„Schlechter Tag für Big Pharma“? So will Kennedy das Gesundheitssystem reformieren

Robert F. Kennedy soll unter Donald Trump Gesundheitsminister der USA werden. Er kündigt an, die ihm unterstellten Behörden mit fast 80.000 Mitarbeitern auf einen neuen Kurs zu bringen.
Künftig auf Trumps Seite: Der parteilose Robert F. Kennedy.
Der parteilose Robert F. Kennedy soll nach Willen des künftigen US-Präsidenten Donald Trump der neue Gesundheitsminister werden.Foto: Darryl Webb/AP/dpa
Von 16. November 2024

„Wir wollen Gesundheitsbeamte, die keine finanziellen Verflechtungen mit der Pharmaindustrie haben, die für uns tätig sind. Wir wollen Beamte, denen es um die Gesundheit unserer Kinder geht und nicht um pharmazeutische Profite oder Regierungskontrolle.“ Kritische Worte, die Robert F. Kennedy jr. am 29. August 2020 bei einer „Querdenken“- Demo vor Zehntausenden Menschen in Berlin sprach.

Nun, etwas mehr als vier Jahre später hat er die Möglichkeit, diese Dinge zu ändern. Am Donnerstag, 14. November, kündigte der künftige US-Präsident Donald Trump die Nominierung des 70-Jährigen als Gesundheitsminister an.

Von Konzernen bedrängte US-Bürger

Viel zu lange seien die US-Bürger „vom industriellen Lebensmittelkomplex und den Arzneimittelherstellern“ bedrängt worden, „die Täuschung, Fehlinformation und Desinformation betrieben haben, wenn es um die öffentliche Gesundheit ging“, lautete der inhaltlich ähnliche Tenor Trumps zur Kritik Kennedys an der Pharmaindustrie vor vier Jahren in Berlin.

Das Gesundheitsministerium werde nun unter der Leitung Kennedys „eine große Rolle dabei spielen, sicherzustellen, dass jeder vor schädlichen Chemikalien, Schadstoffen, Pestiziden, pharmazeutischen Produkten und Lebensmittelzusatzstoffen geschützt ist, die zur überwältigenden Gesundheitskrise in diesem Land beigetragen haben“.

Das Ministerium (Department of Health and Human Services, HHS) besteht seit 1979 und beaufsichtigt 13 verschiedene Behörden. Die bekanntesten sind die Centers for Disease Control and Prevention (CDC), die Food and Drug Administration (FDA) und die National Institutes of Health (NIH).

Es biete sich nun die Chance, die besten Köpfe aus Wissenschaft, Medizin, Industrie und Regierung zusammenzubringen, um der „Epidemie chronischer Krankheiten ein Ende zu setzen“, schrieb Kennedy auf X. Er freue sich darauf, „mit mehr als 80.000 Mitarbeitern des HHS zusammenzuarbeiten, um die Behörden von der erdrückenden Wolke der Vereinnahmung durch die Unternehmen zu befreien.“  Dann könnten sie Aufgabe nachgehen, „die Amerikaner wieder zu den gesündesten Menschen der Welt zu machen“.

Gemeinsam wolle man mit der Korruption aufräumen, die Drehtür zwischen Industrie und Regierung stoppen und unsere Gesundheitsbehörden zu ihrer reichen Tradition der evidenzbasierten Wissenschaft auf höchstem Niveau zurückführen“. Er werde den Amerikanern Transparenz und Zugang zu allen Daten bieten, damit sie „fundierte Entscheidungen für sich und ihre Familien treffen können“.

Wer Teil des „korrupten Systems“ ist, kann die Koffer packen

Wohin mit ihm der Weg gehen könnte, verdeutlichte Kennedy am 25. Oktober 2024 auf X: „Der Krieg der FDA gegen die öffentliche Gesundheit steht kurz vor seinem Ende. Dazu gehört die aggressive Unterdrückung von Psychedelika, Peptiden, Stammzellen, Rohmilch, hyperbaren Therapien, Chelatbildnern, Ivermectin, Hydroxychloroquin, Vitaminen, sauberen Lebensmitteln, Sonnenschein, Bewegung, Nutraceuticals und allem anderen, was die menschliche Gesundheit fördert und nicht von der Pharmaindustrie patentiert werden kann.“

Für die Menschen, die für die FDA arbeiteten „und Teil dieses korrupten Systems sind“, habe er zwei Botschaften: „1. Bewahren Sie Ihre Unterlagen auf, und 2. Packen Sie Ihre Koffer.“

Laut der englischsprachigen Epoch Times hat Kennedy vor wenigen Tagen angekündigt, die Ernährungsabteilungen der FDA abschaffen. „Es gibt ganze Abteilungen, wie die Ernährungsabteilung der FDA, die gehen müssen – die ihre Arbeit nicht machen. Sie schützen unsere Kinder nicht“, sagte er.  Auch empfahl er Trump, pharmazeutische Werbung im Fernsehen zu verbieten.

Bereits im September betonte er, dass er das NIH umgestalten würde, um sich auf die Ursachen von Autismus, Autoimmunerkrankungen und neurologischen Entwicklungskrankheiten zu konzentrieren, anstatt Medikamente zu entwickeln und als „Inkubator für pharmazeutische Produkte“ zu dienen.

