Keine Diesel und Benziner mehr: Stockholm richtet eine strenge Umweltzone ein

Schweden will Vorreiter in Sachen Umwelt sein und führte schon 1991 eine CO₂-Steuer Steuer ein. Jetzt soll ein Business-Viertel im Zentrum von Stockholm zur strengen Umweltzone 3 werden. Diesel-, Benziner- oder Hybridautos haben dort Fahrverbot. Wirtschaftliche Folgen und Umsetzbarkeit sind ungewiss.
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In der Stockholmer Altstadt (Gamla Stan) konnte die rot-grüne Regierung vorerst nicht die Verkehrsverbotszone 3 durchsetzen.Foto: iStock
Von 10. Mai 2024

Im Zentrum von Stockholm, fünf Minuten Laufstrecke vom betriebsamen Fährhafen entfernt, wird ab 2025 erstmals in Schweden die strenge Umweltzone 3 eingerichtet. Dann wird in dem von vier befahren Hauptstraßen umschlossenen Viertel die Zufahrt für benzin- und dieselbetriebene Personen- sowie Lastfahrzeuge verboten sein.

Die EU hatte im April für das nahezu-Fahrverbot in dem Geschäftsviertel grünes Licht gegeben: Zahlreiche Bürohäuser mit teuren Geschäftsflächen von Nobelmarken sowie Parkhäuser zieren das Viertel. Deren Flanken sind jeweils circa 500 Meter lang, vermeldet „Transition News“. Wer ab 31. Dezember 2024 die strengen Auflagen der Zone 3 nicht erfüllt, muss sich etwas für den Lieferverkehr zu seinem Geschäft oder Zufahrt zur Firma überlegen.

Schweden will Vorreiter beim Klimaschutz sein

Für Fahrzeuge mit Benzin- oder Dieselmotoren gilt dann Fahrverbot, sogar für Autos und Transporter mit hybriden Antrieben. Nur noch Elektro-, Brennstoffzellen- und Gasfahrzeuge ist es erlaubt, ins Viertel zu fahren, aber auch die haben bestimmte Auflagen: Sie müssen der Euronorm 6 entsprechen.

Bei der „Umweltzone Klasse 3“ gibt es nach schwedischem Gesetz nur wenige Ausnahmen: schwere Lkw mit sogenannten Plug-in-Antrieben, Mopeds und Motorräder, Einsatzfahrzeuge oder Behindertentransporte. Demnach kommen auf den Zulieferverkehr der vielen Nobelgeschäfte in dem Business-Viertel Stockholms ab 2025 massive Beschränkungen zu.

Ebenfalls auf Anwohner, die sich möglicherweise kein E-Auto leisten können oder wollen. Oder auch auf Kunden, deren fahrbare Untersätze nicht den strengen Anforderungen entsprechen. Wer mit dem falschen Fahrzeug in die Zone fährt, riskiert ein Bußgeld von circa 90 Euro.

Geschäftsinhaber befürchten Umsatzrückgänge

Ladenbetreiber und Geschäftsinhaber befürchten laut „Transition News“ mit dieser Zone weitere Umsatzrückgänge – zusätzlich zur jetzt bereits spürbaren Rezession. Die wenigsten Kunden verfügten über ein E-Fahrzeug, moniert ein HiFi-Verkäufer. Und er mutmaßt über die Politik: „Die wollen nur noch Restaurants und Clubs im Zentrum, einkaufen sollen die Menschen außerhalb der Stadt in den Malls.“ Eine Boutique-Besitzerin erklärt gegenüber „Transition News“: „Wir finden E-Autos gut, aber das geht alles viel zu schnell, das ist zu früh und zu plötzlich.“

Geplant war zudem eine weitere „Umweltzone Klasse 3“ in Stockholm. Die rot-grüne Regierung wollte ein Verbrennerverbot auch für Gamla Stan, die auf der Insel Stadsholmen gelegene Altstadt der schwedischen Hauptstadt, durchsetzen. Dies scheiterte am massiven Widerstand wegen wirtschaftlicher Auswirkungen.

Unter anderem erwies sich als Hemmschuh des Vorhabens, dass es in Schweden keine Busse gibt, die den Kriterien der Umweltzone 3 entsprechen. Somit könnten die Touristenströme in die Altstadt unter den Zone-3-Regeln nicht gewährleistet werden. Dies könne desaströse Umsatzeinbußen mit sich bringen.

Welche wirtschaftlichen Einschnitte die neue Zone 3 ab 2025 im Geschäftsviertel bewirken wird, bleibt abzuwarten. Schützen sollen die Umweltzonen offiziell die Gesundheit der Menschen, vorrangig der Anwohner – auch wenn es davon im Stockholmer Geschäftsviertel wenig gibt.

