Klimafreundliche Kriegsindustrie? EU-Kommission erläutert „Nachhaltigkeit“ von Rüstungsgütern

Die EU-Kommission plant, die Rüstungsindustrie als „nachhaltige“ Anlage zu klassifizieren, um Investoren anzuziehen und die militärische Aufrüstung Europas zu finanzieren. Kritiker wie MdEP Fabio De Masi sprechen von „Greenwashing“. Nun hat sich Brüssel geäußert.
Rüstungsgüter wie diese Leopard- und Puma-Panzer der Bundeswehr stehen derzeit hoch im Kurs. (Archivbild)
Können Rüstungsgüter wie diese Leopard- und Puma-Panzer der Bundeswehr als nachhaltig gelten? (Archivbild)Foto: Philipp Schulze/dpa
Von 4. Dezember 2024

Brennende Ölfelder, verseuchte Böden, Schadstoffaustritt aus zerstörten Fabriken: Die Erfahrungen der letzten 30 Jahre vom Irakkrieg bis zu jenem in der Ukraine machen deutlich, dass Krieg erhebliche Umweltschäden nach sich zieht. Trotzdem soll Rüstung künftig als „nachhaltige“ Anlage eingestuft werden, wie aus der schon im März veröffentlichten „Strategie für die Verteidigungsindustrie auf EU-Ebene“ (EDIS) hervorgeht.

Hintergrund ist das Vorhaben, innerhalb der kommenden Jahre weitere hunderte Milliarden Euro aufzutreiben, um die Staatengemeinschaft hochzurüsten. Dies soll die EU dazu befähigen, sein militärisches Engagement gegen Russland auch für den Fall aufrechtzuerhalten, dass die USA keine vorbehaltlose Unterstützung mehr bieten.

„Kriegstüchtigkeit“ auch ein Ziel der EU-Kommission

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat eine „neue Ära der europäischen Verteidigung und Sicherheit“ ausgerufen und laut „Zeit“ von mindestens 500 Milliarden Euro zusätzlich für Kriegsgerät gesprochen. Ihr früherer Industriekommissar Thierry Breton hatte schon kurzfristig 100 Milliarden Euro gefordert, um Europa „kriegstüchtig“ zu machen.

Eine Einstufung der Rüstungsproduktion als „nachhaltig“ hätte bis dato noch keine konkreten Konsequenzen für Anleger. Es wird zwar über künftige Steuervergünstigungen oder Regelungen diskutiert, um günstigere Finanzierungsbedingungen bei entsprechenden Projekten zu schaffen. Dies ist derzeit jedoch noch Zukunftsmusik.

Wer jedoch als Anleger gezielt in „klimafreundliche“ Wertpapiere, Fonds oder Projekte investieren will, könnte künftig auch Unternehmen wie Rheinmetall mitfinanzieren. Auf der anderen Seite können Fondsgesellschaften Anteile von Rüstungsunternehmen kaufen und trotzdem mit der „Nachhaltigkeit“ ihrer Anlage werben. Die Herstellung der europäischen Kriegstüchtigkeit hätte mit der Einstufung jedenfalls ihren Nachweis der ESG-Konformität.

De Masi konfrontierte Brüssel mit Bedenken

Der Europaabgeordnete des BSW, Fabio De Masi, hatte im EU-Parlament eine Anfrage an die EU-Kommission gerichtet. Er fragte, wie die Kommission ihre Pläne zur Einstufung von Rüstungsanlagen als „nachhaltig“ begründe. Zudem wollte er eine Erklärung vor dem Hintergrund, dass „bei der Produktion von Rüstungsgütern und deren Betrieb durch das Militär erhebliche Mengen an Treibhausgasen emittiert werden“.

Ein weiterer Punkt der Anfrage lautete:

Wie erklärt die Kommission ihr Vorhaben andererseits, wenn Aufrüstung zur Eskalation von (militärischen) Konflikten beitragen kann, die mit der Zerstörung von Infrastruktur und dem Verlust von Menschenleben einhergehen?“

In diesem Zusammenhang verwies er auf einen Artikel der „tageszeitung“ (taz), dem zufolge der Entscheidung eine intensive Einflussarbeit von Rüstungslobbyisten vorausgegangen sei. Recherchen der taz und der NGO Lobbycontrol zufolge hat es demnach in den vergangenen beiden Jahren nicht weniger als 44 Treffen zwischen Spitzenvertretern von Rüstungsindustrie und EU-Kommission gegeben.

Einstufung soll Kriegsindustrie den Zugang zu Finanzmitteln erleichtern

Mittlerweile ist auch eine Antwort vonseiten der EU-Kommission eingetroffen. Auf De Masis Einwände geht sie dabei nicht ein. Stattdessen bleiben die Ausführungen allgemein. So etwa, wenn es heißt, in der EDIS-Strategie sei „die Verbesserung des Zugangs der Verteidigungsindustrie zu Finanzmitteln eine Priorität“.

Der EU-Rahmen für ein nachhaltiges Finanzwesen wiederum umfasse „weder Beschränkungen für die Finanzierung des Verteidigungssektors noch eine Einstufung von Verteidigungstätigkeiten als nachhaltig im Sinne der EU-Taxonomie“.

Der Rahmen verfolge das Ziel, „Anreize für Investitionen in Tätigkeiten zu schaffen, die einen Beitrag zu den Umweltzielen der EU leisten“. Damit seien beispielsweise Investitionen in die Ökologisierung von Gebäuden oder in Verkehrslösungen gemeint. Diese könnten auf der Grundlage der Taxonomie gemeldet werden.

EU-Kommission: Tätigkeit zwar nicht nachhaltig – Rüstungskonzerne können aber zu mehr Nachhaltigkeit beitragen

In diesem Sinne würden zwar Verteidigungstätigkeiten als solche nicht unter die Taxonomie fallen. Allerdings könnten auch Verteidigungsunternehmen Investitionen auf deren Basis melden – „genau wie Unternehmen aus anderen Sektoren“. Die EU-Kommission unterstütze „die Anstrengungen dieses Sektors zur Verbesserung der Nachhaltigkeit, zur Verringerung der CO₂-Emissionen und zur Steigerung der Kreislauffähigkeit bei der Ressourcennutzung“.

Die Motive dahinter seien die Stärkung des Übergangs zu einer grünen Wirtschaft und der „Resilienz und Kosteneffizienz des europäischen Verteidigungssektors“.

Nach dieser Logik könnte die EU auch Zigarettenproduzenten, Online-Casinos oder Reifenwerke als nachhaltig einstufen. Diese wären – auch, wenn ihre Tätigkeit als solche die Nachhaltigkeits-Qualifikation nicht erfüllen dürfte – ebenfalls in der Lage, ihre Betriebsstätten ökologisch zu optimieren.

De Masi sieht in der Antwort der EU-Kommission einen Beweis dafür, dass „der militärisch-industrielle Komplex Europa fest im Griff hat“. Dieser versuche sich nun am Greenwashing des Krieges, dem schmutzigsten Geschäfts überhaupt. Gegenüber der „Berliner Zeitung“ erklärt der BSW-Abgeordnete:

Daran erkennt man den Irrsinn: Nichts ist so schädlich für das Klima wie Krieg und Zerstörung, aber Hauptsache der Panzer spart Sprit oder die Raketen werden klimaeffizienter produziert.“

 



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