Österreich: Koalitionsgespräche von FPÖ und ÖVP gescheitert

In Österreich sind die Koalitionsverhandlungen zwischen der rechten FPÖ und der konservativen ÖVP gescheitert. Das teilte die FPÖ mit. Zuvor lehnten die Rechten einen Kompromissvorschlag zur Verteilung der Ministerien ab und machten die Konservativen für die Blockade der Gespräche verantwortlich.
Bundespräsident Alexander van der Bellen kündigte weitere Gespräche mit Parteivertretern an. Er werde sich in den kommenden Tagen mit „Politikerinnen und Politikern“ treffen, um mögliche Lösungen „auszuloten“, sagte van der Bellen am Mittwoch in einem Pressestatement in seinem Amtssitz in der Wiener Hofburg.
Van der Bellen nannte vier Optionen, wie es nun weitergehen könne: eine Neuwahl des Parlaments, eine vom Parlament geduldete Minderheitsregierung, eine Expertenregierung für eine gewisse Zeit – oder möglicherweise doch noch eine Koalition mehrerer Parteien mit fester Regierungsmehrheit.
Der Kompromiss sei „in Verruf geraten“, kritisierte van der Bellen. Dabei sei die Einigung zwischen Menschen mit unterschiedlichen Meinungen die Voraussetzung für Lösungen. „Ein Verhandlungsprozess ist kein Wettkampf“, sagte van der Bellen – und der Kompromiss sei in Österreich „ein Schatz, eine Art Kulturgut“.
Am Dienstag hatte Van der Bellen rasche Klarheit gefordert, ob die Regierungsgespräche abgebrochen oder fortgesetzt werden. Die Parteien sind auch in Grundsatzfragen kaum vorangekommen und der Ton in den öffentlichen Stellungnahmen beider Seiten hat sich zuletzt verschärft.
Streit um Innenministerium
Beide Parteien beanspruchen das Innenministerium für sich. Zuletzt schlug die ÖVP vor, die Themen Migration und Asyl in ein eigenes FPÖ-geführtes Ministerium auszulagern. Doch dies wiesen die Rechten zurück.
Im Innenministerium seien die „Kernkompetenzen“ seiner Partei in den Bereichen Sicherheit und Asyl angesiedelt, argumentierte Kickl in sozialen Medien. Die Rechten haben der ÖVP im Gegenzug wichtige Agenden wie Außenpolitik, Wirtschaft, Infrastruktur und Verteidigung angeboten.
FPÖ-Chef Kickl strebt nach dem Wahlsieg seiner Partei im Herbst nach der Kanzlerschaft. Er hatte in der vorigen Koalition mit der ÖVP von 2017 bis 2019 das Innenministerium geführt. In diese Zeit fiel eine Polizeirazzia im Verfassungsschutz.
Befreundete ausländische Geheimdienste stuften daraufhin ihre Kooperation mit Österreich zurück. Im jüngsten Vorschlag der FPÖ würde der Verfassungsschutz im Innenministerium einem ÖVP-Staatssekretariat unterstehen.
Gegenseitige Vorwürfe
Kickl warf den Konservativen in einer Videobotschaft vor, dass sie Gespräche über politische Inhalte verweigerten, solange die Ressortzuständigkeiten ungeklärt seien.
Zu Anfang des Videos stellt er aus seiner Sicht klar: „Liebe Freunde, weil ich in diesen Tagen immer wieder gefragt werde, warum wir zum jetzigen Zeitpunkt über Ministerien verhandeln – die Antwort ist ganz einfach: Weil die ÖVP das ausdrücklich so wollte“, betont Kickl. Die FPÖ hätte laut Kickl zunächst inhaltliche Streitpunkte klären und tragfähige Kompromisse finden wollen. Doch die Volkspartei habe Anfang Februar darauf bestanden: „Nein! Zuerst muss die Frage der Ressorts geklärt sein.“
„Das ist die Wahrheit. Wer etwas anderes behauptet, der versucht, die österreichische Bevölkerung hinters Licht zu führen“, sagte er. Hier das Video:
Das ist der wahre Grund, warum wir seit Anfang Februar über Ministerien verhandeln… pic.twitter.com/XCyl6v5wIR
— FPÖ (@FPOE_TV) February 12, 2025
ÖVP-Generalsekretär Alexander Pröll kritisierte hingegen, dass die FPÖ noch immer nicht auf einen Vorschlag der ÖVP reagiert habe, in dem unter anderem ein Bekenntnis zur Europäischen Union und gegen ausländische Einflussnahme gefordert wurde.
Nach dem Platzen der Koalitionsverhandlungen stehen eine Übergangsregierung und Neuwahlen als Szenarien im Raum. Die jüngsten Umfragen deuten darauf hin, dass die FPÖ bei einem neuen Urnengang noch deutlicher siegen würde als bei der Parlamentswahl im September. Damals gewann sie mit knapp 29 Prozent. Zuletzt wuchs die Unterstützung für die Rechten auf etwa 34 Prozent.
Regierungsbildung stockte nach anfänglichen Hoffnungen
Anfang Januar war der Versuch, in Österreich eine Koalition aus konservativer ÖVP, Sozialdemokraten und liberalen NEOS zu bilden, gescheitert.
Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer trat daraufhin zurück. Seit etwa einem Monat verhandelt nun dessen Nachfolger Christian Stocker mit FPÖ-Chef Herbert Kickl über die Bildung eines Regierungsbündnisses unter dessen Führung. Die FPÖ war bei den Nationalratswahlen am 29.9. des Vorjahres stärkste Partei geworden.
Zunächst konnten sich die Verhandlungsteams innerhalb von nur wenigen Tagen auf eine Grundsatzvereinbarung zum Haushalt einigen. Dies weckte Hoffnungen auf eine schnelle Regierungsbildung.
Danach stockte dieser Prozess jedoch und aus den Reihen von SPÖ und Grünen kamen erste Forderungen an die Konservativen, die Gespräche abzubrechen. (il)
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