstachen, an Erwachsenen-ADHS laborierende Parteirebell tatsächlich einen Mitgliederentscheid erzwingen, wäre selbst ein Erfolg nicht ausgeschlossen. Im äußersten Fall könnte sich ein prominenter Babler-Gegner entschließen, zu kandidieren.

Nehammer profitiert in jedem Fall von den Wirrungen in der SPÖ: Bleibt Babler, ist er geschwächt. Schafft Fußi die Sensation oder springt ein Kompromisskandidat in die Bresche, wäre die Forderung nach der Vermögenssteuer vom Tisch. Scheitern die Gespräche, könnten Neuwahlen anstehen.



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