Kampf um Aleppo: Dschihadisten kontrollieren großen Teil der Stadt
Syrische Rebellen kontrollieren nach den schwersten Kämpfen seit Jahren mittlerweile den Großteil der Millionenstadt Aleppo, „den größten Teil der Stadt sowie Regierungszentren und Gefängnisse“. Das sagte Rami Abdel Rahman, der Leiter der in Großbritannien ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, zu dpa. Zudem sei Aleppo in der Nacht zum Samstag erstmals seit 2016 von russischen Luftangriffen getroffen worden.
Die syrische Armee bestätigte die Präsenz der Rebellen in der Stadt. Der Beobachtungsstelle zufolge starben bei den Kämpfen seit Mittwoch mehr als 310 Menschen.
Der syrische Ableger des Terrornetzwerkes Al-Kaida HTS und dessen Verbündete hatten am Mittwoch eine überraschende Großoffensive gegen die Streitkräfte der Regierung gestartet – es sind die heftigsten Kämpfe seit 2020.
Niederlage für Assad
Sollte Aleppo dauerhaft an die Aufständischen fallen, wäre das ein herber Schlag für Präsident Assad, der seine Macht mit Hilfe russischer und iranischer Unterstützung in den vergangenen Jahren wieder festigen konnte.
Die Offensive stellt eine bemerkenswerte Entwicklung dar in dem seit 2011 andauernden Bürgerkrieg, da sich die Fronten zuletzt wenig verändert hatten. Russland teilte mit, es werde die syrischen Regierungstruppen unterstützen. Die russische Armee erklärte, dass sie zur Unterstützung der Regierung in Damaskus „extremistische“ Gruppen in Syrien bombardiert habe.
Nach Angaben eines dpa-Reporters vor Ort sind Tausende Menschen auf der Flucht in ländliche Gebiete oder andere Städte. Die Rebellenallianz verhängte nach eigenen Angaben eine Ausgangssperre in der Stadt bis 8 Uhr morgens am Samstag.
70 Orte durch Dschihadisten erobert?
„Bewaffnete terroristische Organisationen“ hätten „einen breit angelegten Angriff“ an den Fronten in Aleppo und Idlib gestartet, erklärte die syrische Armee. Es gebe heftige Kämpfe „in einem Streifen von mehr als 100 Kilometern“.
Die Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete, dass die Dschihadisten und ihre Verbündeten, von denen ihren Angaben zufolge einige der Türkei nahestehen, am Freitag nach „zwei Selbstmordattentaten mit Autobomben“ vor den Toren der Stadt nach und nach die Kontrolle über die Stadtteile übernahmen.
„Der Gouverneur von Aleppo sowie die Polizeikommandeure und der Sicherheitsdienst haben sich aus dem Stadtzentrum zurückgezogen“, so die Beobachter.
Im Zuge der Offensive eroberten die Dschihadisten binnen drei Tagen demnach rund 70 Orte. Die Beobachtungsstelle mit Sitz in Großbritannien bezieht ihre Informationen aus einem Netzwerk verschiedener Quellen in Syrien. Ihre Angaben sind von unabhängiger Seite kaum zu überprüfen.
Monatelange Vorbereitungen
Dareen Khalifa, Expertin der International Crisis Group, erklärte, die Offensive sei von den Dschihadisten über Monate vorbereitet worden. „Sie wurde als defensive Kampagne gegen eine Eskalation des Regimes dargestellt“, betonte Khalifa mit Blick auf frühere Angriffe der syrischen Armee und ihres russischen Verbündeten auf Rebellengebiete im Nordwesten.
Die Dschihadisten würden jedoch auch „die regionalen und geostrategischen Veränderungen beobachten“. So starteten sie die Offensive an jenem Tag, an dem im Libanon eine Waffenruhe zwischen der israelischen Armee und der mit der syrischen Regierung und Teheran verbündete Hisbollah-Miliz in Kraft trat.
Die Dschihadisten „denken, dass die Iraner jetzt geschwächt sind und das Regime in die Enge getrieben wird“, analysierte Khalifa.
Syrische Armee griff an
Das syrische Verteidigungsministerium gab an, die Streitkräfte seien mit massiven Angriffen im Umland Aleppos und Idlibs konfrontiert.
Die syrische Armee griff mit Unterstützung russischer Kampfjets Dutzende Ziele in Idlib und im Umland von Aleppo an. Ein Sprecher der russischen Armee teilte laut der staatlichen Nachrichtenagentur Tass mit, mindestens 200 Rebellen seien bei russischen Angriffen getötet worden.
Aleppo war in den ersten Jahren des syrischen Bürgerkriegs stark umkämpft und wurde großflächig zerstört. Aufnahmen der verwüsteten Stadt gingen damals um die Welt.
2016 wurden die Aufständischen vom syrischen Militär und dessen Verbündeten gewaltsam aus dem östlichen Teil der Stadt vertrieben. Die Schlacht um Aleppo gilt bis heute als eine der schlimmsten in mehr als 13 Jahren Bürgerkrieg. Idlib ist seit Jahren in der Hand der Aufständischen.
Russland griff 2015 in den syrischen Bürgerkrieg ein und trug mit seiner Luftwaffe dazu bei, dass Präsident Assad seine wankende Machtstellung wieder festigen konnte.
Wegen des Ukraine-Kriegs verringerte Moskau ab 2022 seine Truppenpräsenz in Syrien. Eine politische Lösung für den Konflikt ist nicht in Sicht. Infolge des Bürgerkriegs sind Millionen Syrer ins Ausland geflohen – viele auch nach Deutschland. (dpa/red)
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