Ohne Impfung, kein Job: Europas Arbeitnehmern drohen harte Maßnahmen
„Freiheit, in der ich einem anderen nichts schulde, gibt es nicht“, sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Mitte Juli zu den Demonstranten, die sich gegen einen sogenannten „Gesundheitspass“ wehrten. Vielmehr sei die Freiheit, die die Demonstranten anfordern, „verantwortungslos und egoistisch“, so der Staatschef.
Das Parlament in Paris hat ein Gesetz im Sommer verabschiedet, das den Impfpass zu einem wichtigen Bestandteil des täglichen Lebens macht. Damit hat Macron die Impfung zur wichtigsten Waffe gegen COVID-19 in Frankreich erklärt. Zuerst betraf der Pass nur Besuche in Kinos, Nachtclubs und Restaurants. Später wurde er jedoch auf Angestellte im Gesundheitswesen ausgeweitet.
Frankreich: 3.000 Krankenschwester wurden suspendiert
Macron stellte dem Personal von Krankenhäusern, Altenheimen und der Feuerwehr im Juli ein Ultimatum, bis zum 15. September mindestens eine Spritze zu bekommen – sonst drohe eine unbezahlte Suspendierung.
Über 3.000 Krankenschwester wurden nach Ablauf dieser Frist tatsächlich suspendiert, weil sie sich nicht impfen ließen. Dies hat die ohnehin angespannte Lage in Frankreichs Krankenhäusern weiter verschärft. Selbst für Ärzte – die selbst vollständig geimpft sind – scheint die Entlassung von ungeimpftem Personal ein Schritt zu weit zu gehen.
„Es gibt bereits zu wenig Personal in den Krankenhäusern in Frankreich“, sagt Emmanuelle Seris, Sprecherin der französischen Gewerkschaft der Notärzte gegenüber „Fortune“. Es sei schwierig Pflegepersonal zu finden. Das liege auch daran, dass die Arbeitsbedingungen schlecht und die Gehälter zu niedrig seien.
Nach zahlreichen Protesten in den vergangenen Monaten hat sich die Lage in Frankreich jedoch offenbar wieder beruhigt. Macrons Plan scheint sich auszuzahlen: In den letzten drei Monaten sind die Impfquoten in Frankreich in die Höhe geschnellt. Etwa 85,5 Prozent der Franzosen über 12 Jahren sind jetzt vollständig geimpft. Laut Regierungsstatistiken ist die Zahl von 28 Millionen Mitte Juli auf etwa 49,3 Millionen im Oktober gestiegen.
Die französische Regierung will den Gesundheitspass nun bis zum Sommer 2022 einsetzen. Das Kabinett in Paris beriet über einen entsprechenden Gesetzesvorschlag. Demnach sollen die Strafen für gefälschte Gesundheitspässe auf bis zu fünf Jahre Haft und 75.000 Euro angehoben werden.
Ursprünglich hatte der Gesundheitspass nur bis zum 15. November seine Gültigkeit. Nach dem Gesetzentwurf muss die Regierung dem Parlament bis spätestens Ende Februar 2022 die Gründe für eine Verlängerung des Passes darlegen.
Die Entscheidung, nicht geimpfte Beamte – darunter Feuerwehrleute und sogar Bibliotheksangestellte – zu suspendieren, war sehr umstritten, zumal Macron im April nächsten Jahres ein harter Kampf um seine Wiederwahl bevorsteht.
Es gab monatelang wöchentliche Proteste, die zeitweise Zehntausende Menschen auf die Straße brachten, mit Schildern wie „Geimpft für die Freiheit“ und „Es ist unsere Entscheidung“.
Die Einführung des Gesundheitspasses „war politisch riskant, denn diese Berufe sind sehr begehrt“, sagte Emmanuel Rivière vom Meinungsforschungsinstitut Kantar Public. Trotzdem sagt Rivière, dass Macrons Entscheidung von den Franzosen zunehmend akzeptiert wird: „Langsam aber sicher ist der Anteil der Ablehner zurückgegangen“.
Italien: Ohne Corona-Pass keine Arbeit
In Italien ist hingegen von einer Entspannung der Lage bei weitem nicht die Rede. Dort lautet die neue Devise: ohne Corona-Pass keine Arbeit.
Der neue Beschluss der italienischen Regierung enthält einige der weltweit strengsten COVID-19-Vorschriften. Er verlangt von allen Arbeitnehmern die Vorlage eines sogenannten „Grünen Passes“, bevor sie ihren Arbeitsplatz betreten. Dies gilt für alle Beschäftigten des öffentlichen und privaten Sektors.
Das Dokument bescheinigt die Impfung, die Genesung von COVID-19 oder ein negatives Testergebnis.
