Knapper Sieg des Sozialisten Moreno bei Präsidentschaftswahl in Ecuador – Was wird nun aus Julian Assange?
Bei der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl in Ecuador hat sich ein knapper Sieg des bisherigen Vize-Präsidenten Lenín Moreno abgezeichnet. Nach Auszählung von 94,2 Prozent aller Stimmen kam der Sozialist von der linksgerichteten Regierungspartei Alianza País auf 51,07 Prozent, wie die Wahlkommission am Sonntagabend mitteilte. Der rechtskonservative Oppositionsführer Guillermo Lasso kam auf 48,93 Prozent. Er kündigte an, das Ergebnis wegen mutmaßlichen Betrugs anzufechten.
In Ecuador besteht Wahlpflicht: Rund 12,8 Millionen Wahlberechtigte waren aufgerufen, den Nachfolger von Staatschef Rafael Correa zu bestimmen, der nach zehn Jahren im Amt abtritt.
„Wir werden den Willen des ecuadorianischen Volkes verteidigen angesichts des versuchten Betrugs, mit dem eine von Anfang an illegitime Regierung installiert werden soll“, sagte Lasso in seiner Geburtsstadt Guayaquil vor Journalisten.
Unter Berufung auf unterschiedliche Nachwahlbefragungen hatten zunächst beide Kandidaten ihren Sieg verkündet. Laut dem Meinungsforschungsinstitut Perfiles de Opinion, das als regierungsnah gilt, kam Moreno auf 52,2 Prozent. Das oppositionsnahe Institut Cedatos sah hingegen Lasso mit 53,02 Prozent vorn.
Auf den 64-jährigen Moreno waren in der ersten Wahlrunde Mitte Februar 39 Prozent der Stimmen entfallen. Der 61-jährige Lasso, ein ehemaliger Banker und Wirtschaftsminister, kam auf 28 Prozent. In den Umfragen vor der Stichwahl lag der seit einem Überfall querschnittsgelähmte Moreno mit 52 bis 57 Prozent in Führung.
Das Votum in Ecuador galt angesichts der in mehreren Ländern Lateinamerikas geschwächten Linken als wichtige Richtungswahl. Unter Correa hatte sich die Lage in dem kleinen Andenstaat stabilisiert, Armut und soziale Ungerechtigkeit gingen zurück. Dies gelang Correa auch mit Hilfe der Öleinnahmen, die aufgrund des gefallenen Ölpreises zuletzt aber stark zurückgegangen sind.
Auch für den Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, Julian Assange, stand mit der Wahl viel auf dem Spiel: Moreno kündigte an, er werde dem Australier weiter Asyl in der ecuadorianischen Botschaft in London gewähren. Lasso hingegen wollte im Falle eines Wahlsiegs die von Correa getroffene Entscheidung in den ersten 30 Tagen seiner Amtszeit revidieren.
Assange lebt seit Juni 2012 in der Botschaft, um einer Auslieferung an Schweden und letztlich an die USA zu entgehen. Die schwedische Justiz will ihn zu Vergewaltigungsvorwürfen befragen.
Assange beglückwünschte Moreno am Sonntagabend auf dem Kurzbotschaftendienst Twitter und lud „Lasso herzlich ein, sich in den kommenden 30 Tagen (mit oder ohne seine Millionen auf Offshore-Konten) aus Ecuador zurückzuziehen“.
Der 45-jährige Australier spricht von einem politisch motivierten Verfahren und von einvernehmlichem Sex. Er befürchtet, dass ihn Stockholm an die USA ausliefert, wo ihm ein Prozess wegen Geheimnisverrats und möglicherweise die Todesstrafe droht. Die Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlichte in den vergangenen Jahren hunderttausende geheime Dokumente, unter anderem über das oftmals menschenrechtsverletzende Vorgehen der US-Streitkräfte bei den Kriegen im Irak und in Afghanistan. (afp/so)
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