Kanzler Kurz zurückgetreten – „Mein Land ist mir wichtiger als meine Person“

Drei Tage nach Bekanntwerden der Korruptionsvorwürfe in der sogenannten Inserate-Affäre hat Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz am Samstagabend die Konsequenzen gezogen und seinen Rücktritt erklärt.
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Sebastian Kurz.Foto: GEORG HOCHMUTH/APA/AFP via Getty Images
Epoch Times10. Oktober 2021

Unter dem Druck von gegen ihn laufenden Korruptionsermittlungen ist Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz zurückgetreten. Er wolle „Platz machen, um Chaos zu verhindern und Stabilität zu gewährleisten“, sagte der Politiker der konservativen ÖVP am Samstagabend in Wien. Neuer Regierungschef wird der bisherige Außenminister Alexander Schallenberg. Die in einer Koalition mit der ÖVP regierenden Grünen kündigten eine Fortsetzung der gemeinsamen Regierung an.

Kurz wies die Vorwürfe gegen ihn erneut zurück. Diese stammten aus dem Jahr 2016, „sie sind falsch und ich werde das auch aufklären können“. Davon sei er „zutiefst überzeugt“.

Stattdessen machte Kurz den Grünen schwere Vorwürfe. Der Koalitionspartner habe beschlossen, „sich klar gegen mich zu positionieren“, und damit eine „Pattsituation“ herbeigeführt. Diese Haltung sei „unverantwortlich“, Österreich riskiere damit, „in Monate des Chaos oder auch des Stillstands zu schlittern“. „Was es jetzt braucht, sind stabile Verhältnisse, ich möchte daher, um die Pattsituation aufzulösen, Platz machen“, sagte Kurz.

Kurz sagte in seiner Erklärung weiter – im Wortlaut:

„Sie haben alle mitverfolgt, dass in den letzten Tagen strafrechtliche Vorwürfe gegen mich erhoben worden sind. Diese Vorwürfe stammen aus dem Jahr 2016, sie sind falsch, und ich werde das auch aufklären können, davon bin ich zutiefst überzeugt.“

„Es ist etwas, das viele Spitzenpolitiker schon erleben mussten, im Inland, aber auch im Ausland. Was diesmal anders ist, ist, dass der Koalitionspartner sich entschlossen hat, sich klar gegen mich zu positionieren.“

„Sie können sich vorstellen, ich persönlich wäre auch dankbar, wenn die Unschuldsvermutung in unserem Land wirklich für alle Menschen gelten würde. Vermischt werden diese strafrechtlichen Vorwürfe mit SMS-Nachrichten, die ich teilweise in der Hitze des Gefechts geschrieben habe. Manche davon sind Nachrichten, die ich so definitiv nicht noch einmal formulieren würde, aber ich bin eben auch nur ein Mensch mit Emotionen und auch mit Fehlern.“

„In dieser schwierigen Zeit sollte es jedoch aber niemals um persönliche Interessen, um Parteiinteressen oder politische Taktiken gehen, denn mein Land ist mir wichtiger als meine Person. Und was es jetzt braucht, sind stabile Verhältnisse, ich möchte daher, um die Pattsituation aufzulösen, Platz machen, um Chaos zu verhindern und Stabilität zu gewährleisten.“

„Ich werde als Parteiobmann und als Klubobmann ins Parlament zurückkehren und dort versuchen, meinen Beitrag zu leisten. Vor allem aber werde ich selbstverständlich auch die Chance nutzen, die Vorwürfe, die gegen mich erhoben worden sind, zu entkräften und zu widerlegen.“

„Ich gebe zu, der Schritt ist kein leichter für mich und viele sagen mir den ganzen Tag über heute schon, ich soll mir das nicht gefallen lassen, nicht von der Opposition und auch nicht von unserem Koalitionspartner. Aber es geht nicht um mich, es geht um Österreich, es geht um Sie alle, sehr geehrte Damen und Herren, denn Sie alle haben sich verdient, dass sich die Politik nicht nur mit sich selbst beschäftigt, sondern dass die Politik für die Menschen in unserem Land arbeitet. Das war immer mein Zugang, das ist heute mein Zugang und das wird auch in Zukunft immer mein Zugang bleiben.“

Grüne wollen Zusammenarbeit fortsetzen

Vizekanzler Werner Kogler von den Grünen sagte nach Kurz‘ Rücktrittserklärung, mit Schallenberg könne die Zusammenarbeit in der Regierung fortgesetzt werden. Damit könne nun der Haushalt wie geplant verabschiedet werden.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Kurz und einige seiner engsten Vertrauten wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Untreue. Das Team soll Kurz‘ Aufstieg an die Spitze von ÖVP und Regierung seit 2016 durch geschönte Umfragen und gekaufte positive Medienberichte abgesichert haben. Im Gegenzug soll die Zeitung „Österreich“ lukrative Aufträge für Anzeigen vom Finanzministerium bekommen haben.

Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen hatte nach Bekanntwerden der Ermittlungen die Handlungsfähigkeit der Regierung in Zweifel gezogen, Grünen-Fraktionschefin Sigrid Maurer erklärte Kurz für „nicht mehr amtsfähig“ und forderte von der ÖVP, ihn durch eine „untadelige Person“ zu ersetzen. Wäre Kurz nicht zurückgetreten, hätte ihm am Dienstag bei einer Vertrauensabstimmung im Parlament die Abwahl gedroht.

2019 war unter Kurz bereits die Koalition der ÖVP mit der FPÖ im Zuge der Ibiza-Affäre zusammengebrochen. Bei der anschließenden Neuwahl wurde die ÖVP erneut stärkste Kraft und Kurz wieder Regierungschef.

Der 35-Jährige will nun als Partei- und Fraktionsvorsitzender ins Parlament zurückkehren „und dort versuchen meinen Beitrag zu leisten“. Vor allem wolle er aber die gegen ihn erhobenen Vorwürfe entkräften. Dazu wolle er die Aufhebung seiner parlamentarischen Immunität beantragen, um weitere Ermittlungen zu ermöglichen. (afp/oz)



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