Jenseits von Molenbeek: Terrorfahndung in ganz Brüssel
Nicht mehr nur die vermeintliche Islamistenhochburg Molenbeek steht im Fokus der Fahnder – auch unter anderem die Brüsseler Gemeinden Schaerbeek und Forest werden durchkämmt.
Nach den Anschlägen am Brüsseler Flughafen Zaventem und der Metrostation Maelbeek mit mehr als 30 Toten rückt zunächst Schaerbeck in den Fokus. Spuren führen die Ermittler in den Nordosten von Brüssel – auch das nicht zum ersten Mal. Bereits im Dezember entdeckte die Polizei dort in einer Wohnung Material zur Herstellung von Sprengstoff und Fingerabdrücke des Terrorverdächtigen Salah Abdeslam. Nach den Terroranschlägen in Brüssel werden in der Nacht auf Mittwoch eine Flagge der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), ein Sprengsatz mit Nägeln und chemische Substanzen gefunden. Auch in den Stadtteil Anderlecht sollen ersten Berichten zufolge Spuren führen.
Auch ein weiterer Stadtteil stand bereits vergangene Woche im Zentrum der Ermittlungen: Forest im Süden Brüssels. Dort wurde bei einem Anti-Terror-Einsatz ein Verdächtiger von der Polizei erschossen. Khalid El Bakraoui, der als Attentäter in der Brüsseler Metro identifiziert worden ist, soll in Forest unter falscher Identität eine Wohnung angemietet haben.
Bisher konzentrierte sich der Blick der Öffentlichkeit auf die Gemeinde Molenbeek, die als Islamistenhochburg gilt. Hier, im Westen der Stadt, konnte Abdeslam unterschlüpfen. Er soll einer der Hauptverantwortlichen für die Pariser Anschläge mit 130 Todesopfern im vergangenen November sein. Am Freitag wurde er nach mehrmonatiger Flucht in einer Wohnung in dem dicht besiedelten Viertel festgenommen.
Molenbeek gilt seit Jahren als Problemstadtteil mit einer kaum zugänglichen Parallelgesellschaft. Die Arbeitslosenquote liegt bei rund 30 Prozent. Natürlich gebe es hier Probleme, sagt Ahmed El Khannou, der erste Beigeordnete der Bürgermeisterin und im Rathaus auch für das Thema Integration zuständig. Aber Molenbeek sei kein rechtsfreier Raum.
Am Montag nach der Razzia und Verhaftung Abdeslams gab er noch auf dem Rathausplatz geduldig Interviews. Vorwürfe, die Bewohner des Viertels hätten Abdeslam geholfen, wies er brüsk zurück. „Molenbeek wird niemals einen Kriminellen wie diesen schützen. Niemals. Die Bevölkerung ist schockiert, angewidert.“
Dass jetzt doch auch andere Orte in Brüssel ins Visier der Ermittler geraten, kommt Fremdenführer Bert de Bisschop wie eine Korrektur des Blickwinkels vor. „Die Konzentration auf Molenbeek war merkwürdig“, sagt der Mann, der Führungen durch Molenbeek anbietet.
Ein Molenbeeker Ehepaar klang auch schon vor den Anschlägen in Brüssel etwas pessimistischer. „Wir waren nicht überrascht, dass Abdeslam in Molenbeek gefunden wurde“, sagt der 41-Jährige. Seine Frau fällt ihm ins Wort: „Es ist einfach frustrierend. Es war hier vorher schon schwierig, aber okay. Jetzt misstraut jeder jedem.“
Das Ehepaar lebt seit fünf Jahren in Molenbeek. Sie beschreiben sich selbst als weiße Mittelklasse. Ihre Nachbarschaft mögen sie gerne. Was dort falsch läuft? Die Menschen erhöben ihre Stimme nicht für sich selbst, sagt der 41-Jährige. „Die meisten versuchen einfach über die Runden zu kommen. Sie haben nicht die Energie und vielleicht auch nicht das Interesse, sich gegen kriminelle und terroristische Strukturen zu erheben.“
Am Montag klang der 41-Jährige mit Blick auf die Festnahme Abdeslams noch gelassen: „Das Leben geht weiter.“ Am Dienstag nach den Anschlägen sagt er aber: „Die Welt hat sich seit gestern verändert und absolut nicht zum Guten.“
Während die Ermittlungen weiter gehen, stockt der Alltag in Brüssel. Die Terrorwarnstufe wurde auf das höchste Niveau angehoben. Flughafen und Metro bleiben weitgehend geschlossen, Straßen gesperrt. Das Heulen der Polizeisirenen wird zum Grundrauschen der Stadt.
De Bisschop konzentriert sich auf die guten Seiten. Der Hort seiner Kinder in Molenbeek sei am Mittwochnachmittag geschlossen geblieben. Die Betreuer seien dann einfach in die Schule gekommen, um dort auf die Kinder aufzupassen. „Das ist ein Beispiel dafür, wie man so normal wie möglich mit dem Leben weitermachen kann“, sagt de Bisschop. Seine Tochter werde einen schönen Nachmittag haben, wie an jedem anderen Mittwoch auch. Davon ist er überzeugt.
(dpa)
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