Kanada verschärft Migrationspolitik: Zehntausende Akademiker vor der Abschiebung

In Kanada droht unter anderen rund 70.000 internationalen Akademikern die Abschiebung. Die Kehrtwende in der Migrationspolitik trifft vor allem Postgraduierte und Beschäftigte in Niedriglohnsektoren. Experten warnen vor negativen Folgen für die kanadische Wirtschaft.
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Kanadas Kehrtwende in der Migrationspolitik könnte 70.000 Akademiker zur Ausreise zwingen. Symbolbild.Foto: Marc Bruxelle/iStock
Von 13. September 2024

In Kanada droht mindestens 70.000 internationalen Akademikern – vorwiegend Postgraduierten – die Abschiebung. Zudem müssen trotz sinkender Geburtenrate und Arbeitskräftemangel Zehntausende Beschäftigte in Niedriglohnbereichen um ihre Aufenthaltsgenehmigung fürchten. Die meisten von ihnen waren ins Land gekommen, nachdem die Führung unter Premierminister Justin Trudeau nach Ende der Corona-Pandemie die Einwanderungsbestimmungen gelockert hatte.

Abschiebung internationaler Akademiker sorgt für zerbrochene Träume

Die von der Regierung verkündete Kehrtwende in der Migrationspolitik könnte dazu führen, dass ausländische Akademiker, deren Arbeitserlaubnis Ende des Jahres ausläuft, ihren Aufenthaltstitel verlieren. Viele von ihnen hatten hohe Studienkredite aufgenommen in der Hoffnung, im Anschluss an ihren akademischen Abschluss eine Daueraufenthaltsbewilligung zu erhalten.

Es war zuvor ein zwar nicht garantierter, aber weithin üblicher Weg für internationale Studenten, nach Ende ihrer akademischen Ausbildung unmittelbar in Arbeitsverhältnisse einzutreten oder bestehende auszubauen. Damit war häufig der Weg zum Bleiberecht in Kanada verbunden.

Dies lag vor allem daran, dass Akademiker durch parallele sozialversicherungspflichtige Beschäftigung Punkte für das „Comprehensive Ranking System“ (CRS) sammeln konnten, das dauerhafte Einwanderung ermöglicht.

Warum Kanada seine Migrationspolitik drastisch ändert

Mittlerweile hat das Kabinett in Ottawa jedoch die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen, auf deren Grundlage mehrere Provinzen die Zahl ihrer jährlich vorgesehenen Daueraufenthaltsgenehmigungen um 25 Prozent gekürzt hatten. Zudem gilt für mexikanische Arbeitskräfte wieder eine Visumpflicht.

Zu diesen gehörten Prince Edward Island (PEI), Ontario, Manitoba und British Columbia. Seit drei Monaten kommt es nun dort zu Protesten von Akademikern, aber auch Zeitarbeitern. Die Betroffenen erklären, sie hätten hohe Anfangsinvestitionen getätigt und Risiken auf sich genommen – und würden nun von der Regierung verschaukelt.

Premier Trudeau begründete die Kehrtwende auf der Kabinettsklausur der Liberalen Partei damit, dass sich „die wirtschaftlichen Bedürfnisse des Landes geändert“ hätten. Ausländische Arbeitskräfte seien unmittelbar nach der Corona-Pandemie aufgrund des herrschenden Mangels an Arbeitssuchenden unverzichtbar gewesen.

Proteste in mehreren Provinzen: „Wir fühlen uns verraten“

Dies sei nun nicht mehr der Fall. Neben Studenten, deren Zuverdienstmöglichkeiten bereits zuvor gesetzlich eingeschränkt worden waren, trifft die politische Wende vor allem befristete Beschäftigte. In den kommenden Monaten wird, wie „Toronto City News“ schreibt, „eine Rekordzahl von Ausländern mit befristeter Aufenthaltsgenehmigung mit dem Auslaufen ihrer Arbeitserlaubnis konfrontiert sein“.

Kanada ist zurzeit mit sinkenden Wachstumszahlen konfrontiert, nachdem das Ende von Corona kurzzeitig einen Schub ausgelöst hatte. Auch für die kommenden Jahre wird eine volatile Entwicklung auf niedrigem Niveau erwartet. In einigen Städten wird auch der Wohnraum knapp. Sprecher der Einwanderungsbewegung sehen sich dafür nun zum Sündenbock gestempelt.

In Regionen wie Quebec hat sich die Zahl der Arbeitsmigranten zwischen 2021 und 2023 mehr als verdoppelt. Jim Stanford, Wirtschaftswissenschaftler und Direktor des Centre for Future Work, erklärt dies mit politischen Fehlkalkulationen. Die Regierung in Ottawa habe ihre „Überreaktion“ auf Corona korrigiert, indem sie den Unternehmen erlaubt habe, nach der Pandemie massenhaft Niedriglohnarbeiter einzustellen.

Wirtschaftsexperten warnen vor negativen ökonomischen Folgen für Kanada

Daraufhin seien zahlreiche Wanderarbeiter gekommen, die schlecht bezahlte Jobs unter ausbeuterischen Bedingungen angenommen hätten. Die fehlende Bereitschaft der Regierung, die Bedingungen zu verbessern, und die fehlenden Möglichkeiten der Betroffenen, ihre Arbeitgeber zu wechseln, hätten dazu geführt, dass viele von ihnen sich nicht einmal mehr Lebensmittel leisten konnten.

Karl Blackburn, Präsident des Arbeitgeberverbandes von Quebec, übt Kritik an den neuen Restriktionen durch die kanadische Regierung. Der Arbeitskräftemangel in allen Verdienstgruppen bleibe bestehen. Unternehmen sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor mussten demnach bereits große Verluste hinnehmen.

Moshe Lander, Dozent für Wirtschaftswissenschaften an der Concordia University, sieht in der restriktiven Politik ebenfalls ein Problem für die kanadische Wirtschaft. Er rechnet mit gebremster Produktivität und gebremstem Wachstum:

„Es wird so dargestellt, als ob die Einwanderer das Problem wären, aber das ist nicht der Fall. Es sind die Gemeinden und die Provinzregierungen, die nicht genug getan haben, um ihnen zu helfen, sich schnell zu integrieren und die wertvolle Bereicherung zu sein, die sie für die kanadische Wirtschaft sind.“

Für Wohnungen und Infrastruktur zu sorgen, sei die Angelegenheit der politischen Entscheidungsträger.



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