Er wolle auch die Finanzierung des NIH auf den Kopf stellen. Er präsentierte einen Plan, der vorsieht, die Hälfte des Forschungsbudgets „für präventive, alternative und ganzheitliche Ansätze für die Gesundheit zu verwenden“, berichtet das Fachportal „PharmaVoice“.

Als überzeugter Befürworter der Regulierung von Chemikalien in Lebensmitteln schlug Kennedy kürzlich vor, dass McDonald’s Talgfett anstelle von Samenölen verwenden sollte, um seine Pommes Frites gesünder zu machen. Amerikanische Lebensmittelhersteller rügte er, weil sie Zutaten wie künstliche Farbstoffe verwendeten.

Wenn er die Chance bekäme, werde auch die leitenden Beamten der Behörden entlassen und Nachfolger einstellen, die „sie wieder in Heilungs- und Gesundheitsbehörden verwandeln“.

Zwischen Begeisterung und Entsetzen

Jubel, aber auch zurückhaltende Stimmen gibt es aus den Reihen der Republikaner. Wisconsins Senator Ron Johnson nennt Kennedy einen „brillanten, mutigen Wahrheitsverkünder„. Für Johnsons Amtskollege aus Alabama, Tommy Tuberville, ist Kennedy „eine absolut brillante Wahl“. Als „schlechten Tag Big Pharma“ bezeichnete der Senator von Missouri, Josh Hawley, die Nominierung Kennedys zum Gesundheitsminister.

Bedeckt hielt sich hingegen der neue Vorsitzende des Kongress‘, Senator John Thune aus South Dakota. Er lehnte es ab, sich zur Personalie Kennedys zu äußern und sagte: „Ich habe zu diesem Zeitpunkt keine Meinung“, berichtet der Sender „NBC News“. Thune wich einer Frage aus, ob er Kennedys Bestätigung unterstützen würde, indem er sagte, dass das Verfahren gerade erst beginne und es einen in der Verfassung verankerten „Überprüfungsprozess“ geben würde.

„Ich werde zu diesem Zeitpunkt keine Urteile über diese Leute (Anm. d. Red.: Die Kandidaten von Trump) fällen. (…) Es gibt Ausschüsse, die Anhörungen durchführen werden. Und es wird eine gründliche Prüfung dieser Nominierten geben, wenn die Zeit gekommen ist“, so der Senator.

Bei der politischen Opposition und der Pharmaindustrie kommt die Nominierung Kennedys erwartungsgemäß nicht gut an. So kommentierte der demokratische Senator Ron Wyden die Nominierung in einer Mitteilung gegenüber „NBC News“: „Mr. Kennedys haarsträubende Ansichten über grundlegende wissenschaftliche Fakten sind beunruhigend und sollten alle Eltern beunruhigen, die erwarten, dass Schulen und andere öffentliche Räume für ihre Kinder sicher sind.“

Mit drei Wörtern brachte Senator Ed Markey seine Einschätzung auf X zum Ausdruck: „Gefährlich. Unqualifiziert. Unseriös.“

Kennedy: Impfstoffe nicht verbieten

Zu den Behördenchefs, deren Stuhl kräftig wackelt, gehört Dr. Peter Marks, Leiter des Zentrums für Biologische Bewertung und Forschung der FDA. Gegenüber dem Nachrichtensender „CBS News“ sagte er, dass er hoffe, „eine gemeinsame Basis“ mit Kennedy zu finden.

„Was ich von ihm verlangen würde, ist, dass er für alles offen bleibt. Wir sind gerne bereit, so viele Daten wie möglich zu zeigen. Und ich denke, dass die Daten in bestimmten Bereichen im Wesentlichen überwältigend sind, aber wir müssen uns einfach auf den Dialog einlassen“, forderte er. Dass Kennedy der FDA mangelnde Transparenz in Bezug auf Daten vorwarf, wies Marks zurück. Er beteuerte, dass es keine geheimen Akten gebe.

Kennedy hatte in einem Interview mit „NBC News“ betont, dass er kein „Impfgegner“ sei. Er habe nicht vor, unter Trump Impfstoffe zu verbieten. „Wenn Impfstoffe bei jemandem wirken, werde ich sie nicht wegnehmen. Die Menschen sollten die Wahl haben, und diese Wahl sollte auf den besten Informationen beruhen“, hob er hervor.

„Also werde ich sicherstellen, dass es wissenschaftliche Sicherheitsstudien und Wirksamkeitsstudien gibt, und die Menschen können individuell beurteilen, ob dieses Produkt gut für sie sein wird.“

Kennedy ist der Neffe des 1963 ermordeten US-Präsidenten John F. Kennedy und der Sohn des fünf Jahre später ermordeten Senators Robert F. Kennedy. Er war jahrzehntelang Demokrat, entfernte sich dann aber zunehmend von der Partei. Im Präsidentschaftswahlkampf dieses Jahres war er zunächst als unabhängiger Kandidat angetreten. Im August zog er seine Kandidatur jedoch zurück und unterstützte Trump.



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