Katar: 33 Geiseln gegen 1.900 Palästinenser – Waffenruhe soll Sonntag früh beginnen

Die Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen soll morgen 7:30 Uhr in Kraft treten. Umstritten ist noch etwas, welche Palästinenser entlassen werden – auf einer Austauschliste stehen auch mehrere wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilte Mitglieder der Hamas, des Palästinensischen Islamischen Dschihad und der Fatah-Bewegung.
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Am 17. Januar 2025 vor den Trümmern eines eingestürzten Gebäudes in Bureij im zentralen Gazastreifen.Foto: Eyad Baba/AFP über Getty Images
Epoch Times18. Januar 2025

Die zwischen Israel und der radikalislamistischen Hamas vereinbarte Waffenruhe soll nach Angaben des Vermittlerstaats Katar am Sonntagmorgen um 7:30 Uhr MEZ im Gazastreifen in Kraft treten. Darauf hätten sich die beiden Konfliktparteien und die Vermittler geeinigt, schrieb der Sprecher des katarischen Außenministeriums, Madschid al-Ansari, in einem Post auf der Plattform X.

Zuvor hatte es geheißen, die Feuerpause solle um 11:15 Uhr MEZ in Kraft treten. Laut der israelischen Nachrichtenseite „Ynet“ ist die Freilassung der ersten Geiseln weiterhin um 15:00 Uhr MEZ geplant.

Die Anwohner sollen „äußerste Vorsicht walten lassen und auf Anweisungen von offiziellen Quellen warten“, so Madschid al-Ansari.

Nach Israels Sicherheitskabinett stimmte auch die gesamte Regierung des jüdischen Staates nach siebenstündiger Sitzung für die Vereinbarung mit der Hamas, wie das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in der Nacht mitteilte.

Der rechte Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir hatte Medien zufolge gedroht, die Koalition im Fall einer Billigung zu verlassen. Laut israelischen Medien stimmten am Ende 24 Minister für den Deal, acht dagegen.

Wie es jetzt weitergeht

  • Nach israelischem Recht dürfen Angehörige von Terroropfern gegen die Freilassung bestimmter palästinensischer Häftlinge Einspruch einlegen. Für eine solche Petition beim Obersten Gericht haben sie nach dem Regierungsbeschluss 24 Stunden Zeit. Es wird aber nicht erwartet, dass die Richter einen Grund dafür sehen, die Vereinbarung zu durchkreuzen.
  • Die Waffenruhe soll gemäß dem Abkommen zunächst für 42 Tage gelten.
  • In der Zeit sollen 33 der insgesamt 98 Geiseln freikommen, die sich seit vielen Monaten und teils sogar Jahren in der Gewalt der Hamas befinden. Am Sonntag sollen die ersten drei von ihnen übergeben werden. Berichten zufolge wird die Hamas heute bekanntgeben, um wen es sich dabei handelt. Ausgegangen wird von drei Zivilistinnen.
  • Im Gegenzug werden laut israelischen Angaben über 1.900 palästinensische Häftlinge aus Israels Gefängnissen entlassen. Israels Justizministerium veröffentlichte eine Liste mit den Namen von mehr als 90 Häftlingen, die am Sonntag gegen die ersten Geiseln ausgetauscht werden sollen. Die Liste benennt 69 Frauen, 16 Männer und zehn Minderjährige, darunter ein 16-Jähriger. Sieben von ihnen wurden vor dem Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 inhaftiert.
  • Der Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und Gaza soll wieder öffnen und die Einfuhr humanitärer Hilfe für die Palästinenser deutlich aufgestockt.
  • Israels Militär soll aus dicht besiedelten Gebieten des Gazastreifens abziehen. Die in den Süden des abgeriegelten Küstenstreifens geflohenen Einwohner sollen sich wieder frei bewegen und unter internationaler Aufsicht in ihre Wohngebiete im Norden Gazas zurückkehren dürfen.
  • Die Details der zweiten und dritten Phase des Abkommens über ein dauerhaftes Ende des Krieges und einen kompletten Abzug Israels aus dem Gazastreifen wollen die Konfliktparteien während der ersten Phase klären.

Wer sind die 1.904 Palästinenser?

Bei den Palästinensern handele es sich um 1.167 festgenommene Bewohner des Gazastreifens, die nicht an dem Massaker der Hamas und anderer Extremisten aus dem Küstenstreifen vom 7. Oktober 2023 beteiligt waren, teilte die Regierung weiter mit. Dabei dürfte es sich vor allem um Hamas-Kämpfer handeln, die während der vergangenen mehr als 15-monatigen Kämpfe gefangen genommen wurden.

Unter den anderen 737 freizulassenden Palästinenser sind Häftlinge, die wegen schwerer Straftaten wie etwa Mord einsitzen. Weiterhin gehören Häftlinge dazu, die wegen leichter Delikte wie Steinwürfe im Westjordanland oder illegalem Grenzübertritt sowie auch illegalen Waffenbesitzes oder anderer Gesetzesverstöße inhaftiert oder verurteilt wurden.

Das israelische Justizministerium veröffentlichte eine Liste mit insgesamt 22 Häftlingen, denen schwere Angriffe auf Israelis vorgeworfen werden.

Die Zeitung „Jerusalem Post“ berichtete, dazu gehöre etwa Sacharia Subaidi. Er war während des zweiten Palästinenseraufstands Intifada ab 2000 Befehlshaber des militärischen Arms der Fatah-Bewegung, der Al-Aksa-Brigaden, in Dschenin im nördlichen Westjordanland. Dabei wurden von 2000 bis 2005 rund 3.500 Palästinenser getötet, mehr als 1.000 Israelis starben bei Anschlägen von Palästinensern.

Auf der Liste der freizulassenden Häftlinge stand auch Mahmud Atallah, der eine lebenslange Haftstrafe plus 15 Jahre für die Ermordung einer Palästinenserin verbüßt, die der Kollaboration mit Israel beschuldigt wurde. Weitere Namen umfassen Wael Kassem und Wisam Abbasi, die an Bombenanschlägen in Israel mit Dutzenden Toten beteiligt gewesen sein sollen.

Nicht freigelassen werden soll hingegen der prominenteste palästinensische Häftling in Israel, Marwan Barghuti aus der Führungsebene der Fatah-Bewegung. Er war 2004 wegen fünffachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

Ägypten sprach davon, das mehr als 1.890 palästinensische Häftlinge freigelassen werden.

Hält das Abkommen?

Wie stabil das Abkommen langfristig sein wird, ist fraglich. Die Verhandlungen der vergangenen zwei Tage, als es in letzter Minute noch um strittige Detailfragen ging, zeigten einmal mehr, wie heikel das Gesamtpaket ist.

Netanjahu teilte erst am frühen Freitag mit, dass eine Einigung erzielt worden sei – fast zwei Tage, nachdem der Vermittlerstaat Katar eine solche eigentlich bereits verkündet hatte.

Angesichts des tiefen Misstrauens ist offen, ob sich Israels Regierung und die Hamas über Wochen an die vereinbarten Schritte halten werden und ob zum Beispiel bestimmte Passagen jeweils anders ausgelegt werden. Der Ausgang der Verhandlungen in den nächsten Phasen des Deals über ein dauerhaftes Ende des Krieges und einen Abzug Israels aus Gaza ist denn auch ungewiss.

So müssen sich beide Kriegsparteien unter anderem noch über die Listen der restlichen freizulassenden Hamas-Geiseln sowie der von Israel freizulassenden Häftlinge einigen. Unter den Verschleppten sind auch Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft, darunter mehrere Deutsche.

