John Lenczowski: Der wahre Konflikt mit China ist ein ideologischer – und die USA müssen zurückschlagen

Wer sich daran hält, bestimmte Tabus bezüglich des kommunistischen Regimes in China nicht anzusprechen, wird keine Konflikte haben mit der KPCh. Westliche Medien und Akademiker befolgen größtenteils diese Anweisung, weiß John Lenczowski. Doch ist die Kommunistische Partei Chinas nicht das Volk Chinas. Und was kann getan werden, um die Bedrohung, die von der Regierung Chinas ausgeht, einzudämmen?
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John Lenczowski im Gespräch.Foto: Epoch Times
Von 9. Oktober 2024

John Lenczowski ist Gründer, Kanzler und emeritierter Präsident des Institute of World Politics. Die Hochschule mit Sitz in Washington, D.C. hat sich auf die Vermittlung der Instrumentarien bezüglich Staatskunst und nationaler Sicherheit spezialisiert.

Lenczowski war wichtigster Berater in sowjetische Angelegenheiten von Präsident Ronald Reagan.

Was sind die wichtigsten Mittel der Kommunistischen Partei Chinas zur strategischen Täuschung? Und warum wissen nicht mehr Menschen darüber Bescheid?

„Die Chinesen haben heute 600 Tarnorganisationen in den Vereinigten Staaten, die versuchen, alle möglichen Bereiche unserer Gesellschaft zu beeinflussen“, so Lenczowski. Amerika habe die Art der Bedrohung durch das kommunistische China nicht verstanden. Und weiter: „Das Problem ist, dass unser außenpolitisches Establishment vor allem damit beschäftigt ist, eine falsche Atmosphäre des Friedens zu schaffen, anstatt echten Frieden zu kreieren.“

Lesen Sie hier die gekürzte Version des Interviews mit John Lenczowski. Gastgeber in der Reihe American Thought Leaders war Jan Jekielek.

Anfang des Jahres las ich Ihren Artikel, „Cold War Strategy for Genuine Peace with China“. Darin listen Sie verschiedene offensivere Aktionen auf, die das chinesische Regime gegen die USA und den Westen unternommen hat. Ich wusste gar nichts über Dinge wie zum Beispiel den Versuch, Stinger-Raketen an Banden in Los Angeles zu liefern. Wie kommt es, dass wir nichts davon wissen?

Dafür gibt es viele Gründe. Insbesondere versäumt es unsere nationale Führung, dem Volk der USA die Wahrheit über diese Aggressionen zu sagen. Es gibt vorsätzliche Blindheit, es gibt Wunschdenken, Spiegelbilddenken und Korruption.

Es gibt alle möglichen wirtschaftlichen Interessen. Man will scheinbar lieber harmonische Geschäfte mit Chinas kommunistischem Regime machen, genau wie es Unternehmen gab, die mit Russland Geschäfte machen wollten, um Geld zu verdienen, oder selbst damals vor dem Kalten Krieg mit Nazi-Deutschland und dann auch mit der Sowjetunion.

Auf jeden Fall gab es hier viel Selbstzensur. Die akademische Gemeinschaft und die Medien wurden vom chinesischen kommunistischen Regime korrumpiert. Akademiker und auch Journalisten haben gelernt, die vier Tabus zu respektieren: „Schreibt nicht über chinesische Menschenrechtsverletzungen, nicht über ihre militärische Aufrüstung, nicht über ihre Spionage und nicht über ihre verdeckten politischen Operationen zur Einflussnahme“, von denen viele auch offensichtlich sind.

Wenn man also über diese Dinge nicht schreibt, dann bekommt man ein Visum für China, kann als Fachkundiger in das Land reisen, das Büro der New York Times wird nicht geschlossen und man wird nicht ausgewiesen, weil man vielleicht Dinge schreibt, die das kommunistische Regime Chinas angreifen. Es gibt also sehr viele Gründe dafür.

Viele Leute, darunter auch einige sehr bekannte Sinologen, vor deren Arbeit ich großen Respekt habe, sagen uns: „Die meisten Menschen in China glauben gar nicht mehr an den Kommunismus. Das ist etwas anderes.“

Ja, einschließlich der Parteimitglieder.

Ja, ganz genau.

