Kampf um die Brücken von Bagdad
Die Brücken über den Tigris in Bagdad tragen symbolträchtige Namen wie „Republik“, „Märtyrer“ oder „Die Freien“. Normalerweise sind sie wichtige Verbindungen zwischen dem Ost- und dem Westteil der irakischen Hauptstadt. Doch seit Beginn der Proteste gegen die Regierung im Oktober sind die Überführungen für den Verkehr gesperrt, und Demonstranten und Sicherheitskräfte liefern sich auf ihnen fast täglich erbitterte Kämpfe, bei denen bereits zahlreiche Menschen getötet wurden.
Um die Demonstranten an der Überquerung des Flusses zu hindern, setzen die Sicherheitskräfte nicht nur Tränengas und Gummigeschosse ein, sondern auch scharfe Munition. Sie wollen mit allen Mitteln verhindern, dass die Demonstranten über den Tigris gelangen. Denn auf der Westseite des Flusses liegt die Grüne Zone, in der sich die Zentralbank, das Parlament, viele Ministerien und wichtige Botschaften befinden.
Die Demonstranten, die seit Wochen auf dem Tahrir-Platz auf der Ostseite des Tigris kampieren, wollen das Regierungsviertel besetzen, um Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi zum Rücktritt zu zwingen. „Wir wollen alles blockieren. Niemand soll mehr zur Arbeit fahren“, sagt der 45-jährige Demonstrant Imad Hossein. „Damit können die Leute, die nicht demonstrieren, uns helfen, die Regierung zu stürzen, die uns unterdrückt.“
Als erstes versuchten die Demonstranten, über die Brücke „Al-Dschumhurijah“ (Republik) vorzudringen, die in das Herz der Grünen Zone führt, wo die hochgesicherten Botschaften der USA und Großbritanniens liegen. Um eine Besetzung des Regierungsviertels zu verhindern, errichtete die Polizei drei Barrieren auf der Brücke und ging mit Tränengas und auch immer wieder mit scharfer Munition gegen die Menge vor.
Von der Brücke „Al-Dschumhurijah“ weiteten sich die Proteste rasch auf die benachbarten Brücken „Al-Sinek“, „Al-Ahrar“ (Die Freien) und „Al-Schohada“ (Die Märtyrer) aus. Zumeist beginnen die Zusammenstöße am späten Nachmittag und dauern bis zum Morgengrauen an. Freiwillige Helfer bergen die Verletzten und bringen sie in die Feldlazarette, die in angrenzenden Gebäuden eingerichtet worden sind.
Schon 300 Tote
„Wir werden hier bleiben und Widerstand leisten, um die Gegend und die Revolution zu beschützen“, sagt der 24-jährige Demonstrant Abbas auf der Brücke „Al-Ahrar“. „Sonst werden sie die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz mit Wasserwerfern, Tränengas, scharfer Munition und Maschinengewehren angreifen, die schon jetzt jeden Tag Menschen töten“, sagt der in eine Militärjacke gekleidete junge Mann.
Seit Beginn der Proteste Anfang Oktober wurden laut Angaben der Regierung fast 300 Menschen getötet, davon 157 in den ersten sechs Tagen. Nach Wiederaufflammen der Proteste am 24. Oktober gab es dutzende weitere Tote, davon viele auf den Brücken. Allein am Donnerstag wurden nach Angaben der Rettungs- und Sicherheitskräfte drei Menschen auf dem Ostufer des Tigris durch Schüsse getötet.
Besonders gefürchtet sind die Tränengasgranaten, die Schädel und Brust durchdringen können, wenn sie direkt abgefeuert werden. Um sich zu schützen, haben die Demonstranten Bauhelme aufgezogen und Schutzvorkehrungen aus Platten und Fässern gebaut. Einige tragen dicke Handschuhe, um die heißen Kartuschen zu greifen und zurückzuwerfen. Andere benutzen Laserpointer, um die Polizisten zu blenden.
Wegen der Proteste hat die Polizei wieder die verhassten Betonwände aufgestellt, die während der Jahre des Bürgerkriegs das Stadtbild prägten. Erst vor wenigen Monaten hatte Ministerpräsident Abdel Mahdi sie entfernen lassen, um zu demonstrieren, dass die Stadt nach dem Sieg über die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) wieder sicher sei. Doch mit der Gewalt sind auch die Mauern zurück.(afp)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion