Koalitionskrach in Österreich: „Vorgezogene Wahlen wären der richtige Weg“, sagt Kurz
Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) ist für vorgezogene Nationalratswahlen. Das erklärte er am Freitag in einem kurzen Statement laut „Presse“. Die ÖVP-Führung wolle er aber nur unter bestimmten Umständen übernehmen, sagte er.
Am Mittwoch war ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner überraschend von allen Ämtern zurückgetreten. Der österreichische Vizekanzler hatte in den letzten Tagen „einfach keinen Sinn“ mehr gesehen, wie er in einer Erklärung mitteilte.
Der Ruf nach Neuwahlen wurde dadurch lauter – und Kurz wurde als möglicher neuer ÖVP-Chef ins Gespräch gebracht. Daran knüpft er jedoch Bedingungen.
Die ÖVP will er übernehmen, wenn er „die Möglichkeit hat, die inhaltliche Positionierung vorzunehmen und zu entscheiden, wer handelt“. Die Entscheidung soll am Sonntag in den Gremien fallen.
„So wie es war, so kann es nicht bleiben“, sagte Kurz laut „Presse“ über seine Partei. Eine moderne Kraft müsse die besten Köpfe zulassen, unabhängig vom Parteibuch und Bundesland. Kurz meinte, Österreich befände sich derzeit im „Dauerwahlkampf“.
Er glaube, dass die Entscheidung, in welche Richtung sich ein Land entwickeln soll, von den Wählern getroffen werden sollte. Viele in der ÖVP und Kern würden das zwar anders sehen, und Neuwahlen seien auch nicht populär. Er aber bleibe sich treu und glaube, „dass vorgezogene Wahlen der richtige Weg wären.“
Die letzte wirklich gewählte Regierung war die von Kanzler Werner Faymann (SPÖ) (im Amt seit 2008), der im vor einem Jahr zurückgetreten und von Christian Kern abgelöst worden war.
Kurz fehlte 18 mal bei Sitzungen
Am Dienstag hatte es eine denkwürdige Sitzung des Ministerrats in Wien gegeben, bei der die SPÖ-Vertreter vor allem Seitenhiebe gegen Innenminister Wolfgang Sobotka und Außenminister Sebastian Kurz austeilten. Es wurde kritisiert, das Kurz 18 und Sobotka 13 mal seit Kerns Amtsantritt im Mai 2016 bei Ministerratssitzungen gefehlt hatten.
Am Wochenende hatte Wolfgang Sobotka Christian Kern „Versagen als Kanzler“ vorgeworfen. Die SPÖ vermutete Kurz als Drahtzieher hinter diesem Angriff Sobotkas, da dieser innerhalb der ÖVP zum Kurz-Lager gezählt wird. Staatssekretärin Muna Duzdar ging soweit, von „einem Intrigantenstadl“ zu sprechen, den es teilweise gebe. Wenn es Leute in der Regierung gebe, die nicht arbeiten wollten, dann sollten diese das auch sagen, so Duzdar in Richtung Kurz.
Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter warf der SPÖ später vor, beim Ministerrat am Dienstag auf ein „scheinheiliges Kurz-Bashing“ gesetzt zu haben.
Kurz hatte zum rot-schwarzen Koalitionsstreit bisher nur gesagt: „Ich beteilige mich nicht an diesem Theater, sowohl in der Regierung als auch in der ÖVP.“
Sobotka spricht von „Blockade“
Innenminister Sobotka, der den Krach mit seiner Äußerung gegen Kern losgetreten hatte, versprach am Dienstag in einer Erklärung gemeinsam mit Parteichef Mitterlehner Besserung: „Ich will meine Wortwahl künftig verbessern, so wie ich das auch von der SPÖ erwarte“, erklärte Sobotka. Trotzdem sei es wichtig, dass der Koalitionspartner die „Blockade“ beende: „In den Materien des Sicherheitspolizeigesetzes und Fremdenrechts wird seit Monaten ständig blockiert, das muss nun aufhören.“
Auch Mitterlehner appellierte an den Koalitionspartner: „Ich ersuche die SPÖ dringend, zur Sacharbeit zurückzukehren und die Vorhaben des Innenministers nicht länger zu blockieren.“ Er verwies darauf, dass über zentrale Bereiche des Innenressorts seit Wochen und Monaten verhandelt werde, seitens des Koalitionspartners aber „Stillstand“ herrsche, berichtete der „Standard“.
Auch Bundespräsident Alexander van der Bellen äußerte sich zum Koalitionsstreit: „Sich wechselseitig Unfreundlichkeiten über die Medien auszurichten, wie das in diesen Tagen wieder besonders auffällig zu beobachten ist bzw. war, das schadet dem Ansehen der Politik und bringt uns den Lösungen nicht näher und unser Land nicht weiter“, sagte er am Dienstag in der Hofburg.
Das Ende des „Dauerwahlkampfs“ muss her
In einem Kommentar analysierte der „Kurier“:
„Sobald wie möglich wählen wollen Kern und Kurz. Der Kanzler tarnt es nur geschickter.“ Beide Kandidaten würden Chancen verlieren, je mehr Zeit verstreiche. Kerns Dilemma sei: „Je länger er Kanzler sein muss, der zwar einen Plan hat, aber wenig bis nichts davon umsetzen kann, desto poröser wird sein Macher-Image.“ Das Problem von Kurz ist: Je länger Kern Zeit habe, sich zu profilieren, desto schlechter für seine Beliebtheitswerte.
Der „Standard“ ergänzte zu Kurz als möglichem neuen ÖVP-Chef:
Kurz wolle eine Verbreiterung und Öffnung der Partei, nur so könnte die Partei bei Wahlen auch erfolgreich zu sein. Diesen Umbau will die Partei aber derzeit noch nicht mittragen. Im derzeitigen Chaos sei eine ÖVP-Übernahme durch Kurz ein Himmelfahrtskommando. Kurz hatte Anfang der Woche bereits klar gemacht, dass er für den Parteivorsitz der ÖVP derzeit nicht zur Verfügung stehe, als Mitterlehners Rücktritt noch als Gerücht im Raum stand.
(rf)
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