Arbeitnehmer, die nicht im Besitz des „Grünen Passes“ sind, werden ohne Bezahlung suspendiert. Wenn sie dennoch weiterarbeiten, müssen sie sogar mit einer Geldstrafe zwischen 600 und 1.500 Euro rechnen.
Gemäß den Bestimmungen der Maßnahme sieht das Gesetz jedoch vor, dass Arbeitnehmern nicht gekündigt werden kann. Die neue Regelung wird bis Ende des Jahres gelten.
Grüner Pass „politisch und nicht gesundheitlich motiviert“
Tausende gingen am 15. Oktober in Italien auf die Straße und sie riefen dabei „Liberta“ (Freiheit). Ihre Hauptkritik: die Maßnahmen seien politisch und nicht gesundheitlich motiviert.
Nachrichtenagenturen berichten von chaotischen Zuständen in großen Häfen, darunter rund 300 Menschen, die die Einfahrt zum Hafen von Genua blockieren. Hunderte haben im Hafen von Triest protestiert, wo Hafenarbeiter Berichten zufolge mit einem unbefristeten Streik wegen der Vorschriften gedroht haben.
„Der Grüne Pass ist eine schlechte Sache, er ist eine Diskriminierung im Rahmen eines Gesetzes. Mehr nicht“, sagt Fabio Bocin, ein 59-jähriger Arbeiter aus Triest. Es sei keine Gesundheitsvorschrift, sondern nur ein politischer Schachzug, um die Menschen zu spalten.
Die größten Demonstrationen fanden im nordöstlichen Hafen von Triest statt, wo Gewerkschaftsgruppen mit einer Blockade des Hafenbetriebs gedroht hatten. Rund 6.000 Demonstranten versammelten sich vor den Toren des Hafens. Einige skandierten und trugen Fackeln.
Der Hafen von Triest startete die Demonstrationswelle gegen die Green-Pass-Verpflichtung, der Hafen von Ancona reagierte darauf, ebenso wie die Häfen Liguriens. Der Hafen von Genua, Gioia Tauro und Civitavecchia vor den Toren Roms haben ebenfalls mitgemacht. Die Blockierung der Häfen führt zu logistischen Störungen, Lastwagen können weder ein- noch ausfahren, weder be- noch entladen.
Die Hafenarbeiter sind jedoch nicht die einzigen, die sich gegen das Gesetz wehren. Auch vor den Turiner Fabriken gibt es starke Proteste. „Ich bin seit 32 Jahren hier“, erzählt ein Arbeiter in Turin gegenüber der konservativen „Medias Presse“. Doch am 15. Oktober wurde er nicht ins Gebäude seiner Arbeitsstelle hereingelassen, „weil ich nicht geimpft bin, man nimmt uns die Freiheit“, schimpfte er.
„Die Bürger sind verärgert, Gewalt ist nie gerechtfertigt, aber wir können es wirklich nicht mehr ertragen“, sagt er.
Die meisten Arbeitnehmer seien jedoch nicht generell gegen Impfung oder den Grünen Pass. Sie denken jedoch, dass „die Unternehmen die Kosten für die Tests aller Hafenarbeiter übernehmen sollten“, erklärt der Vorsitzende einer Gewerkschaft in Genua.
Blockade der Häfen belastet Italiens Wirtschaft
Laut Regierungsdokumenten haben 23 Prozent der Beschäftigten im privaten und öffentlichen Sektor keinen Grünen Pass in Italien. Dies lässt vermuten, dass es zu massivem Arbeitskräftemangel kommen wird, obwohl sich die italienische Wirtschaft gerade zu erholen versucht.
Einen Tag, nachdem Ministerpräsident Mario Draghi das Gesetz zum Grünen Pass unterzeichnet hatte, tauchten alarmierende neue Daten auf, die zeigen, wie groß die Störung für die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone werden könnte.
Am 14. Oktober erklärte der Leiter einer der wichtigsten Logistik- und Speditionslobbys des Landes gegenüber der italienischen Zeitung „Corriere della Sera“, dass das Gesetz wahrscheinlich 30 bis 40 Prozent seiner Mitglieder, vor allem LKW-Fahrer, dazu zwingen wird, die Arbeit auszusetzen.
„Und man darf nicht vergessen, dass es sich um einen Sektor handelt, der von einem chronischen Personalmangel betroffen ist“, sagte Umberto Ruggerone, Präsident von Confindustria, Italiens größter Industrielobby.
Mehr als 86 Prozent der Italiener über 12 Jahren haben inzwischen mindestens eine Impfdosis erhalten und 80 Prozent sind vollständig geimpft, so die offiziellen Zahlen.
Allerdings sind in Italien noch immer fast 8 Millionen Anspruchsberechtigte nicht geimpft, davon sind etwa fünf Millionen im arbeitsfähigen Alter.
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