Umweltzonen in Schweden seit 1995

Schweden sieht sich, was Umweltschutz anbelangt, gerne in einer Vorreiterrolle. In dem skandinavischen Land gibt es bereits seit 1991 eine CO₂-Steuer. Um in der Bevölkerung eine Akzeptanz dafür zu erreichen und um Widerstand gegen die kontinuierliche Erhöhung der CO₂-Steuer zu reduzieren, wurden in Schweden parallel Vermögenssteuer und Ertragssteuer gesenkt.

Umweltzonen gibt es in Schweden bereits seit 1995. Die Entscheidung über deren Einführung fällen die Gemeinden und Städte selbst: Eingeteilt wird in drei Klassen. Zone 1 betrifft nur Busse und Lkw, die schwerer als 3,5 Tonnen sind. Sie gilt bislang in Göteborg, Malmö, Mölndal, Uppsala, Helsingborg, Lund, Stockholm und Umeå. Die Umweltzone Klasse 2 gilt für Pkw, leichte Busse und Kleintransporter, die weder mit Wasserstoff noch mit Elektrizität fahren. Sie müssen mindestens der Euronorm 5 entsprechen. Bislang gibt es diese Umweltzone nur in einer Straße in Stockholm, in der Hornsgatan im Stadtteil Södermalm.

Die jetzt geplante, erstmalige Einführung der neuen Umweltzone Klasse 3 in dem Geschäftsviertel am Hafen mit den strengsten Auflagen soll noch ausgeweitet werden. Mit der Einführung der Fahrverbote für Verbrenner will Stockholm auch eine schnellere Umstellung auf Elektrofahrzeuge forcieren. Ende 2022 waren vier Prozent aller in Schweden zugelassenen Personenkraftwagen Elektroautos, bei leichten Lkw sind es bislang nur 2,8 Prozent und bei schweren Lkw liegt die Elektroantriebquote nur bei etwa 0,5 Prozent.

Der schwedische Weg auf Linie mit EU-Plänen

Mitte Februar 2024 haben sich Länder und EU-Parlament auf noch strengere Schadstoffgrenzen geeinigt: Die Grenzwerte bei Feinstaub, Stickstoffdioxid und Schwefeldioxid sollen demnach schon bis 2030 um mindestens die Hälfte sinken. Die Befürworter der Verschärfung der EU-Vorgaben verweisen darauf, dass die bislang geltenden Grenzwerte bis zu 20 Jahre alt und dadurch „veraltet“ seien.

Kritiker der neuen Richtlinie setzen dem entgegen, dass Menschen in der EU in den 1970er- und 1980er-Jahren deutlich höheren Schadstoffbelastungen ausgesetzt waren. Dennoch sei auch in diesen Jahren die durchschnittliche Lebenserwartung deutlich angestiegen. Epoch Times berichtete.

Fahrverbote in Innenstädten sind Maßnahmen, die von vielen Städten in der Europäischen Union eingeführt wurden. Um die EU-Standards zur Luftqualität zu erfüllen, haben viele Mitgliedstaaten Luftreinhaltepläne entwickelt, um diese Vorgaben zu erfüllen. Diese sollen jetzt auch für die neue EU-Regelung aktualisiert werden.

Eine einheitliche Regelung für die unterschiedlichen Zonen gibt es allerdings nicht. Um nicht hohe Bußgelder zu riskieren, müssen sich übrigens Autofahrer, die mit dem eigenen Fahrzeug in den Innenstädten Europas unterwegs sind, selbst vorab informieren. Hier gibt es einen aktuellen Überblick vom ADAC über die Zonen, Regeln und Beschränkungen in Europa.

Rückbau der Umweltzonen in Deutschland – Hannover macht den Start

In Deutschland gibt es aktuell 43 Umweltzonen, wie die Übersicht des Umweltbundesamtes zeigt. In 42 davon sind ausschließlich Fahrzeuge mit grüner Plakette zulässig. Erst kürzlich, zum 22. Februar 2024, wurde die Umweltzone in Hannover aufgehoben, an die 600 Hinweisschilder werden aktuell wieder rückgebaut. Prüfungen hatten ergeben, dass die Stickstoffoxidbelastung in der Stadt an allen Messstationen signifikant gesunken ist und bereits seit 2020 unter den Grenzwerten lag. Damit wird der Luftreinhalteplan, der seit 2007 in Kraft war, durch einen neuen ersetzt, in welchem die Umweltzone in der niedersächsischen Landeshauptstadt entfällt. Laut Umweltbundesamt ist aktuell „die Aufhebung von weiteren Umweltzonen in Planung“.

Ob es dazu überhaupt kommt oder gar die Umweltzone in Hannover wieder eingerichtet werden muss, wird sich bei Inkrafttreten der geplanten Einschränkungen aufgrund der neuen, strengeren EU-Vorgaben zu Schadstoffobergrenzen zeigen.

 



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