Hier zeigt sich das schreckliche Versagen des Spiegelbilddenkens. Dabei betrachten wir auf trügerische Weise andere Kulturen so, als wären sie genau wie wir. Und so gehen alle möglichen Menschen, die China beobachten, sogar prominente und ansonsten sehr vernünftig denkende Sinologen, davon aus, dass man an eine Ideologie glauben muss, damit sie politisch umsetzbar ist.

Aber das ist nicht der Fall. Das war nicht der Fall in der Sowjetunion, und das ist nicht der Fall in China. Man muss sich intensiv mit Ideologie befassen. Nicht nur, um ihre Leitprinzipien oder – aus einer anderen Perspektive betrachtet – die einschränkenden Prinzipien zu kennen, sondern man muss auch verstehen, welche Funktionen sie im System hat.

Und in China und anderen kommunistischen Ländern wie Nordkorea dient die Ideologie zwei grundlegenden Zwecken. Einer der Gründe ist, das Regime an der Macht zu legitimieren. Warum verdient es die Partei, an der Macht zu sein? Die marxistisch-leninistische Ideologie liefert ihnen diese Legitimation.

Ich kann das näher erläutern, aber das ist ihr Hauptinstrument. Und sie haben Hilfsmittel. Sie sagen: „Wir sind chinesische Patrioten, die die chinesische Nation aufbauen. Wir führen eine wachsende Wirtschaft und haben Millionen von Armen geholfen.“ Das ist jedoch völlig nebensächlich.

„Aber wir schaffen Gerechtigkeit für ein ganzes Jahrhundert der Demütigung“, zum Beispiel.

Ja. „Niemand sonst hätte das tun können. Wir haben es getan.“ Die Sowjets sagten etwas Ähnliches: „Wir mögen vielleicht Bastarde sein, aber wir sind eure Bastarde. Wir waren die Einzigen, die die Nazis loswerden und besiegen konnten.“

Die Chinesen haben auch lauter Varianten dieser Narrative. Neben der Legitimierung ist die innere Sicherheit eine wesentliche Funktion. Das chinesische Regime ist ein illegitimes Regime. Es regiert ohne die Zustimmung der Regierten. Daher hat es ein Problem mit der inneren Sicherheit. Es hat Angst vor den eigenen Leuten, es hat Angst vor seinem eigenen Volk.

Der zentrale Fakt bezüglich des politischen Lebens in China ist die Angst des Regimes vor dem eigenen Volk. Wenn man Angst vor dem Volk hat, richtet man ein massives System der inneren Sicherheit ein, mit Informanten überall.

Dann gibt es noch die Laogai, die chinesischen Arbeitslager. Niemand weiß genau, was das ist, weil die Medien nie über die Laogais berichten.

Und es gibt noch die Kontrolle über das Kapital, also die umfangreiche Kontrolle der ganzen Wirtschaft. Jede einzelne organisierte Körperschaft innerhalb des Landes wird kontrolliert. Bildung und Unterhaltung werden kontrolliert und ausländische Radiosendungen werden abgefangen. Es gibt unzählige verschiedene Aspekte der totalitären Kontrolle in China.

Und wo passt jetzt die Ideologie in all das hinein? Die Ideologie ist in vielerlei Hinsicht das zentrale Element des Totalitarismus, weil sie den Maßstab für Konformität setzt. Konformität der Semantik, der Sprache, des Denkens, Kontrolle der Gedanken und letztlich des Verhaltens.

Sie setzt den Standard, an dem die Abweichung gemessen wird. Sie ist das Äquivalent zum Trommelwirbel für marschierende Soldaten. Warum lassen Armeen Soldaten marschieren? Um sie ihrer Individualität zu berauben und Gehorsam zu unterstreichen. Militäroperationen funktionieren nur, wenn jeder den Befehl befolgt.

Wenn man nicht im Gleichschritt marschiert, kann der Feldwebel einen als Nonkonformisten, als Dissidenten oder als Faulenzer identifizieren, als irgendetwas, das gegen das Prinzip der politischen Konformität und im Falle der kommunistischen Partei gegen Disziplin verstößt.

