Steinmeier in der Türkei: Außer Spesen nichts gewesen?
Der Besuch von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in Ankara hat keine Annäherung der gegensätzlichen Positionen gebracht. Er beklagte, dass sich das Vorgehen Ankaras gegen die Opposition „längst nicht mehr auf die Verfolgung der Verantwortlichen für den gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli“ beschränke. Steinmeier sprach zum Abschluss seiner Visite am Dienstagabend von den „erwartet schwierigen Gesprächen mit der türkischen Führung“.
„Das Vorgehen gegen oppositionelle Abgeordnete und die Zivilgesellschaft, Zeitungen, Radio- und Fernsehsender und zahllose Lehrer und Beamte entspricht bei weitem nicht unseren rechtsstaatlichen Standards“, sagte Steinmeier.
Dies habe er bei seinen Gesprächen „genauso deutlich herausgestellt wie unsere Bereitschaft, auf der Grundlage unserer europäischen Werte mit der Türkei wieder eng und partnerschaftlich zusammenzuarbeiten“. Steinmeier traf während seines eintägigen Besuchs nicht nur die Staats- und Regierungsspitze, sondern auch Vertreter der Opposition und der Zivilgesellschaft.
Steinmeier wurde in Ankara zunächst von seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu empfangen, danach zusätzlich zum angekündigten Programm auch von Staatschef Recep Tayyip Erdogan und Ministerpräsident Binali Yildirim. Nach Angaben aus Delegationskreisen dauerte das Gespräch mit Erdogan zwei Stunden.
Zu Erdogans Drohung vom Vortag, ein Referendum über die stockenden EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei anzusetzen, sagte Steinmeier lediglich, dies habe nur die Türkei zu entscheiden.
Verbales Gefecht bei der Pressekonferenz
Steinmeier äußerte offen seine „Sorge“ über den Repressionskurs in der Türkei. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Cavusoglu nannte er konkret die Massenverhaftungen und -entlassungen in der Türkei nach dem gescheiterten Militärputsch, die Verhaftung auch von Abgeordneten insbesondere der prokurdischen HDP sowie den Umgang der türkischen Regierung mit der Meinungs- und Pressefreiheit.
Cavusoglu wies solche Vorwürfe auf offener Bühne scharf zurück und warf dem Westen „Doppelstandards und Heuchelei“ vor. Er kritisierte, dass wegen Spionage Verurteilte in Deutschland „auf höchster Ebene“ empfangen würden – offensichtlich eine Anspielung auf den Empfang des Ankara-kritischen Journalisten Can Dündar durch Bundespräsident Joachim Gauck.
Die Massenverhaftungen in der Türkei rechtfertigte Cavusoglu, hier gehe es um Unterstützer des gescheiterten Militärputsches und der aus Sicht der türkischen Regierung dahinter stehenden Gülen-Bewegung. Auch warf Cavusoglu seinerseits Deutschland vor, „Terroristen“ der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und der Gülen-Bewegung Schutz zu bieten. Vor allem hinsichtlich der PKK wies Steinmeier die Anschuldigung zurück.
Grundsätzliche Einigkeit bei Bekämpfung des „Islamischen Staates“
Grundsätzlich einig waren sich beide Seiten in der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Islamischen Staat (IS). Cavusoglu lobte dabei, dass die im türkischen Incirlik stationierten deutschen Tornado-Flugzeuge „einen sehr großen Beitrag nicht nur im Kampf gegen den IS leisten, sondern auch bei der Bekämpfung des Terrorismus insgesamt.“ Offen blieb, ob er dies auf türkische Aktionen gegen Kurden bezog.
Am Morgen hatte sich Steinmeier in der deutschen Botschaft mit türkischen Journalisten und Intellektuellen getroffen, die sich für Menschenrechte, Pressefreiheit und für die Rechte der Kurden einsetzen. Am Nachmittag traf er Politiker der Oppositionsparteien CHP und HDP.
„Die Demokratie in der Türkei steht auf der Kippe“, sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) am Rande politischer Gespräche in Brüssel. Die Linken-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen forderte in Berlin die Bundesregierung auf, ihre „willfährige Unterstützung für das demokratiefeindliche Regime in der Türkei zu beenden“.
Amnesty International (ai) forderte von Steinmeier, „bedrohten Journalisten, Aktivisten und Oppositionellen konkrete Hilfe anzubieten“. Die ai-Türkei-Expertin Marie Lucas sagte AFP, es sei wichtig, dass die Kritik „konsequent vorgetragen und nicht mehr aus Angst um das Flüchtlingsabkommen unter den Teppich gekehrt wird“. (afp)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion