Katalanen beharren trotz Drucks aus Madrid auf Unabhängigkeitsreferendum
Unbeirrt vom massiven Einsatz spanischer Sicherheitskräfte hält die katalanische Unabhängigkeitsbewegung an ihren Plänen für ein Referendum am 1. Oktober fest. Am dritten Tag in Folge gingen Demonstranten am Freitag in Barcelona und anderswo auf die Straße. Am Rande der Regionalhauptstadt versammelten sich etwa 2.000 Aktivisten vor dem Gericht, in dem sechs von 14 am Mittwoch festgenommenen Regierungsmitarbeitern der Prozess gemacht wurde.
Die Demonstranten schwenkten rotgelbe Unabhängigkeitsfahnen und riefen: „Freiheit für die Festgenommenen!“ Die sechs Funktionäre, gegen die unter anderem wegen zivilen Ungehorsams und Veruntreuung ermittelt wird, weigerten sich Fragen zu beantworten. Sie wurden vorläufig auf freien Fuß gesetzt, müssen kommende Woche aber erneut vor Gericht erscheinen.
„Ich weiß nicht, ob sie es bemerken, aber jedes Vorgehen erweist sich als Bumerang gegen sie selbst“, hatte zuvor der katalanische Regierungssprecher Jordi Turull an die Adresse Madrids gerichtet gesagt. Der Chef der Regionalregierung, Carles Puigdemont, schrieb in einem Beitrag für die „Washington Post“: „Tut uns Leid, Spanien – Katalonien stimmt über die Unabhängigkeit ab, ob es Euch gefällt oder nicht!“
Im Zentrum von Barcelona stürmten hunderte Demonstranten den Sitz der Universität. Sie kündigten die Besetzung des Gebäudes an. Auch Aufrufe für einen Generalstreik wurden laut. Hunderte Studierende riefen: „Wir werden abstimmen.“
Wahlurnen, Stimmzettel und sonstige Referendumsunterlagen massenweise beschlagnahmt
Es war nicht bekannt, wo sich die Wahlurnen für die Abstimmung befanden, die am übernächsten Sonntag abgehalten werden soll. Die spanischen Einsatzkräfte hatten Wahlurnen, Stimmzettel und sonstige Referendumsunterlagen massenweise beschlagnahmt. Madrid will den Volksentscheid mit allen Mitteln verhindern.
Die spanische Militärpolizei Guardia Civil will nach eigenen Angaben den Anweisungen der Staatsanwaltschaft folgen. Sie war am Mittwoch in die wichtigsten Büros der Regionalregierung, die Abteilungen für Wirtschaft und Außenpolitik sowie das Büro von Puigdemont eingedrungen.
Schiffe mit 6.600 Sicherheitskräften liegen in Barcelona und Tarragona im Hafen
In den Häfen von Barcelona und Tarragona lagen drei Schiffe, auf denen je nach Bedarf bis zu 6.600 Sicherheitskräfte für weitere Einsätze gegen die Unabhängigkeitsbefürworter stationiert werden können. Der spanische Regierungssprecher Íñigo Méndez de Vigo sagte, die zusätzlichen Kräfte der Polizei und der Guardia Civil würden die katalanischen Polizisten der Mossos d’Esquadra „verstärken und unterstützen“.
„Was Spanien sagt, interessiert mich nicht!“, sagte die 50-jährige Angestellte Miriam de Simón in Barcelona. „Wir unterstützen unsere Regierung, wir werden länger als zehn Tage durchhalten.“
47 Abgeordnete des Europäischen Parlaments richteten ein Schreiben an den spanischen Regierungschef Mariano Rajoy. Darin beschuldigten sie ihn, über Katalonien den „Ausnahmezustand“ verhängt zu haben.
Madrid: Volksabstimmung ist illegal
Bei einem regulär abgehaltenen Referendum würden die Gegner der Unabhängigkeit laut Umfragen mit 49 Prozent vor den 41 Prozent Anhängern der Unabhängigkeit landen. In den ländlichen Regionen haben die Unabhängigkeitsbefürworter ihre Hochburgen. Die große Mehrheit der Katalanen ist jedoch dafür, dass sie über die Frage frei abstimmen dürfen.
Die spanische Zentralregierung betrachtet die Volksabstimmung als illegal, das Verfassungsgericht in Madrid erklärte das in Barcelona beschlossene Referendumsgesetz für ungültig. Die Generalstaatsanwaltschaft leitete Ermittlungen gegen mehr als 700 katalanische Bürgermeister ein, die das Unabhängigkeitsreferendum unterstützen.
Die katalanische Regionalregierung entband Josep Maria Jové, den Generalsekretär des Vizepräsidenten, von seinen Aufgaben. Er zählt zu den am Mittwoch festgenommenen hochrangigen Mitarbeitern der Regierung. Nachdem gegen diese Geldstrafen in Höhe zwischen 6.000 und 12.000 Euro pro Tag verhängt wurden, solange sie sich nicht an die Entscheidung des Verfassungsgerichts halten, entschied sich die Regionalregierung, Jové aus der Schusslinie zu nehmen. (afp)
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