Kaum noch Hoffnung für „Titanic“-Besucher
Mehr als drei Tage nach dem Verschwinden des „Titanic“-Tauchboots im Atlantik schwindet die Hoffnung auf ein Überleben der fünf vermissten Besucher. Den fünf Menschen an Bord geht langsam der Sauerstoff aus: Er dürfte nur noch für wenige Stunden reichen, falls die „Titan“ überhaupt weiter intakt ist. Die Rettungstrupps unter Führung der US-Küstenwache verstärkten ihre Anstrengungen gestern (Ortszeit) erneut und konzentrierten sich auf ein Gebiet, aus dem zuvor Geräusche aufgenommen wurden.
Die Laute, die am Dienstagabend und gestern Morgen registriert wurden, hatten Hoffnungen geschürt, das Tauchboot mit den Insassen zu finden. Die Geräusche sollen einem internen Memo der US-Regierung zufolge in regelmäßigen Abständen aufgetaucht sein – doch sie ließen sich laut Such-Koordinator Jamie Frederick zunächst keinen Menschen zuordnen: „Wir wissen nicht, was das ist.“
Geräusche müssen kein Klopfen sein
Die Töne, die als Klopfen interpretiert wurden, könnten einem US-Experten zufolge viele Ursachen haben. „Aus meiner Erfahrung mit der Akustik kann ich Ihnen sagen, dass es Geräusche von biologischen Stoffen gibt, die für das ungeübte Ohr von Menschen gemacht klingen“, sagte Carl Hartsfield vom Oceanographic Systems Laboratory. Auch könnten sie von Schiffen in dem Suchgebiet stammen. Laut David Marquet, einem pensionierten Kapitän der US-Marine, sind die Aufzeichnungen aber zumindest ein Grund zur Hoffnung. Regelmäßiges Klopfen sei genau die Art von Lauten, die die Insassen machen würden, um zu signalisieren, dass sie noch leben, sagte er der BBC.
Das Tauchboot wird seit Sonntagvormittag (Ortszeit) vermisst. Die „Titan“ war mit fünf Menschen an Bord auf dem Weg zum Wrack des 1912 gesunkenen Luxusdampfers. Das „Titanic“-Wrack liegt in rund 3.800 Metern Tiefe. Etwa eine Stunde und 45 Minuten nach Beginn des Tauchgangs riss der Kontakt zum Mutterschiff „Polar Prince“ ab.
Zahlreiche Schiffe entsandt
Die Suche aus der Luft und mit Schiffen wurde indes weiter verstärkt. Ein französisches Spezialschiff mit einem Tauchroboter an Bord wurde in der Nacht zum heutigen Donnerstag (MESZ) vor Ort erwartet. Auch die kanadische „HMCS Glace Bay“, die eine Dekompressionskammer und medizinisches Personal an Bord hat, war unterwegs in das riesige Suchgebiet. Verunglückte Taucher müssen nach der Rettung schnell in eine solche Kammer, um bleibende Schäden zu verhindern. Die US-Navy schickte das Schiffshebesystem „Fadoss“.
Such-Koordinator Frederick sprach auf Nachfrage angesichts des sich schließenden Zeitfensters auch über ein mögliches Scheitern der Mission. „Manchmal finden wir nicht, wonach wir suchen“, sagte er. Dann komme es vor, „dass man eine schwierige Entscheidung treffen muss. Wir sind aber noch nicht an diesem Punkt“, betonte Frederick. Falls dieser Fall eintrete, würden die Familien der Vermissten lange vor der Öffentlichkeit unterrichtet. Frederick sagte auch, dass es gelte, „optimistisch und hoffnungsvoll“ zu bleiben. Es handle sich weiter um einen Rettungseinsatz – nicht um eine Bergungsmission.
„Monsieur Titanic“ an Bord
An Bord der „Titan“ befindet sich auch der Forscher Paul-Henri Nargeolet (77). Der als „Monsieur Titanic“ bekannte Franzose gilt als einer der führenden Experten für das Wrack des Luxusliners. Weitere Insassen sind der britische Abenteurer Hamish Harding (58), der mehrere Guinness-Weltrekorde hält, sowie der britisch-pakistanische Unternehmensberater Shahzada Dawood (48) und dessen 19-jähriger Sohn Suleman. Der fünfte Vermisste ist der Chef der Betreiberfirma Oceangate, Stockton Rush (61), der das Boot steuerte.
Nach Angaben des Betreibers hat die 6,70 Meter lange „Titan“ ausreichend Sauerstoff, um fünf Menschen für 96 Stunden zu versorgen. Aber auch danach würden Menschen zunächst wahrscheinlich erst einmal bewusstlos und seien nicht gleich tot, sagte Kenneth Ledez, Professor für Überdruckmedizin, der BBC. Es gebe auch danach noch Hoffnung, sie lebend zu finden. Menschliche Körper reagierten ganz unterschiedlich auf mangelnden Sauerstoff.
Pechschwarze Dunkelheit, riesiger Wasserdruck
Aber selbst, wenn die Kapsel geortet wird, könnte eine Bergung einige Zeit in Anspruch nehmen. In der Nähe der „Titanic“ knapp 700 Kilometer südlich von Neufundland sind die Bedingungen schwierig. Es herrscht pechschwarze Dunkelheit, und der Wasserdruck ist riesig.
An der Sicherheit der „Titan“ waren zuletzt zunehmend Zweifel aufgekommen. Dafür sorgten auch Aussagen von Oceangate-Chef Rush in einem Podcast des CBS-Reporters David Pogue, der 2022 mit der „Titan“ mitgefahren war. „Wissen Sie, irgendwann ist Sicherheit reine Verschwendung“, sagte Rush da. „Ich meine, wenn Sie auf Nummer sicher gehen wollen, stehen Sie am besten nicht auf. Steigen Sie nicht in Ihr Auto. Tun Sie gar nichts.“ Die BBC berichtete unter Berufung auf US-Gerichtsdokumente, ein Oceangate-Mitarbeiter habe 2018 vor potenziellen Sicherheitsproblemen gewarnt. Mängel im Karbonrumpf des Boots könnten ohne strengere Tests unentdeckt bleiben, hieß es.
Oceangate bietet zahlungskräftigen Kunden eine abenteuerliche Reise – die Kosten für die insgesamt achttägige Expedition liegen bei 250.000 US-Dollar (229.000 Euro) pro Person. Die Tauchfahrt zur Titanic selbst solle aber immer nur einige Stunden dauern.
Die „Titanic“ war im April 1912 auf ihrer Jungfernfahrt von Southampton nach New York im Nordatlantik gesunken. Mehr als 1.500 der 2.200 Menschen an Bord starben. Die in zwei große Teile zerbrochenen Überreste des berühmten Luxusdampfers wurden 1985 entdeckt. (dpa/red)
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