Wie die „Times of Israel“ in der Nacht berichtete, befinden sich auf einer neuen Liste des israelischen Justizministeriums mehr als 700 palästinensische Häftlinge, darunter mehrere wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilte Mitglieder der Hamas, des Palästinensischen Islamischen Dschihad und der Fatah-Bewegung des im Westjordanland regierenden Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas.

Offen sind auch der Zeitplan und das Ausmaß des Rückzugs des israelischen Militärs aus dem Gazastreifen sowie die Frage, wie das relativ kleine Gebiet am Mittelmeer nach dem Ende des Krieges regiert werden soll.

Setzt Israel den Krieg fort?

Sollte das Abkommen scheitern, könnten die Kämpfe in dem weitgehend zerstörten Palästinensergebiet erneut ausbrechen – zumal es auf beiden Seiten entschiedene Befürworter einer Fortsetzung des Krieges gibt.

So könnte sich Israels Ministerpräsident Netanjahu dafür entscheiden, nach der ersten Phase aus dem Abkommen auszusteigen, um den Zusammenbruch seiner Regierungskoalition zu vermeiden, sagte Daniel Levy, ein früherer israelischer Regierungsbeamter und Verhandlungsführer, dem „Wall Street Journal“.

Laut der US-Nachrichtenseite „Axios“ soll Netanjahu beim Treffen des Sicherheitskabinetts gesagt haben, die USA hätten ihm für den Fall, dass die weiteren Verhandlungen scheitern und Israels Sicherheitsforderungen nicht erfüllt werden, Unterstützung für die Fortsetzung des Krieges zugesichert – und zwar sowohl die Regierung des scheidenden Präsidenten Joe Biden als auch das Lager seines designierten Nachfolgers Donald Trump. Die US-Nachrichtenseite berief sich dabei auf einen Vertrauten Netanjahus.

Greifen die Huthi erneut an?

Kurz vor Inkrafttreten der Waffenruhe hat die israelische Armee Beschuss aus dem Jemen gemeldet. Sirenen seien im Zentrum des Landes und in Jerusalem ausgelöst worden, „infolge eines Geschosses, das aus dem Jemen abgefeuert wurde“, erklärten die israelischen Streitkräfte am Samstag im Onlinedienst X. Wenig später teilte die Armee mit, sie habe das Geschoss abgefangen.

Journalisten der Nachrichtenagentur AFP berichteten von Sirenen und Explosionen, die gegen 10:20 Uhr (Ortszeit, 9:20 Uhr MEZ) in Jerusalem zu hören waren.

Der Jemen wird zu großen Teilen von der Huthi-Miliz kontrolliert. Seit Beginn des durch den Hamas-Großangriff auf Israel ausgelösten Gaza-Krieges feuert die vom Iran unterstützte Miliz immer wieder Raketen auf Israel ab.

Bei einem solchen Angriff auf Tel Aviv wurden im Dezember 16 Menschen verletzt. Am Freitag hatten die Huthis gedroht, dass sie ihre Angriffe fortführen würden, sollte Israel sich nicht an die Bedingungen des Abkommens mit der Hamas halten.

Wie die Hamas und die Hisbollah-Miliz im Libanon gehören die Huthis im Jemen zu der vom Iran angeführten und gegen Israel und die USA gerichteten „Achse des Widerstands“. Seit Beginn des Gaza-Kriegs greift die Huthi-Miliz auch Schiffe im Roten Meer und im Golf von Aden an.

Wie steht es um die Öffnung von Grenzübergang?

Derweil laufen die Vorbereitungen zur Öffnung des Grenzübergangs Rafah zwischen Ägypten und dem Gazastreifen laut ägyptischen Sicherheitsquellen auf Hochtouren. Dutzende Lastwagen stünden bereit.

Insgesamt wurden nach Angaben des Ägyptischen Roten Halbmonds rund 600 Lkw vorbereitet. Die palästinensische Seite des Grenzübergangs wird seit Mai vergangenen Jahres von Israels Armee kontrolliert. Der Übergang ist seitdem geschlossen. (dpa/red)



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