Diese Person wird dann zur Umerziehung oder Bestrafung weggeschickt. Man muss sich der Parteilinie unterordnen und jeder muss die Lügen wiederholen. Und diese Lügen können sich je nach den Ansprüchen der Partei jederzeit ändern.

So habe ich meine Doktorarbeit nicht in der Sowjetunion geschrieben, weil man in den Bibliotheken dort keine alten Ausgaben der Prawda bekommen konnte. Denn man wollte nicht, dass die eigenen Leute lasen, was sie selbst sechs Monate zuvor veröffentlicht hatten.

In der Library of Congress konnte ich hingegen alles bekommen, in der Sowjetunion nicht. China hat im Grunde dasselbe Problem. Die Parteilinie ändert sich und die Menschen müssen diszipliniert werden.

Man erhält die Parteidisziplin aufrecht, indem man Linie vorgibt, und dann sorgt man dafür, dass die ideologische und verhaltensbezogene Konformität unter den Menschen aufrechterhalten bleibt.

Sie erwähnten vorhin, dass Sie zwischen dem chinesischen Volk und dem Regime selbst unterscheiden möchten. Seit Jahrzehnten befürworte ich diese Idee, und ich glaube, das ist ganz offensichtlich geworden. Wenn ich mich recht entsinne, wurde das auf Regierungsebene erstmals von Außenminister Pompeo offiziell formuliert. Ich fand das bemerkenswert, weil ich so etwas noch nie gehört hatte – weder von meiner kanadischen noch von der US-Regierung. Warum ist das so wichtig?

Nun, letztlich befinden wir uns in den USA und im Westen – beziehungsweise auch die Menschen im Osten, die den Geist des Westens teilen, die sich für Freiheit und so weiter einsetzen – seit 100 Jahren im Kampf gegen den Totalitarismus.

Das Problem ist, dass dieser Kampf gegen den Totalitarismus nicht nur zwischen den Großmächten stattfindet. Er tobt auch innerhalb unserer jeweiligen Gesellschaft. So geht der Krieg gegen den Totalitarismus in China weiter, zwischen dem Regime und Teilen des chinesischen Volkes.

Es gibt natürlich viele Menschen in China, die diesen Krieg nicht wirklich führen, weil sie ihr Schicksal akzeptieren, was die Partei von ihnen erwartet. Die Partei möchte, dass sie hilflos, hoffnungslos und verzweifelt bleiben. Dieser Zustand wird durch einige materielle Verbesserungen im Leben etwas besänftigt – für diejenigen, die es in die Mittelschicht geschafft haben.

Die Partei will die Menschen psychisch gesehen in einem Zustand der aussichtslosen Resignation haben. Die Herrschaft der Partei und die launische und willkürliche Justiz der Parteifunktionäre werden schlichtweg akzeptiert. Die Menschen müssen das einfach schlucken. So ist das Leben in China.

Millionen, Hunderte Millionen Menschen akzeptieren ihr Schicksal und glauben, dass Widerstand zwecklos ist. Aber es gibt immer diejenigen, die echte Freiheit erreichen wollen. Die Unterscheidung zwischen dem Regime und dem Volk ist deshalb strategisch so wichtig, da das Volk de facto der Verbündete von uns ist und sein sollte – derer von uns im Westen, die wirklich an Freiheit und unveräußerliche Menschenrechte glauben, an die Art von Menschenrechten, die von unseren Gründervätern konzipiert und von Martin Luther King artikuliert wurden.

Wenn wir uns selbst zensieren, wenn unsere Regierung das tut bezüglich der Natur eines Regimes wie dem chinesischen, dann werden all diejenigen, die noch einen Funken Widerstand in sich tragen, enorm demoralisiert.

Sie sehen, dass das Regime so mächtig ist, dass es den Präsidenten der USA dazu zwingt, zu sagen, dass der nackte Kaiser schöne Kleider trägt. Wenn der, der angeblich die maximale Freiheit hat, die Wahrheit auszusprechen, die Wahrheit nicht sagen kann, welche Hoffnung gibt es dann noch für uns? Diese Psychologie müssen wir ändern, genau wie Reagan es getan hat. Lasst uns das tun, was Reagan getan hat, um den Kalten Krieg zu führen, ohne einen Schuss abzufeuern.

Vielen Dank für das Gespräch.


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